Fußball-Kolumne: Rangnick sucht trotz Milan-Absage die große Herausforderung abseits von Leipzig

Leipzig oder MIlan? Weder noch! Ralf Rangnick sucht die große Herausforderung abseits Red Bull.
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Auch nach der Absage des AC Milan ist Ralf Rangnick offen für eine neue Aufgabe. In seinem jetzigen Job für Red Bull sieht er keine langfristige Perspektive. Warum es für ihn aber gar nicht so einfach sein könnte, die neue Aufgabe zu finden, erklärt die Fußball-Kolumne.

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Es bleibt also dabei: Die Serie A hat keinen Platz für deutsche Trainer. Der einstige Römer Publikumsliebling Rudi Völler war bisher der einzige Tedesco, der als Chefcoach dort gearbeitet hat - und das auch nur sehr kurz. Nach gerade mal 25 Tagen trat der Ex-Teamchef am 25. September 2004 bei der AS Roma zurück. Drei Tage später wurde Ralf Rangnick als Nachfolger von Jupp Heynckes bei Schalke 04 vorgestellt.

Knapp 16 Jahre später sprach eigentlich alles dafür, dass Rangnick als zweiter Deutscher einen italienischen Erstligisten übernimmt. Das hatte die renommierte Gazzetta dello Sport bereits als Fakt auf ihrer Titelseite verkündet und erklärt, der neue Mann solle bei Milan mit einem lukrativen Dreijahresvertrag ausgestattet "der Sacchi des dritten Jahrtausends" werden.

Tatsächlich war Rangnick, zu dessen Vorbildern der einstige Meisterstratege Arrigo Sacchi gehört, bereit für den neuen Job als Sportchef und Trainer bei den Rossoneri. In den vergangenen Monaten hatte er auch schon fleißig italienisch gelernt.

Dass der Deal doch noch platzte, lag vor allem an der Erfolgsserie von Trainer Stefano Pioli - Milan ist nach dem Re-Start das erfolgreichste Team der Serie A - und der massiven Ablehnung durch das Milan-Establishment um den Technischen Direktor und Klub-Legende Paolo Maldini, das um Pfründe und Einfluss fürchtete. Auch Stürmerstar Zlatan Ibrahimovic hatte zuletzt auf seine typische Art "Wer ist Rangnick? Ich kenne keinen Rangnick!" gesagt.

Rangnick soll bei Milan die alleinige Macht gefordert haben

Allerdings ist diese Lesart, die auch von Rangnicks Seite verbreitet wurde, nur ein Teil der Wahrheit. Denn der Schwabe hatte mit sehr detaillierten und weitreichenden Forderungen in den schon seit November andauernden Kaugummi-Verhandlungen ebenfalls seinen Anteil am Scheitern.

Rangnick soll nicht nur mehrere Wunschspieler gefordert haben, unter anderem den Frankfurter Torwart Kevin Trapp (obwohl Milan mit Gigio Donnarumma einen Keeper hat, der mit 21 schon mehr als 200 Einsätze hat und über jeden Zweifel erhaben ist) und Flügelstürmer Filip Kostic, sondern auch die alleinige Macht über den sportlichen Bereich. "Aber anders funktioniert der Ralf nicht", sagt einer, der ihn sehr lange kennt. "Ich wüsste keinen, der so ehrgeizig ist wie der Ralf. Der will nirgendwo Kompromisse eingehen. Fachlich top, aber überehrgeizig und unheimlich anstrengend."

Was bei einigen Mailänder Verantwortlichen am Ende offenbar des Guten zu viel war, war bei seinen letzten beiden langfristigen Stationen in Hoffenheim und Leipzig der Schlüssel zum Erfolg. Bei beiden Klubs konnte er in Ruhe mit der großzügigen Unterstützung eines milliardenschweren Gönners Stück für Stück eine Bundesliga-Spitzenmannschaft aufbauen. Und nachdem er sich bei RB Leipzig eigentlich auf die Funktionärsrolle beschränken wollte, leckte er spätestens nach der zweiten Rückkehr auf die Trainerbank der Sachsen wieder Blut: Als Platzhalter für Julian Nagelsmann führte er sein Team vor einem Jahr auf Platz drei und ins DFB-Pokalfinale.

