Xaver Schlager vom VfL Wolfsburg im Interview: "Ich wäre gern öfter bei meinem Stammtisch"

Stefan Zieglmayer
13. Dezember 202016:49
Xaver Schlager ist beim VfL Wolfsburg in seinem ersten Jahr meist gesetzt.imago images
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Seit fast einem Jahr spielt der Österreicher Xaver Schlager für den VfL Wolfsburg. Der 22-Jährige spricht mit SPOX und Goal über seine erste Saison in der Bundesliga, seine zweigeteilte Ausbildung bei Red Bull Salzburg und sein allererstes Fußballspiel, als er noch im Tor stand.

Schlager erklärt außerdem, warum die Geisterspiele kein Problem für ihn sind, er sich in Sachen Social Media zurückhält und wieso er gern öfter bei seinem Stammtisch dabei wäre.

Dieses Interview wurde erstmals am 08. Juni 2020 veröffentlicht.

Herr Schlager, Sie sagen von sich, Sie seien sehr heimatverbunden. Seit fast einem Jahr leben Sie nicht mehr in Österreich, sondern in Wolfsburg. Wie fällt Ihr Zwischenfazit aus?

Xaver Schlager: So viel hat sich nicht verändert. Klar, ich lebe in einer anderen Stadt mit mehr Wind und einer anderen Mentalität. Wenn ich mal in Mundart spreche, muss ich mich schon mal drei- oder viermal wiederholen. Aber ich fühle mich auch in Wolfsburg mittlerweile sehr wohl. Nur: Ich habe keine Berge mehr vor meiner Haustür. Und der Schmäh geht mir ein wenig ab.

Wie oft sind Sie zu Besuch bei Ihrer Familie und Ihren Freunden in Österreich?

Schlager: Die Entfernung ist groß und statt der Autofahrt muss ich manchmal fliegen. Während der Corona-Zeit war es natürlich besonders schwierig.

Wie haben Sie Ihre freie Zeit während der vergangenen Wochen totgeschlagen?

Schlager: Ich habe ein paar neue Sachen ausprobiert, habe angefangen, Klavier zu spielen oder Schach. Ich habe auch viel gelesen, einfach um den Kopf fit zu halten.

Xaver Schlager vom VfL Wolfsburg: "Ich bin einer vom alten Schlag"

Schach, Klavier, Bücher ... andere Profis in Ihrem Alter würden sich vermutlich auf Plattformen wie TikTok herumtreiben.

Schlager: Social Media gehört zum heutigen Leben eben dazu. Ich kümmere mich auch selbst um meine Accounts, aber ich halte mich eher zurück. Es gibt auch Beispiele wie Martin Hinteregger, der Social Media gar nicht nutzt und trotzdem Publikumsliebling ist. Vielleicht wird das für mich auch mal interessant, Instagram und Co. wegzulassen. Ich bin einer vom alten Schlag. Ich sitze den Leuten lieber direkt gegenüber und unterhalte mich mit ihnen bei einem Kaffee oder einem Bier. Je weniger man Social Media braucht, desto besser. Die zwischenmenschliche Basis geht verloren. Man kennt die anderen Personen gar nicht mehr, man sieht keine Emotionen. Deswegen bin ich ein Fan von Vier-Augen-Gesprächen.

Und ein Fan von Kartenspielen, insbesondere Romme. Wie bekannt ist das Spiel denn in Wolfsburg?

Schlager: Einige können das schon, aber das ist eben nicht unser Stammtisch, meine alte Jugend-Clique. Ich wäre gern öfter bei meinem Stammtisch dabei, dann müsste ich nicht so viele Strafen zahlen. (lacht)

Ihr Stammtisch führt einen Strafenkatalog?

Schlager: Nicht wirklich. Ich habe schon eine Sondergenehmigung fürs Fehlen. Aber wenn ich mal dabei bin, muss ich eben ein paar Runden ausgeben.

Vor einem Jahr, als Ihr Wechsel zum VfL Wolfsburg noch nicht feststand, sagten Sie, bei Ihrem künftigen Verein müsse einfach alles passen. Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer Wahl?

Schlager: Es war ein schwieriger, aber richtiger Schritt für mich. Ich kann jetzt schon behaupten, dass das ein sehr lehrreiches Jahr für mich war. Ich wusste nicht, wie ich mich in dieser neuen Liga einfügen würde und wollte lernen, lernen, lernen. Bisher bin ich sehr zufrieden, habe trotz Knöchelverletzung viel gespielt. Ich stoße zwar ab und zu an meine Grenzen, aber nur so verschiebt man sie.

An welche Grenzen sind Sie bisher gestoßen?

