Im Interview mit SPOX und Goal spricht der heute 52-Jährige über ein Weißbier für Klaus Augenthaler, seine ungewöhnliche Absage an Uli Hoeneß und das zunächst ergebnislose Probetraining beim BVB.
Schmidt blickt zudem auf den größten Rausch seiner Dortmunder Zeit, Julio Cesars Tränen und seine Verärgerung über den Transfer von Jürgen Kohler zurück.
Herr Schmidt, vor dem Blick in die Vergangenheit zunächst einer in die Gegenwart. Stimmt es, dass Sie seit kurzem nicht mehr Trainer Ihres Heimatvereins TSV Rot-Weiß Niebüll sind, bei dem Sie seit 2015 an der Seitenlinie standen?
Bodo Schmidt: Ja. Nach dem Saisonabbruch habe ich Ende Mai mein letztes Training geleitet und mit genügend Abstand unter freiem Himmel einen kleinen Abschied gefeiert.
Warum?
Bodo Schmidt: Der Fußball bestimmt mein Leben, seitdem ich klein bin. Direkt nach meinem Karriereende wurde ich zunächst Spielertrainer bei Flensburg 08 und war anschließend acht Jahre Coach des SV Frisia 03 Risum-Lindholm. Ich habe jetzt Verschleißerscheinungen erkannt und erhoffe mir, am Wochenende meine Zeit frei gestalten zu können. Ich sage niemals nie, aber erst einmal ist das mein Karriereende als Trainer.
Hauptberuflich arbeiten Sie seit 13 Jahren als Physiotherapeut und seit der Trennung von Ihrer Frau, die diesen Beruf auch ausübt, in einer eigenen Praxis in Niebüll. Wie sieht dort Ihr Alltag aus?
Bodo Schmidt: Ich arbeitete zuvor in der Praxis meiner Frau und bin nun seit Januar als gleichberechtigter Teilhaber bei einer selbständigen Kollegin eingestiegen. Es läuft gut, wir haben viel zu tun. Ich bin viele Stunden in der Praxis und behandele dort klassisch die Patienten. Das macht mir sehr viel Spaß.
Wieso überhaupt Physiotherapeut?
Bodo Schmidt: Da ich nach meinem Abitur direkt zum FC Bayern gewechselt bin, habe ich nie eine herkömmliche Berufsausbildung absolviert. Nach dem Karriereende, ich hatte zwischenzeitlich zwei Kinder, wollte ich sesshaft werden und daher nicht im bezahlten Fußball bleiben. Meine Frau hatte sich als Physiotherapeutin selbständig gemacht und da mich die Ausbildung ohnehin sehr interessierte, habe ich das drei Jahre lang durchgezogen. So konnten wir anschließend auch gemeinsam arbeiten.
Dass Sie vor über 30 Jahren den Sprung in den Profifußball geschafft haben, verdanken sie einer heutzutage undenkbaren Geschichte: Aus Niebüll im hohen Norden Deutschlands verschlug es Sie 1987 zu den Amateuren des FC Bayern, da dort Fritz Bischoff Trainer wurde, unter dem Sie zuvor in der Landesauswahl von Schleswig-Holstein spielten. Wie groß war der Kulturschock in München?
Bodo Schmidt: Es war ein Unterschied wie Tag und Nacht. Ich habe in meinem Heimatort mit 10.000 Einwohnern in normalen Jugendmannschaften gespielt. Schleswig-Holstein ist eigentlich totales Brachland im Fußball, da kommt kaum einer heraus. Es war wie ein verrückter Traum, als ich damals zwei Sporttaschen in meine alte Karre gepackt habe und nach München gedüst bin. Ich war 19 und hatte mit dem Abitur in der Tasche rein gar nichts zu verlieren. Ich musste dort einfach nur gut kicken. Daher war mein Motto: Einfach mal drauf los und Gas geben.
Wie erging es Ihnen privat im neuen Umfeld?
Bodo Schmidt: Ich wohnte zunächst an der Säbener Straße und fand eine skurrile Mischung aus Leuten in meinem Alter vor, die aus den unterschiedlichsten Regionen Deutschlands kamen. Thomas Kastenmaier, der später viele Jahre in Gladbach spielte, war zum Beispiel mit dabei. Wir haben München unsicher gemacht, das kann man schon so sagen. Wir waren ja auch unbekannt und konnten die Vorzüge der Stadt genießen, vor allem die Biergartenmentalität. (lacht) Es war eine lustige Zeit, die nicht ausschließlich vom Fußball geprägt war. Vor allem war sie nicht so zielgerichtet. Ich hatte damals nicht fest im Kopf, dass ich jetzt unbedingt Fußballprofi werden müsste.
Sie liefen in der Bayernliga auf, die heute der 3. Liga entsprechen würde, wurden schnell Leistungsträger und durften bereits ein Jahr später bei den Profis unter Jupp Heynckes zusammen mit Spielern wie Lothar Matthäus trainieren. Mussten Sie sich da nicht häufiger kneifen, nachdem Sie zuvor lediglich in den Untiefen des Amateurfußballs unterwegs waren?
Bodo Schmidt: Einerseits schon, weil es eben sehr unwirklich war. Andererseits ist man schnell in den ganzen Abläufen drin, wenn man dort mittut.
Wie lief es damals bei den Profis ab?
