Volland erklärt auch, welche wichtigen Tugenden in der Jugendarbeit kaum noch vermittelt werden und wie er den Eishockeyschläger gegen die Fußballschuhe eintauschte. Zudem hält er einen Rat für seinen umworbenen Teamkollegen Kai Havertz bereit und äußert sich zu Anfeindungen im Netz.
Herr Volland, Ihr Vater Andreas war Eishockey-Profi, gewann 1994 sogar die deutsche Meisterschaft mit Hedos München. Können Sie sich noch an seine aktive Zeit erinnern?
Kevin Volland: Als mein Vater seine erfolgreichste Phase in München hatte, war ich erst zwei Jahre alt und habe fast nichts davon mitbekommen. Glücklicherweise hatte mein Opa die Spiele auf Videokassetten aufgenommen. So konnte ich mir die WM und viele Vereinsspiele wenigstens anschauen, als ich ein kleiner Bub war. Zum Ende seiner Karriere hat er in der zweiten Liga und in der Oberliga gespielt. Daran kann ich mich noch erinnern, weil wir mit der Familie häufig ins Stadion gefahren sind.
War Ihr Vater auch aus sportlicher Sicht ein Vorbild für Sie?
Volland: Auf jeden Fall, meine Geschwister und ich waren und sind immer noch sehr stolz auf unseren Vater. Wenn wir seine Spiele angeschaut haben, sind wir danach sofort in den Keller gelaufen und haben dort Streethockey gespielt. Mein Bruder und ich haben seine Aktionen oft nachgestellt. Auch draußen im Hof. Dann musste einer ins Tor und der andere ist mit dem Eishockeyschläger zum Penaltyschießen angetreten.
Sie haben zunächst Eishockey im Verein gespielt. Warum tauschten Sie den Schläger gegen Fußballschuhe?
Volland: Eishockey ist besonders im jungen Alter mit sehr viel Aufwand verbunden. Meine Mutter musste meinem Bruder und mir immer beim Umziehen helfen, die Fahrt zum Training dauerte eine halbe Stunde. Mit dem Fußball ist und war es einfacher. Du gehst einfach raus in den Garten oder auf den Bolzplatz und schon kann es losgehen. Als ich sieben Jahre alt war, hat mir Fußball außerdem mehr Spaß gemacht. Deshalb habe ich mich für den Fußball entschieden.
Eine Entscheidung, die Ihren Vater schmerzte?
Volland: Nein, das war gar kein Thema für ihn. Eltern spüren, wozu man mehr Lust hat. Meinen Eltern war es wichtig, dass meine Geschwister und ich viel Zeit an der frischen Luft mit unseren Freunden verbringen. Sie hätten mich niemals dazu gedrängt, Eishockey zu spielen.
Ihr Bruder Robin ist zwei Jahre jünger als Sie. Haben Sie sich beim Fußballspielen im Garten oder auf dem Bolzplatz gegenseitig gepusht?
Volland: Robin war als Kind etwas ruhiger und hatte nicht so viele Hummeln im Hintern wie ich (lacht). Er hat zwar mit mir gekickt, aber ich hatte einfach viel mehr Energie und wollte immer weitermachen. Als Kinder haben wir von morgens bis abends Fußball gespielt. Robin ist dann meistens nachmittags heimgegangen, weil er platt war. Ich habe ihn dann immer wieder überredet, dass wir im Hobbykeller abends um acht Uhr noch Eins-gegen-Eins auf Hockeytore spielen. Wir haben uns häufig duelliert. Hätte es ihn nicht gegeben, wäre ich wahrscheinlich kein Fußballprofi geworden.
Wann haben Sie festgestellt, dass Sie besser Fußball spielen können als andere Jungs in Ihrem Alter?
Volland: Da müsste man meine ehemaligen Kollegen fragen. Als ich bei den Bambinis und später in der E-Jugend gespielt habe, hatte ich das Gefühl, dass ich mich gut gegen meine Gegenspieler durchsetzen konnte. Ich bin von hinten nach vorne durchgedribbelt, habe quergelegt oder selbst Tore geschossen. Es soll nicht überheblich klingen, aber das Talent war definitiv vorhanden.
Als 15-Jähriger sind Sie zu 1860 München gewechselt. Wie sind die Löwen auf Sie aufmerksam geworden?