Schlager: In der Bundesliga sind einige Spieler körperlich robuster als in Österreich. Oft habe ich statt zwei nur noch einen Kontakt Zeit, um meinen Ball weiterzuspielen. Es geht um kleine Details, aber die machen sehr viel aus. Der größte Unterschied ist wahrscheinlich die stärkere Konkurrenz. In Deutschland bin ich jetzt nicht mehr beim besten Team der Liga.

Xaver Schlager im Steckbrief

geboren28. September 1997 in Linz
Größe1,74 m
Gewicht76 kg
Positionzentrales Mittelfeld
starker Fußlinks
StationenSC St. Valentin Jugend, Red Bull Salzburg Jugend, FC Liefering, Red Bull Salzburg, VfL Wolfsburg
Bundesligaspiele/-tore19/1

Inwiefern mussten Sie Ihr Spiel umstellen?

Schlager: Wir haben in Salzburg unter Marco Rose mehr Wert auf Ballbesitz gelegt, weil wir ein dominanteres Team waren. Unter Oliver Glasner kommt es mehr auf das Spiel gegen den Ball an. Aber beide Trainer stehen für einen aggressiven, attraktiven Pressingfußball mit schnellem Umschalten. Es geht bei beiden um viel Emotion im Spiel und eine hohe Intensität. Das liegt mir.

Wie sehen Sie Ihre Rolle innerhalb des Teams?

Schlager: In Salzburg war ich trotz meines geringen Alters einer der erfahreneren Spieler und hatte mehr Verantwortung. Jetzt bin ich in der natürlichen Hierarchie einer Mannschaft wieder weiter unten und oft für den Ballsack zuständig. Aber aktuell sind viele Spieler von der U23 im Training dabei, deswegen muss ich nicht mehr ganz so viel schleppen. (lacht)

Xaver Schlager: "In Wolfsburg sind die Verlockungen nicht so groß"

Ein Beweggrund für Ihren Wechsel zum VfL war das vergleichsweise ruhige Umfeld. Hat sich diese Überlegung schon ausgezahlt?

Schlager: Es ist sicherlich leichter, sich hier nur auf Fußball zu konzentrieren. Die Verlockungen sind nicht so groß, da kann man beispielsweise in Berlin sicher mehr anstellen. Ich werde weniger abgelenkt, das ist gerade für einen Spieler in meinem Alter sicher nicht schlecht. Deswegen wollte ich das so. Aber ich verzichte auch nicht immer.

Inwiefern?

Schlager: Es braucht ein gesundes Mittelmaß. Es ist wichtig für den Kopf, glücklich zu sein und nicht nur zu verzichten. Phasenweise gehen wir schon aus. Gerade im Urlaub bieten sich Möglichkeiten, auch um anderen Leidenschaften nachzugehen. Bei mir sind das zum Beispiel ein gutes Tennisspiel, in gemütlicher Runde ein Bier trinken, den ganzen Tag im Freibad abhängen und einfach zusammen Blödsinn machen. Und natürlich ganz wichtig: Skifahren.

Dürfen Sie denn vertraglich überhaupt Skifahren?

Schlager: Ja. Für mich ist Skifahren wie Fahrradfahren. Ich bin damit aufgewachsen, dadurch besteht ein geringeres Verletzungsrisiko als bei einem Anfänger. Ich brauche das einfach als Ausgleich. Wenn ich das Skifahren aufgeben müsste, würde mir der Fußball keinen Spaß mehr machen.

Macht Ihnen der Fußball in leeren Stadien denn aktuell auch Spaß?

Schlager: Für mich ist es kein großer Unterschied. In der Jugend spielst du auch vor wenigen Leuten. Sicher würde ich gern vor Zuschauern spielen, weil mehr Emotionen im Spiel sind, aber die Spiele ohne Zuschauer sind kein großes Problem für mich. Ich brauche nicht unbedingt ein Publikum, um mich zu motivieren. Die Eigenmotivation ist immer da, die Liebe zum Fußball, der Ehrgeiz, besser zu werden. Es gibt auch bei mir schwierigere Phasen, in denen der Eigenantrieb nicht zu einhundert Prozent da ist. In solchen Phasen sind Sportpsychologinnen und Sportpsychologen sehr wichtig. In unserem Job sind wir mentalem Stress ausgesetzt. Wer diese Hürden am besten nimmt, wird erfolgreich sein. Davon bin ich überzeugt.

Sie sind großer Basketballfan und haben sicher die Dokumentation über Michael Jordan gesehen. Finden Sie Inspiration bei solchen Mentalitätsmonstern?

Schlager: Da gibt es viele Sportler. Egal ob Michael Jordan, Roger Federer oder Rafael Nadal: Ich lese sehr viele Biografien von Sport-Legenden, daraus kann ich mir viel für mich ziehen.

Von welchen fußballerischen Vorbildern schauen Sie sich am meisten ab?