Rangnick bei RB Leipzig "zum zweiten Mal vom Vorgesetzten aufs Kreuz gelegt"

Unter seinem Nachfolger schnitt RB als Dritter mit der identischen Punktzahl (66) zumindest nicht besser ab, was dem ehrgeizigen Rangnick innerlich gefallen haben dürfte. Dass sein Abschied von der Macht und der Wechsel auf den Posten des "Head of Sport and Development Soccer" von Hauptsponsor Red Bull gänzlich freiwillig geschah, dürfte nicht vollständig der Realität entsprechen. "Ich glaube, man konnte da schon von einem Machtkampf sprechen. Er ist zum zweiten Mal von einem Vorgesetzten aufs Kreuz gelegt worden, der sich mit dem Mäzen verbündet hat", sagt ein Insider.

In Hoffenheim entschieden sich der damalige Manager Jan Schindelmeiser und Mäzen Dietmar Hopp zum Jahreswechsel 2009/10 gegen das Veto von Rangnick zum Verkauf von Luiz Gustavo an den FC Bayern, wenige Tage später trat der Trainer nach viereinhalb Jahren zurück. Auch in Leipzig sind die Verhältnisse seit vergangenem Sommer eindeutig geklärt: Der einstige Rangnick-Berater Oliver Mintzlaff ist als RB-Vorstandsvorsitzender und zusätzlich seit Mai als Head of Soccer für die Partnerstandorte in Brasilien und USA der unbestrittene Boss.

Den sportlichen Alltag bestimmen Nagelsmann und der neue Sportdirektor Markus Krösche. Rangnick blieb hingegen nur die Berater- und Repräsentantenrolle, zumal er formell als Angestellter des Investors gemäß der 50+1-Regeln keinen bestimmenden Einfluss auf die Geschicke in Leipzig nehmen darf. Angeblich, um keine Kündigung seines noch bis zum Sommer 2021 laufenden Vertrags zu riskieren, hat Rangnick bislang öffentlich zu seinen Ambitionen geschwiegen.

Doch der 62-Jährige sucht auch nach der Absage aus Mailand eine neue Herausforderung. Er sei enttäuscht, fühle sich in seiner jetzigen Rolle nicht wohl und sehe seine Zukunft daher nicht in Leipzig, heißt es aus seinem Umfeld: "Er will noch mal was Großes machen."

Einst Berater von Ralf Rangnick und nun RB-Vorstandsvorsitzender: Oliver Mintzlaff.
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Einst Berater von Ralf Rangnick und nun RB-Vorstandsvorsitzender: Oliver Mintzlaff.

Rangnick: Bei Bayern und BVB schnell gestrichen, auch Hertha wollte nicht

Eine Aufgabe, die Rangnick wirklich reizen würde, ist derzeit nicht in Sicht. Im Laufe der abgelaufenen Saison wurde er sogar bei Bayern und Dortmund gehandelt, jedoch dem Vernehmen nach relativ schnell von der Kandidatenliste für die Nachfolge von Niko Kovac bzw. den letztlich ohnehin nicht vollzogenen Wechsel auf der BVB-Trainerbank gestrichen. Ein grundsätzliches Problem ist, dass bei den meisten Klubs die Bereitschaft fehlt, alle sportliche Macht an den "Fußball-Professor" aus Backnang abzugeben.