Volland: Meine vorherigen Stationen waren damals der FC Memmingen und die TSG Thannhausen. Mit diesen Klubs habe ich meistens gegen den Abstieg aus der höchsten Jugendliga gespielt. Ich wurde dennoch in die Bayern-Auswahl berufen und spielte im Zuge dessen mit den Jungs von 1860, dem FC Bayern und Augsburg zusammen. Vermutlich wurde Sechzig in dieser Zeit auf mich aufmerksam.
Sie lebten bei 1860 im Internat. Wie schwer fiel Ihnen der Schritt, die Heimat zu verlassen?
Volland: In meinem Elternhaus lief alles sehr familiär ab. Zudem hatte ich in der Heimat viele gute Kumpels und einen tollen Freundeskreis. Deshalb bedeutete das Internatsleben schon eine extreme Umstellung für mich. Immerhin war ich im nahegelegenen München untergekommen und somit nicht allzu weit weg von Zuhause.
Wie kann man sich einen "normalen" Tagesablauf im Internat vorstellen?
Volland: Man wird sehr früh selbstständig und verspürt erstmals Leistungsdruck. Nicht nur im Sport, sondern auch in der Schule. Wenn man in der Schule Unsinn anstellte, durfte man am Abend nicht trainieren. Meine Freunde und ich trafen uns um sieben Uhr morgens zum Frühstück und fuhren 45 Minuten mit der S-Bahn nach Taufkirchen in die Sportschule. Der Unterricht ging bis halb fünf, im Anschluss sind wir wieder heimgefahren. Um sieben Uhr stand das Training an, später aßen wir gemeinsam zu Abend. Danach mussten wir uns den Schulaufgaben widmen.
Klingt nach einem harten Alltag.
Volland: Es war definitiv hart. Aber rückblickend war es eine sehr gute Lektion.
Welche Tugenden bekamen Sie im Internat vermittelt?
Volland: Bei 1860 standen Disziplin, hartes Arbeiten und Mannschaftsdienlichkeit im Vordergrund. Das können Lars und Sven Bender oder Julian Baumgartlinger sicherlich bestätigen. Ich glaube, darauf wird heutzutage weniger Wert gelegt.
Inwiefern?
Volland: Es gibt A-Jugend-Spieler, denen ständig gesagt wird, wie viel Talent sie haben. Wenn man bei den Profis mittrainieren darf, muss man aber Gas geben. Außerdem sollte man schauen, wie man den Teamkameraden helfen kann - sei es beim Tragen der Trainingstore oder des Ballnetzes. Es geht um Demut. Die Jungs sollten es nicht als selbstverständlich erachten und davon ausgehen, sofort zig Bundesligaspiele machen zu dürfen. Das ist nämlich nicht die Wahrheit.
Auch der FC Bayern lud Sie damals zum Probetraining ein. Warum entschieden Sie sich dennoch für den Stadtrivalen?
Volland: Ich habe bei 1860 die größeren Chancen gesehen, Profi zu werden. Die Löwen legten damals großen Wert auf Jugendarbeit und waren hinsichtlich der ersten Mannschaft auf gute Eigengewächse angewiesen. Bei den Bayern war das anders. Sie hatten schon zu dieser Zeit einen herausragenden Kader und die Mittel, Weltklassespieler zu verpflichten.
Im Anschluss an Ihre Internatszeit lebten Sie mit Ihrem Teamkollegen Markus Ziereis in einer Münchner WG. Wie kam es zu dieser Entscheidung?
Volland: Markus Ziereis ist mein allerbester Kumpel. Wir verstehen uns blind. Das ist meiner Meinung nach ganz wichtig, wenn man zusammen in eine WG zieht. Nach drei Jahren im Internat wollten wir nicht mehr nachfragen müssen, ob wir ins Kino oder mit Freunden Essen gehen dürfen. Der Schritt war richtig, und wir hatten eine sehr coole Zeit.
Wie viel Bier floss im Hause Volland/Ziereis?
Volland: Es gehört dazu, mal ein Bierchen zu trinken. Das haben wir auch gemacht, wenn wir zum Beispiel dann und wann unsere FIFA-Abende an der Konsole ausgerichtet haben. Das ist ein Stückchen Lebensqualität. Allerdings nicht zwei Tage vor einem Spiel. So viel Selbstdisziplin hatten wir dann doch.
Wer hat bei FIFA gewonnen?
Volland: Früher war ich besser als Zier, aber mittlerweile zieht er mir die Hosen aus (lacht).