Das Ziel vor dem Wiederanpfiff ist klar: Kapitän Lars Stindl will mit Borussia Mönchengladbach unbedingt mindestens Platz vier in der Bundesliga verteidigen und so die Teilnahme an der Champions League eintüten. Bevor es gegen Eintracht Frankfurt am Samstag (18.30 Uhr im LIVE-TICKER) losgeht, verrät der Angreifer bei SPOX und Goal, wie er die Zwangspause erlebt hat, wer in der Jugend sein Idol war und was ihn besonders prägte.
Außerdem erklärt Stindl, welcher Mitspieler ihn im Laufe seiner Karriere am meisten beeindruckte und warum das Duell mit dem FC Barcelona in der Champions League einst so besonders war.
Herr Stindl, Sie gelten als traditionsbewusster und sich kritisch hinterfragender Profi-Fußballer. Welche Werte sind Ihnen als Mensch dabei besonders wichtig?
Lars Stindl: Generell immer die Menschlichkeit und das Vertrauen. Gerade in diesen Tagen aber vor allem auch die Solidarität in der Gemeinschaft und der Wohlfühlfaktor innerhalb der Familie.
Wer oder was hat Sie dahingehend besonders geprägt?
Stindl: Das waren meine Eltern und meine Großeltern. Dazu noch mein engster Freundeskreis, der mir bis heute zum Glück größtenteils erhalten geblieben ist. Für mich ist es extrem wichtig, dass in meinem Umfeld immer Menschen sind, auf die ich mich verlassen und mit denen ich abseits der Fußballwelt ein Privatleben haben kann.
Zu wem haben Sie damals außerhalb der Familie aufgeschaut oder schauen Sie noch auf?
Stindl: Es gab immer mal Personen, die mich auf meinem Weg begleitet haben, aber die größte Unterstützung hatte ich immer in der eigenen Familie.
Hat Sie eine Person aus dem Fußball besonders beeindruckt?
Stindl: Beeindruckt ist vielleicht nicht der richtige Ausdruck, aber Thomas "Icke" Häßler war zu meiner Jugendzeit beim Karlsruher SC ein echter Star im Verein. Der hat mich schon geprägt und mir eine andere Sichtweise auf den Fußball aufgezeigt. Insgesamt habe ich aber immer versucht, mir von allen, denen ich begegnet bin, etwas abzuschauen und viele Erfahrungen mitzunehmen.
Lars Stindl: "Icke Häßler hat mich geprägt"
Erinnern Sie sich an eine Situation in Ihrer frühen Karriere, in der Ihre gelebten Werte mit dem Profi-Fußball kollidiert sind?
Stindl: Nein, diese Situation gab es bei mir nicht. Ich habe nicht in einem Fußball-Internat gelebt, sondern lange bei meinen Eltern gewohnt und mein Abitur gemacht. Das war ihnen sehr wichtig. Insgesamt standen sowohl im Verein als auch in der Schule und im Umfeld immer Leute hinter mir, die eine vernünftige Sicht auf die Dinge hatten. Deshalb hat es bei mir recht gut mit der Entwicklung funktioniert.
Bräuchten junge Spieler dennoch eine Art Vormund, der sie auf die möglichen Gefahren im Profi-Fußball vorbereitet?
Stindl: Es könnte vielleicht hilfreich sein, wenn sich junge Spieler jemanden an die Seite nähmen, der sie in wichtigen Fragen vernünftig berät. Das Fußball-Geschäft ist nicht immer einfach. Viele Berater unterstützen ihre Spieler sehr gut und versuchen auch, sie in eine gewisse Selbstständigkeit zu führen. Aber es ist immer wichtig, dass man für Themen, in denen man sich nicht auskennt, einen richtigen Ansprechpartner an der Seite hat.
Benedikt Höwedes hat im SPOX-Interview erzählt, dass er sich heute für den Kauf eines getunten Autos schämt. Gibt es etwas aus ihren jungen Jahren als Profi, wofür Sie sich schämen?
Stindl: Das habe ich mich auch schon mal gefragt, aber etwas richtig Verrücktes, etwas, das ich heute bereue, war nicht dabei. Ich interessiere mich unter anderem auch für schöne Autos, bin aber generell glaube ich ein ganz normaler Mensch.
Inwieweit können und müssen Sie als Kapitän Einfluss auf Ihre jüngeren Mitspieler nehmen?
Stindl: Bei uns in der Mannschaft gibt es diese ausgeflippten Spielertypen gar nicht. Da wird schon bei den Transfers genau drauf geachtet, dass der Spieler nicht nur sportlich sondern vor allem auch menschlich zum Verein passt. Steffen Korell und Max Eberl haben dafür ein sehr gutes Gespür. Das Team schaut insgesamt über den Tellerrand hinaus. Wenn es mal angebracht sein sollte, dass etwas gesagt werden muss, übernehmen wir älteren Spieler das natürlich. Und gerade ich als Kapitän bin immer mit im Boot. Aber alles im Sinne der Mannschaft.
imago imagesLars Stindl: Tipps von Maik Franz
Welcher Ihrer Mitspieler hat Sie im Laufe Ihrer Karriere besonders mit seinem Verhalten beeindruckt?