Schlager: Als ich noch ein Kind war, war das Jack Wilshere. Wie er mit 19 Jahren gegen Barca gespielt hat, war für mich unglaublich. Aber auch an Legenden wie Thierry Henry, Robert Pires oder Dennis Bergkamp bin ich nicht vorbeigekommen. Heute schaue ich mir von vielen Spielern etwas ab. Aber es muss schon mit den eigenen Fähigkeiten zusammenpassen - schneller werde ich nicht mehr. (lacht)

Aus Ihren Sympathien für Arsenal haben Sie nie einen Hehl gemacht. Ist es immer noch Ihr Ziel, irgendwann für die Londoner zu spielen?

Schlager: Irgendwann, ja. Ich sah als kleiner Bub das Champions-League-Finale zwischen Barca und Arsenal 2006. Mich hat die Spielweise von Arsenal so beeindruckt, dass ich seitdem ein Gunner bin - bis heute. Obwohl viele in meinem engsten Kreis Fans von Rapid Wien sind.

Ein absoluter Traditionsverein. Was sagt Ihr engster Kreis zu Ihren bisherigen Stationen? Erst Red Bull Salzburg, jetzt Wolfsburg ...

Schlager: Ich musste mir schon ein paar Sprüche anhören, aber das hat sich mit der Zeit gelegt. In Wolfsburg haben wir wieder eine starke Marke im Rücken. Das hat sich so ergeben. Diese Vereine sind sehr gut organisiert, das macht es einfacher für uns Spieler. Ich habe kein Problem mit Konzern-Vereinen, mir geht es um die Menschen, die den Verein leben.

Schlager über Red Bull Salzburg: "Mit Rangnick hat sich alles verändert"

In Salzburg war das unter anderem Ralf Rangnick. Sie zogen im Alter von elf Jahren nach Salzburg ins Internat. Rangnick übernahm 2012, rund drei Jahre später, als Sportdirektor bei Red Bull Salzburg. Wie haben Sie seine Ankunft damals wahrgenommen?

Schlager: Mit Rangnick hat sich alles verändert. Das war ein extremer Unterschied, auch in der Jugend. Zuvor war eher die niederländische Schule am Werk: Es wurde viel Wert auf Ballbesitz, Eins-gegen-Eins und Techniktraining gelegt. Mit Rangnick wurde unser Spiel viel athletischer, viel direkter. Wir haben uns in jungen Jahren auf Pressingphasen spezialisiert, gezielter gegen den Ball gearbeitet.

Was macht Red Bull im Nachwuchsbereich so erfolgreich?

Schlager: Red Bull holt die besten Talente Österreichs zusammen. Allein dadurch ist das Trainingsniveau sehr hoch. Dazu ist die Infrastruktur mit dem FC Liefering als "Farmteam" in der zweiten Liga extrem wichtig. Statt einem riesigen Schritt machst du zwei kleine und gewöhnst dich an den Profifußball. Für mich persönlich war diese Zweiteilung sehr wichtig: Bis zur U15 habe ich den holländischen Fußball gelernt, danach den schnellen, athletischen Fußball. So habe ich von allem etwas.

Sie haben die wichtige Bedeutung des Trainingsniveaus in der Entwicklung eines jungen Spielers angesprochen. Von welchem Mitspieler - ob in Salzburg, beim ÖFB-Team oder jetzt in Wolfsburg - waren Sie am meisten beeindruckt?

Schlager: Auch da gibt es wieder viele. Aber Johnny Soriano war einzigartig. Schusstechnik, Ballmitnahme, Ballkontrolle, Cleverness - sowas habe ich noch nie gesehen.

Xaver Schlager ist beim VfL Wolfsburg in seinem ersten Jahr meist gesetzt.imago images

Xaver Schlager über sein erstes Spiel: "Ich fing mir ungefähr 15 Buden"

Es gab noch mehr Gegenspieler in Ihrer Laufbahn. Trotzdem: Wer blieb Ihnen besonders im Gedächtnis?

Schlager: Das beste Spiel gegen mich hat Fabian Ruiz gemacht. Wir spielten mit Salzburg gegen Neapel im Achtelfinale der Europa League. Gegen ihn hatte ich einfach keine Chance. Er verkörpert alles: Er ist groß, sehr zweikampfstark, technisch überragend, schnell, er kann einfach alles. Er hat mich einfach zerstört.

Zerstört wurden Sie auch in Ihrem allerersten Fußballspiel. Beinahe ein Wunder, dass Sie dem Fußball treu geblieben sind.

Schlager: Ich war drei oder vier Jahre alt. Ich stand im Tor, einer musste ja rein, und dann fing ich mir ungefähr 15 Buden. Das Thema war schnell erledigt, seitdem spiele ich draußen. (lacht)