Hertha BSC hätte mit den Millionen von Investor Lars Windhorst sicher ein Projekt nach Rangnicks Gusto sein können, doch zu mehr als losen Gesprächen kam es auch aufgrund der Ablehnung eines solchen Modells durch die Vereinsführung nicht. Die naheliegendste Variante wäre daher ein Wechsel in die Premier League, wo die Trainer traditionell Teammanager sind und das sportliche Sagen haben.

Für Rangnick, der einst an der Uni Stuttgart englisch auf Lehramt studierte und während eines Auslandsaufenthalts an der University of Sussex 1979/80 für den dortigen Amateurverein FC Southwick spielte, würde damit ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung gehen.

In der Vergangenheit gab es unter anderem Kontakte zu Manchester United, Arsenal und Everton, konkret wurde es aber nie. Aktuell sucht zudem kein Topteam einen Trainer und auch bei einem Klub wie Newcastle United, der durch den Einstieg eines Investors ein spannendes Projekt werden könnte, ist Rangnick kein Thema.

In Deutschland hingegen könnte vor allem ein großer Verein einen starken Mann wie Rangnick gebrauchen: Ex-Klub Schalke 04, wo der Rücktritt von Aufsichtsratschef Clemens Tönnies ein Vakuum hinterlassen hat. Marketingvorstand Alexander Jobst ist bei den Fans zudem umstritten und Sportvorstand Jochen Schneider steht eigentlich lieber etwas weniger im Rampenlicht - wie er es in Leipzig schon unter Rangnick tat.

Ralf Rangnick: Trainerstatistiken bei S04, Leipzig, Stuttgart, Ulm und Reutlingen

VereinAmtsantrittAmtsaustrittSpielePunkte/Spiel
RB Leipzig09.07.201830.06.2019521,92
RB Leipzig01.07.201530.06.2016361,94
FC Schalke 0421.03.201122.09.2011231,52
TSG 1899 Hoffenheim01.07.200601.01.20111661,69
FC Schalke 0428.09.200412.12.2005651,92
Hannover 9601.07.200107.03.2004981,57
VfB Stuttgart03.05.199923.02.2001861,44
SSV Ulm01.01.199716.03.1999751,65
SSV Reutlingen01.07.199531.12.1996511,76

Rangnick und Schalke 04: Sind aller guten Dinge drei?

Zweimal war Rangnick bereits bei den Königsblauen tätig, 2005 kündigte er nach einem Machtkampf mit Manager Rudi Assauer, der ihn schon bei der Vorstellung durchgängig "Rolf" Rangnick genannt hatte, seinen Abschied zum Saisonende an und wurde dann nach einer emotionalen Ehrenrunde in der Schalker Arena gefeuert. Er sei beim Ruhrpottklub noch nicht fertig, sagte S04-Mitglied Rangnick damals: "Schalke ist mehr als nur ein Fußballklub, die Fans sind einzigartig. Ich bin selbst ein Arbeiterkind und deshalb war es eine brutale Verpflichtung für mich, die Fans auch mit der Art, Fußball zu spielen, zu überzeugen."

Die gefeierte Rückkehr folgte sechs Jahre später, als er die Mannschaft als Nachfolger von Felix Magath zum DFB-Pokalsieg 2011 führte, Rangnicks einziger nationaler Titel. Doch schon nach einem halben Jahr musste er erneut aufhören, damals wegen seiner Burnout-Erkrankung. Aller guten Dinge sind bekanntlich drei, aber realistisch gesehen spricht wenig für ein solches Happy End.

Den Knappen fehlen angesichts von fast 200 Millionen Euro Verbindlichkeiten schon vor der Corona-Pandemie schlicht die nötigen Mittel, die Rangnick aus Hoffenheim und Leipzig gewohnt ist. "Die Idee hätte zwar Charme, kann man aber vergessen", sagt ein Insider. "Schalke ist ein sterbender Verein."

Schalke wäre zwar die ultimative Herausforderung für Rangnick, aber für den Perfektionisten sind die Aussichten auf "etwas Großes" dort einfach zu klein.

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