Bodo Schmidt: Man wurde als Amateurspieler schnell auf den Fußboden zurückgeholt und in der Hierarchie klein gehalten. Oliver Gensch war ein leichtfüßiger Stürmer und hat dem Matthäus einmal einen Beinschuss verpasst. Danach lächelte er wohl etwas zu viel und wurde dann richtig vom Platz getreten, doch das wurde so akzeptiert. Es galt eben, sich zu beweisen und durchzusetzen. Das habe ich schnell kapiert und mich entsprechend gewehrt, was dann auch anerkannt wurde. Ich weiß auch noch, wie wir zu einem Freundschaftsspiel gefahren sind. Wir saßen mit dem Kopf nach unten in der letzten Reihe und wollten bloß nicht auffallen. Vorne hockte Klaus Augenthaler am Tisch der Kartenspieler und winkte irgendwie zu uns, bis ich merkte, dass er mich meinte. Ich ging hin und er sagte nur: 'Schenk' mir hinten in der Küche mal ein Weißbier ein.' Das habe ich dann gemacht und es ihm gebracht.
Ab wann wurde Ihnen bewusst, dass Sie gute Chancen haben, Ihr Geld als Fußballprofi zu verdienen?
Bodo Schmidt: Im zweiten Bayern-Jahr. Die Nähe zu den Profis wurde größer und auch andere Vereine wurden auf mich aufmerksam. Alles ist für mich noch einmal viel präsenter geworden, so dass ich dachte, es wäre ja eigentlich schon ganz cool. Die SpVgg Unterhaching hat mich dann sehr intensiv bearbeitet und mir einen Profivertrag vorgelegt. Das war natürlich etwas sehr Besonderes. Auch Uli Hoeneß bot mir einen Profivertrag an, doch ich bin lieber zu Haching gegangen, weil ich Woche für Woche spielen wollte. Daraufhin meinte er: 'Das haben sich noch nicht so viele getraut.' (lacht)
Der Unterhaching-Wechsel geschah zur Saison 1989/90. Sie gaben beim damaligen Zweitligaaufsteiger Ihr Profidebüt, stiegen als Tabellenletzter allerdings direkt wieder ab und kickten dann noch eine Saison dort. Wie überrascht waren Sie, dass Ihnen anschließend der BVB ein Probetraining anbot?
Bodo Schmidt: Ich hatte trotz des Abstiegs eine ordentliche erste Saison gespielt und wurde bei den einschlägigen Rankings zu den Top-Verteidigern der Liga gewählt. Mein Mitspieler Edmund Stöhr, der lange Zeit für Hertha BSC spielte, machte dann gerade seinen Fußballlehrer - zusammen mit Edwin Boekamp und Michael Skibbe vom BVB. Den beiden hat er mich empfohlen und die dachten sich, dann gucken wir uns den doch mal an.
Sie kamen 1991 zum selben Zeitpunkt wie Ottmar Hitzfeld nach Dortmund. Das Vorspielen fand aber unter seinem Vorgänger Horst Köppel statt. Wie lief das ab?
Bodo Schmidt: Köppel war zwar noch Trainer, aber es war klar, dass er den Verein verlassen wird. Von Hitzfeld war aber noch keine Rede. Ich habe ein paar Tage mittrainiert und Köppel meinte, ich mache einen guten Eindruck, er könne aber keine Entscheidung mehr treffen. Als mich Co-Trainer Michael Henke nach einem Training zu meinem Hotel fuhr, sagte er lapidar: 'Eigentlich brauchen wir gar keinen Verteidiger.' Da dachte ich mir: Was mache ich hier eigentlich?
Und wie hat's dann doch noch geklappt?
Bodo Schmidt: Ich muss sagen, dass ich vor dem Training in Dortmund einen unterschriftsreifen Vertrag von Fortuna Köln vorliegen hatte. Ich sagte zum langjährigen Präsidenten Jean Löring allerdings, dass ich erst noch beim BVB mittrainieren möchte. Er gab mir eine Frist, bis wann ich mich zu entscheiden hatte. Letztlich trainierte ich in Dortmund einen Tag länger mit als geplant und nachdem die dort keine Entscheidung treffen konnten, rief ich Löring an und sagte zu.
Zu spät?
Bodo Schmidt: Er entgegnete trocken: 'Deine Frist ist gestern Abend um Mitternacht abgelaufen - jetzt haben wir acht Uhr morgens. Mit solchen Leuten arbeite ich nicht, hier kriegst du keinen Vertrag.' Zwar wollte mich Haching unbedingt behalten, aber plötzlich hatte ich eigentlich gar nichts. Als Hitzfeld schließlich BVB-Trainer wurde, war Stephane Chapuisat sein absoluter Wunschspieler. Und dann griff sozusagen die damalige Ausländerregel. Der BVB hatte in Flemming Povlsen und Sergej Gorlukowitsch bereits zwei im Kader und mehr durften nicht in der Startelf stehen. Da Gorlukowitsch Verteidiger war, hieß es eben: Da war doch noch der Typ aus Unterhaching. (lacht)
Bodo Schmidt: Seine Karriere als Profi im Überblick
Verein | Zeitraum |
TSV Rot-Weiß Niebüll | bis 1985 |
TSB Flensburg | 1985-1986 |
TSV Rot-Weiß Niebüll | 1986-1987 |
FC Bayern München Amateure | 1987-1989 |
SpVgg Unterhaching | 1989-1991 |
Borussia Dortmund | 1991-1996 |
1. FC Köln | 1996-1998 |
SCB Preußen Köln | 1998 |
1. FC Magdeburg | 1998-2002 |
Flensburg 08 | 2002-2005 |