Dieses Interview erschien erstmals im Mai 2020.
Im Interview mit SPOX und Goal erzählt Pranjic von seiner bewegten Zeit in München. Von seinem großen, aber "sehr schwierigen" Förderer van Gaal und dessen Frau Truus. Von Franck Ribery, dem besten Mitspieler seiner Karriere. Von harten Zeiten unter Jupp Heynckes, fehlender Geduld mit Niko Kovac, Kritik der Fans und einer erfundenen Schlägerei in Lissabon. Und von dem, was er heute so macht.
Herr Pranjic, Ihr Wechsel vom SC Heerenveen zum FC Bayern im Sommer 2009 wurde von vielen kritischen Stimmen begleitet. Nur wenige in Deutschland kannten Sie überhaupt. Aber Louis van Gaal sagte: "Ich brauche diesen Spieler unbedingt." Warum?
Danijel Pranjic: Ich wurde 2009 zum zweitbesten Spieler der Eredivisie gewählt. Van Gaal wusste auch aus seiner Zeit als Trainer in Alkmaar, wer ich war und was ich konnte. Wenn es gegen seine Mannschaft ging, war ich immer einer der besten Spieler. Er sah etwas in mir, das andere nicht sahen. Als ich in München ankam, war er sehr glücklich und sagte zu mir: "Herr Pranjic, Sie sind hier, weil Sie ein Spieler sind, der den Ball nicht verliert." Klingt simpel, aber es war ihm nun einmal sehr wichtig, auf gewissen Positionen gewisse Typen zu haben, die nichts Kompliziertes machen und den Ball sauber von Fuß zu Fuß zu spielen. Das konnte ich.
FC Bayern? "Eine der besten Entscheidungen meines Lebens"
Der Transfer stand dennoch auf der Kippe, weil die Münchner nur 7 statt der geforderten 7,75 Millionen Euro für Sie ausgeben wollten. Es heißt, Sie hätten die fehlenden 750.000 Euro aus eigener Tasche gezahlt.
Pranjic: An dem Tag, an dem mich meine Berater darüber informierten, dass van Gaal mich gerne beim FC Bayern hätte, blendete ich alles aus. Ich wollte schon als kleiner Junge immer für einen großen Verein spielen und weil Geld für mich nie an erster Stelle stand, hatte ich kein Problem damit, den Transfer mitzufinanzieren. Wir einigten uns auf drei Raten à 250.000 Euro, die ich pro Saison an den Verein zahlte. Es war eine der besten Entscheidungen meines Lebens. Das Erlebnis, für einen Verein wie den FC Bayern zu spielen, lässt sich mit keinem Geld der Welt aufwiegen. Der Transfer wäre tatsächlich gescheitert, was mich rückblickend ziemlich unglücklich gemacht hätte.
Wie wurden Sie aufgenommen?
Pranjic: So als wäre ich schon 100 Jahre dort gewesen. Uli Hoeneß, den ich erst beim Medizincheck persönlich kennen lernte, begrüßte mich sehr herzlich. Der FC Bayern ist ein familiärer Verein, der seine Spieler respektiert. Was den Umgang untereinander und die Organisation angeht, gibt es für mich keinen besseren Verein in der europäischen Elite. Auch über meine Mitspieler kann ich nur Positives sagen. Ich hatte mit Ivica Olic direkt einen Freund in der Mannschaft, der mir mit der Sprache half. Privat habe ich auch viel mit Anatoliy Tymoshchuk unternommen.
Pranjic: "Van Gaal war besessen von seiner Philosophie"
Wie war die Arbeit unter van Gaal?
Pranjic: Er war ein Perfektionist, der jedes noch so kleine Detail pflegte. Wenn eine Übung nicht nach seinen Vorstellungen umgesetzt wurde, ließ er sie uns so lange wiederholen, bis wirklich jeder von uns sie beherrschte. Er war geradezu besessen von seiner Philosophie, so präzise wie möglich Fußball zu spielen. Wir Spieler haben davon unheimlich profitiert, ich persönlich hatte keine besseren Trainer in meiner Karriere. Aber auch für den gesamten Verein waren seine Denkweise und seine Arbeit ein riesiger Gewinn. Schauen Sie sich doch mal Spiele des FC Bayern vor und Spiele des FC Bayern nach Louis van Gaal an, dazwischen liegen Welten! Auf der anderen Seite war er eine sehr schwierige Person.
Inwiefern?
Pranjic: Ich persönlich hatte nie Probleme mit ihm. Er ist aber der Typ Trainer, mit dem man als Mannschaft eigentlich nur ein Jahr lang zusammenarbeiten kann. Fußballer sind auch nur Menschen, die Fehler machen. Und mit seiner Denkweise, alles müsse immer fehlerfrei gemacht werden, eckte er bei ein paar von uns an. Wir hatten keinerlei Freiräume und von einer lockeren Atmosphäre auf dem Trainingsplatz war selten etwas zu spüren. Das geht vielleicht eine Saison lang gut, zumal wir ja mit dem Doublesieg und dem Einzug ins Champions-League-Finale im ersten Jahr unter ihm auch sehr erfolgreich waren. Auf Dauer sind solche Umstände für eine Gruppe von über 25 Spielern aber eher problematisch.
Pranjic: "Van Gaal wollte Ribery auf der Zehn spielen lassen"
Welcher Spieler eckte am meisten mit van Gaal an?
Pranjic: Franck Ribery. Sein Verhältnis zum Trainer war vom ersten bis zum letzten Tag angespannt, weil van Gaal ihn lieber auf der Zehn spielen lassen wollte, er aber gar nicht erfreut darüber war und darauf bestand, ausschließlich auf der linken Außenbahn eingesetzt zu werden. Ich bin sogar der Meinung: Hätte sich Franck manchmal besser unter Kontrolle gehabt und den Anweisungen des Trainers gehorcht, wäre die Stimmung in der Mannschaft besser und dadurch vielleicht eine längere Zusammenarbeit mit van Gaal möglich gewesen.
Hätte Ribery auf der Zehn gespielt, wären Sie wahrscheinlich häufiger im linken Mittelfeld zum Einsatz gekommen.
Pranjic: Verstehen Sie mich nicht falsch: Es war ja gut für Bayern und gut für Franck selbst, dass er seiner Lieblingsposition treu geblieben ist. Er war der beste Linksaußen der Welt und im Übrigen noch vor Luka Modric und Arjen Robben der beste Mitspieler, den ich je hatte. Und van Gaal sah mich nach ein paar Monaten sowieso eher als linken Verteidiger statt als linken Mittelfeldspieler, weil er mit Edson Braafheid nicht zufrieden war. Dadurch durfte ich ja mit Franck zusammen spielen, es war traumhaft - auch wenn er leider nicht immer ganz klar im Kopf war. (lacht)
Danijel Pranjic im Steckbrief
geboren | 2. Dezember 1981 in Nasice, Kroatien |
Größe | 1,72 m |
Gewicht | 70 kg |
Position | linke Außenverteidigung, linkes Mittelfeld, zentrales Mittelfeld |
starker Fuß | links |
Spiele/Tore/Vorlagen (Vereinsebene) | 475/58/75 |
Spiele/Tore/Vorlagen (Nationalmannschaft) | 58/1/10 |