Edson Braafheid im Interview: "Für die meisten war ich der Spieler von Louis van Gaal, nicht vom FC Bayern"

Edson Braafheid scherzt mit Bayern-Kollege Franck Ribery.
© imago images/Ulmer
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2014 bot sich Ihnen eine neue Chance. Lazio nahm Sie unter Vertrag, Sie blieben insgesamt zwei Jahre in Italien.

Braafheid: Die Zeit in Hoffenheim hat mich gelehrt, dass auch nach dem längsten Regenschauer irgendwann wieder die Sonne scheint. In Italien habe ich den Spaß am Fußball wieder entdeckt. Es war eine über weite Strecken schöne Zeit dort.

Anschließend kehrten Sie zu Ihrem ersten Profiverein, dem FC Utrecht zurück. Seit 2018 spielen Sie nun in Texas bei Austin Bold, einem Zweitligisten. Wie viele US-Sportler engagieren Sie sich in den Sozialen Medien gegen Rassismus. Wie stehen Sie zu der #blacklivematters-Kampagne nach dem Tod von George Floyd?

Braafheid: Es ist wichtig, darauf aufmerksam zu machen, dass Rassismus und Diskriminierung leider noch immer sehr präsent in unserer Gesellschaft sind. Der Tod von George Floyd soll nicht in Vergessenheit geraten. An mir selbst sehe ich, dass ich viel zu lange zu dem Thema geschwiegen habe.

Braafheid: "Du musst fast schon mit Affenlauten rechnen"

Erzählen Sie.

Braafheid: Ich habe im Privat- wie im Berufsleben leider überall negative Erfahrungen mit Rassismus gemacht, ob in Italien, in den USA, selbst in Deutschland. Als dunkelhäutiger Spieler musst du heutzutage ja fast schon mit Affenlauten oder anderen abfälligen Geräuschen vonseiten der gegnerischen Fans rechnen, wenn du mit deiner Mannschaft in Führung liegst. Sie wollen dich damit verunsichern, deine Komfortzone zerstören. Ich habe häufiger in meiner Karriere solche Geräusche gehört, die sich gegen mich oder dunkelhäutige Mitspieler gerichtet haben. Das Problem: Ich habe das während des Spiels selbst mehr oder weniger ignoriert, weil das Spiel für mich höchste Priorität hatte. Wenn ich zurückblicke, hätte ich aktiver dagegen vorgehen müssen. Ich weiß ehrlich gesagt aber auch mit 37 manchmal immer noch nicht, wie ich damit umgehen soll.

Inwiefern?

Braafheid: Die Frage lautet doch: Woran mache ich Rassismus fest? An Bemerkungen? An Gesten? Wenn es sich nicht um eine klare Beleidigung über die Hautfarbe oder die Herkunft handelt, ist der Spielraum für Interpretationen riesig. Wichtig ist doch, dass man sich selbst wohl und gleich behandelt fühlt. Diesen Eindruck hatte ich häufiger nicht. Wenn ich zum Beispiel in der Stadt in einem Geschäft war, dachte ich mir bei einem Beratungsgespräch oder an der Kasse häufiger: Warum behandelt mich diese Person jetzt so respektlos? Es kann natürlich auch sein, dass diese Person auch Hellhäutige so behandelt, aber ich weiß es nicht. Solche Situationen haben mich oft mit der Frage zurückgelassen: War das jetzt Rassismus? Es ist wichtig, diese Frage aktiv zu stellen, anstatt sich zu denken: Ach, schweige ich doch lieber und vermeide dadurch eine möglicherweise unangenehme Diskussion.

In den USA wird allmählich auch wieder Fußball gespielt. Wie lange wollen Sie noch spielen?

Braafheid: Das Training läuft, aber wir hatten kürzlich zwei positive Corona-Fälle in der Mannschaft. Ich wurde negativ getestet. Für mich war unabhängig von dem Testergebnis aber klar, dass ich erstmal für ein paar Wochen pausiere. Meine Frau und ich erwarten ein Kind, auf das wir uns jetzt freuen. Meine aktive Zeit neigt sich sowieso dem Ende zu. Es kann sein, dass ich dieses Jahr noch aufhöre.

Edson Braafheid spielt heute bei Austin Bold in Texas, seine aktive Laufbahn neigt sich aber dem Ende entgegen.
© Austin Bold
Edson Braafheid spielt heute bei Austin Bold in Texas, seine aktive Laufbahn neigt sich aber dem Ende entgegen.

Braafheid: "Fußball ist zu 90 Prozent Kopfsache"

Und danach?

Braafheid: Es wird Zeit, ein richtiger Familienvater zu sein. Mit all den Trainingseinheiten und Reisen als Profi ist es sehr schwierig, ein geregeltes Familienleben zu führen. Ich habe noch zwei Kinder in den Niederlanden, die ich nur sehr selten sehe. Ich will für alle da sein. Das muss ja nicht heißen, dass ich den Fußball komplett aufgebe.

Heißt: Sie können sich vorstellen, als Trainer zu arbeiten?

Braafheid: Als Trainer ist dein Verhältnis zu den einzelnen Spielern eher oberflächlich, weil du ja einen Kader von 20 bis 30 Mann betreust und das Kollektiv über individuelle Bedürfnisse stellen musst. Ich würde daher gerne lieber spezifisch mit einzelnen Spielern arbeiten, im Spielermanagement. Es ist wichtig, einen Fußballer auch als Mensch zu verstehen. Jeder hat seine eigene Geschichte, die einen prägt. Fußball ist zu 90 Prozent Kopfsache. Du kannst noch so viel Talent und Physis mitbringen, aber nur wenn du mental stark bist, bist du auch imstande, an deine Leistungsgrenze zu gelangen.

Edson Braafheid im Steckbrief

geboren8. April 1983 in Paramaribo, Surinam
Größe1,76 m
Gewicht81 kg
Positionlinke Außenverteidigung, Innenverteidigung
starker Fußlinks
Spiele/Tore/Vorlagen (Vereinsebene)348/6/14
Spiele/Tore/Vorlagen (Nationalmannschaft)10/0/0