Stindl: Beim KSC war das Maik Franz, der mir in der einen oder anderen Situation auf seine ganz eigene Art Tipps gegeben hat. Er war ein besonderer Fußballer, der immer alles zum Wohle der Mannschaft aus sich herausgeholt hat. Bei Hannover 96 war es dann Jan Schlaudraff, der immer ein offenes Ohr für mich hatte. Mit ihm habe ich heute noch guten Kontakt.
Und bei der Borussia?
Stindl: Wir haben in Raffael einen ganz besonderen Fußballer in unseren Reihen. Er hat sich dabei nie wichtiger genommen als die Mannschaft. Auch wenn er ein Brasilianer ist, ist er ein unglaublich ruhiger Zeitgenosse. Dazu ein unfassbar guter Fußballer. Alle sind froh, dass er mit uns zusammenspielt und das Team auf ein neues Niveau gehoben hat. Sein Ansehen ist bei allen außerordentlich gut.
Sie schwärmen sehr von Raffael. Ist er deshalb auch der beste Mitspieler, den sie je hatten?
Stindl: Ja, denn ich habe in den vergangenen Jahren so unfassbar von ihm profitiert. Er ist ein ganz besonderer Spieler und es macht unglaublich viel Spaß, mit ihm zusammen zu spielen. Gemeinsam haben wir glaube ich auch eine besondere Zeit bei der Borussia geprägt.
Gab es jemanden auf des Gegners Seite, der Ihnen besonders imponiert hat?
Stindl: Es war schon etwas ganz Besonderes gegen den FC Barcelona mit Top-Stars wie Lionel Messi, Andres Iniesta oder Neymar zu spielen. Insgesamt muss man sagen, dass in der Champions League richtig viele gute Spieler rumlaufen. Da gibt es nicht den einen Spieler, den ich herauspicken kann.
Welchen Ausgleich haben Sie zum Fußball?
Stindl: Ein klassisches Hobby habe ich nicht. Mit der Geburt unseres zweiten Kindes im Oktober genieße ich es noch mehr, Familienvater zu sein. Dazu haben wir noch einen Hund und die Zeit mit ihm im Wald ist ebenfalls oft sehr heilsam, weil man da einfach mal abschalten kann und an nichts Besonderes denken muss.
Lars Stindl: Leistungsdaten 2019/20
Wettbewerb | Spiele | Tore | Assists |
Bundesliga | 16 | 6 | 3 |
Europa League | 4 | 2 | - |
DFB-Pokal | 1 | - | - |
Gab es einen positiven Aspekt während der Corona-Pandemie?
Stindl: Ja, endlich mehr Zeit mit der Familie zu haben. Auch wenn es schon schwierig war, den Alltag zu koordinieren, weil die Kita geschlossen war. Aber wir haben viel zusammen unternommen, im Haus viele Dinge nachgeholt, die über das Jahr liegengeblieben sind, den Garten für die Grillsaison auf Vordermann gebracht. Dass der Papa endlich wieder trainieren kann, hat dann aber auch alle gefreut.
Was hat sie in dieser Zeit besonders bewegt?
Stindl: Trotz all der vielen schlimmen und bedrückenden Nachrichten, gab es umso mehr Solidarität und in der Gemeinschaft wurde extrem viel bewegt. Dass trotz Corona so viel Gutes auf der Welt passiert, hat mich sehr positiv gestimmt für die anstehenden Monate.
Glauben Sie, dass sich der Fußball in dieser Zeit ein Stückchen mehr vom Rest der Gesellschaft entfernt hat?
Stindl: Der Fußball ist schon eine Welt für sich. Das steht außer Frage. Meiner Meinung nach ist es für einen Spieler immer wichtig, dass er sich im privaten Umfeld auch mit den normalen Dingen beschäftigt und die Privilegien erkennt, die wir als Profi-Fußballer haben. Nehmen wir als Beispiel einen Arztbesuch: Für einen Fußball-Profi ist das mit nur sehr kurzen Wegen verbunden, denn wir haben schließlich einen eigenen Arzt im Staff.
Können Sie verstehen, dass sich Fans abwenden, weil Sie nicht damit einverstanden sind, was im Fußball aktuell passiert?
Stindl: Das kann ich verstehen. Aber das liegt auch daran, dass vornehmlich nur über die Vorfälle berichtet wird, die fernab dieser Welt sind. Es dürfen jedoch nicht alle Spieler über einen Kamm geschert werden, denn es gibt sehr wohl viele positive Aktionen, die aber in den Medien nicht polarisieren.
Lars Stindl: Vorfälle wie Kalou sind "sehr unglücklich"
Das Video des Hertha-Profis Kalou mit den Verstößen gegen die Corona-Maßnahmen hat das Klischee des abgehobenen Fußballers unterstützt: Was haben Sie dabei gedacht?
