Vor 13 Wochen wurde Jürgen Klinsmann in den Aufsichtsrat von Hertha BSC berufen und nannte den Hauptstadtklub das "spannendste Fußball-Projekt Europas". 76 Tage nach seinem überraschenden Amtsantritt als Trainer wirft er nun noch überraschender wieder hin.
Es waren 76 Tage, in denen Klinsmann vollmundig und gespickt mit allerlei Anglizismen vom kommenden "Big City Club" sowie dem Ziel der Champions-League-Teilnahme schwadronierte. 76 Tage, während der er im Wintertransferfenster europaweit das meiste Geld ausgeben durfte. 76 Tage, in denen die von ihm trainierte Mannschaft zwar den Abstand auf den Relegationsrang vergrößerte, aber unansehnlichen Mauer-Fußball spielte. Und 76 Tage, in denen Klinsmann altgediente Spieler wie Salomon Kalou oder Kapitän Vedad Ibisevic im Nu zu Statisten degradierte, andere Profis in die Flucht schlug und sich innerhalb des Teams immer mehr Unruhe und Unmut breitmachten.
Klinsmann-Rücktritt macht Hertha zur Lachnummer der Liga
Kombiniert mit dem erstaunlichen Alleingang, das Ende seiner Zeit als Trainer via Facebook zu verkünden, damit dem Klub die Kommunikationshoheit zu nehmen, zugleich aber anzukündigen, sich künftig wieder auf den von Investor Lars Windhorst bestellten Posten im Aufsichtsrat der Kommanditgesellschaft zurückzuziehen, fügt Hertha BSC einen maximalen Imageschaden zu. All dies macht den Hauptstadtklub zu nichts anderem als zur Lachnummer der Liga.
Klinsmann selbst macht sich noch dazu unglaubwürdig, wenn er als Begründung für seinen Schritt über das mangelnde Vertrauen der handelnden Personen klagt, diese aber nun wieder in seiner Rolle als Aufsichtsrat kontrollieren soll. Wie soll es nach diesem schweren Vorwurf möglich sein, dass Klinsmann weiterhin mit Überzeugung hinter dem Projekt steht? Vielmehr belegt es, welch wahnwitziges Gebilde sich die Hertha unter Windhorst zurechtgelegt hat.
Auch der Investor selbst kommt bei dieser Nummer nicht gut weg. Gegenüber mehreren Medien bestätigte er, vom Klinsmann-Rücktritt am Montag erfahren zu haben. Dass er danach nicht unmittelbar die Vereinsgremien informierte, um dem Kommunikationsdesaster am Dienstagmorgen zuvorzukommen und Klinsmanns Alleingang auszubremsen, sagt viel über Windhorsts Machtbefugnisse innerhalb des Klubs aus.
Klinsmann und Windhorst vs. Preetz und Gegenbauer
Einen Klub, den Klinsmann durch seinen Schritt urplötzlich ins Chaos gestürzt hat. Es wird nun die bemitleidenswerte Aufgabe des langjährigen Sportdirektors Michael Preetz sein, der zuletzt ohnehin als Bremser von Klinsmann Großspurigkeit auftrat, diese Wirren zu moderieren und wieder Ruhe in den Verein zu bringen.
Dass dies in der aktuellen Personalkonstellation ein schwieriges Unterfangen wird, belegt nicht nur das kolportierte Zögern hinsichtlich Klinsmanns Zukunft als Hertha-Coach über den Sommer hinaus, das offenbar ausschlaggebend für den Rücktritt des Schwaben war.
Das Lager um Preetz und Präsident Werner Gegenbauer kann sich für den Moment zwar als Sieger fühlen. Es würde langfristig jedoch nicht überraschen, würde sich die Reformer-Gruppierung um Klinsmann und Windhorst angesichts der eingetretenen Spaltung des Klubs im Machtkampf gegen die "Bewahrer" der Prä-Klinsmann-Hertha durchsetzen.
Bundesliga: Die Trainerwechsel in der bisherigen Saison
Trainer | Datum | Nachfolger |
Niko Kovac (FC Bayern) | 3. November 2019 | Hansi Flick |
Achim Beierlorzer (1. FC Köln) | 9. November 2019 | Markus Gisdol |
Sandro Schwarz (Mainz 05) | 10. November 2019 | Achim Beierlorzer |
Ante Covic (Hertha BSC) | 27. November 2019 | Jürgen Klinsmann |
Friedhelm Funkel (Fortuna Düsseldorf) | 29. Januar 2020 | Uwe Rösler |
Jürgen Klinsmann (Hertha BSC) | 11. Februar 2020 | Noch unbekannt |