Stindl: Der betroffene Spieler hat sich für sein Verhalten entschuldigt, deswegen will ich auf diesen konkreten Fall nicht näher eingehen. Grundsätzlich sind solche Vorfälle natürlich sehr unglücklich. Aber es gibt im Fußball und in allen Teilen der Gesellschaft aktuelle auch viele Positivbeispiele. Mir ist wichtig, dass auch diese wahrgenommen werden.
Wie beurteilen Sie das Bild, das der deutsche Fußball in der Corona-Pandemie abgegeben hat?
Stindl: Ich finde, dass wir Fußballer uns in dieser Zeit sehr solidarisch gezeigt haben. Und damit meine ich nicht nur die großen Aktionen wie "WeKickCorona" von Joshua Kimmich und Leon Goretzka oder "Help your Hometown" von Marco Reus. Viele Spieler engagieren sich in ihren Heimatvereinen und wollen gar nicht, dass das an die große Glocke gehängt wird. Es ist aber schon wichtig, dass wir unsere Reichweite, die wir als prominente Spieler haben, nutzen und zur Solidarität aufrufen.
Mit welchem Gefühl blicken Sie auf den Bundesligastart? Und welche Bedenken haben Sie?
Stindl: Es ist schon alles ein wenig ungewohnt. Dabei meine ich nicht die Pause, die wir hatten, denn im Sommer setzen wir ja auch immer lange aus. Aber zum Ende der Saison noch so viele Spiele in wenigen Wochen zu absolvieren, das kennen wir nicht.
Wohl auch deshalb wird es möglicherweise eine Regeländerung mit dann fünf Wechseln geben. Ein richtiger Schritt?
Stindl: Ich finde diese Regel nachvollziehbar, um bei der hohen Intensität Verletzungen vorzubeugen. Aber ich hoffe nicht, dass sie am Ende als taktisches Hilfsmittel genutzt wird und in den letzten zehn Minuten dann nur noch gewechselt wird.
Neven Subotic hat das fehlende Mitspracherecht der Spieler für die Wiederaufnahme von Training und Spielbetrieb kritisiert. Inwiefern teilen Sie seine Meinung?
Stindl: Ich kann nur für uns bei Borussia reden. Da gab es vom ersten Tag an einen sehr offenen Austausch. Sei es über den Gehaltsverzicht, den Aufenthalt zur Quarantäne im Hotel oder eben den Bundesliga-Neustart. Max Eberl ging da sehr offen mit uns um.
In der 2. Bundesliga darf Dresden wegen zweier positiver Corona-Fälle nicht antreten. Hätte man anders gehandelt, wenn es der FC Bayern gewesen wäre?
Stindl: Soweit habe ich noch nicht gedacht. Es ist schade, dass es gleich am ersten Spieltag nach der Pause soweit gekommen ist. Ich hoffe sehr, dass die Zahl der Corona-Fälle ansonsten sehr, sehr niedrig bleibt.
Lars Stindl zu Geisterspielen: "Es ist seltsam"
Die Partien werden zum Schutz vor leeren Rängen ausgetragen, wie schon am Spieltag vor der Saisonpause. Wie fühlen sich die Geisterspiele an?
Stindl: Es ist seltsam. Man hört alles im Stadion, man hört jede Ansage von den Trainern und Spielern und man spürt die Stimmung der Spieler auf dem Platz viel mehr. Aber wir haben im Derby gegen den 1. FC Köln gezeigt, dass wir mit der Situation umgehen können. Und am Ende geht es auch ohne Zuschauer im Stadion darum, die beste Leistung abzurufen und das Spiel zu gewinnen.
Bei Länderspielen wird immer gefragt, ob die Pause für den Klub zur richtigen Zeit kam. Wie sieht es bei der Borussia vor dem Spiel bei Eintracht Frankfurt aus?
Stindl: Wir waren vor der Pause in Fahrt und hätten gern weitergespielt. Wir hoffen, dass wir diese Trainingswoche optimal nutzen, um an die bisher gezeigten Leistung anzuknüpfen. Und dann können wir eine jetzt schon gute Runde erfolgreich zu Ende spielen.
Ist die Borussia also wieder reif für die Champions League?
Stindl: Wir wissen ja, wie es ist, in der Königsklasse zu spielen. Von daher wollen wir das Gefühl auch gern wieder erleben. Und wir wollen den maximalen Erfolg und auf jeden Fall unseren vierten Platz verteidigen.
Sie waren fünf Jahre in Hannover aktiv, bestreiten aktuell Ihre fünfte Saison in Gladbach. Machen Sie sich bei nur noch einem Jahr Vertrag Gedanken um Ihre sportliche Zukunft?
Stindl: Ich bin da sehr entspannt. Sicherlich werden wir uns im Sommer mal zusammensetzen und drüber reden, wie es weitergehen könnte. Momentan haben wir aber ganz andere Probleme und Sorgen, über die wir uns unterhalten sollten. Ich bin deshalb auch froh, dass ich noch ein Jahr Vertrag habe. Ich fühle mich sehr wohl und weiß, was ich an diesem Verein habe. Andersherum weiß der Klub auch, was er an mir hat.