Nachdem es zuletzt häufig drunter und drüber und rauf und runter ging, versucht man sich beim VfB Stuttgart derzeit in einer Disziplin, an der der Klub in den letzten Jahren eklatant gescheitert ist. Statt wie im Vorjahr nach dem Abstieg aus der Bundesliga einen totalen Umbruch zu vollziehen, setzen die Schwaben in der Zusammenstellung ihres Kaders nun auf Konstanz und Feinarbeiten.
Bislang haben die Verantwortlichen um Vorstandsboss Thomas Hitzlsperger, Sportdirektor Sven Mislintat und Cheftrainer Pellegrino Matarazzo im Rahmen der wirtschaftlichen Möglichkeiten nur moderat an der Mannschaft geschraubt. Einzig Mario Gomez steht nach seinem Karriereende nicht mehr zur Verfügung, hat in der vergangenen Aufstiegssaison allerdings auch nur 15 Startelfeinsätze bekommen.
Der VfB in der Kaderanalyse: Wer soll bloß die Tore schießen?
Bei Torhüter Gregor Kobel, Sechser Wataru Endo und Außenverteidiger Pascal Stenzel wurden für eine kolportierte Summe von insgesamt sieben Millionen Euro aus Leihverträgen Festanstellungen gemacht. Echte Transfers von außerhalb stellen bislang nur der 17-jährige Außenbahnspieler Momo Cisse (ablösefrei aus Le Havre) sowie die beiden Innenverteidiger Waldemar Anton (für vier Millionen Euro von Hannover 96) und Konstantinos Mavropanos (ausgeliehen vom FC Arsenal) dar.
Für Holger Badstuber waren besonders die Verpflichtungen der Letztgenannten keine Freude. Der ehemalige Nationalspieler geht nun in seine zwölfte Saison als Profi, wird aber nicht mehr gebraucht. Dieser Umstand ist für den Innenverteidiger in Stuttgart nichts Neues, schon im Januar 2019 beispielsweise wurde ihm ein Wechsel nahegelegt.
Holger Badstuber in die U21 des VfB abgeschoben
Badstuber wurde vom Verein am Dienstag mitgeteilt, dass er künftig in der U21 des VfB trainieren und nicht am Trainingslager der Profis in Kitzbühel teilnehmen wird. Heißt also: Badstuber spielt tatsächlich keine Rolle mehr. Unterstrichen hatte dies bereits das erste Testspiel des VfB gegen Sandhausen (6:1), als er erst in der 76. Minute mit dem letzten Schwung an Einwechselspielern aufs Feld durfte - als Innenverteidiger Nummer fünf. Selbst der 19-jährige Antonis Aidonis bekam eher seine Chance.
Coach Pellegrino Matarazzo sagte anschließend nur: "Enttäuschung entsteht, wenn man mit einer falschen Vorstellung in die Saison geht. Das wird nicht der Fall sein. Ich werde mit jedem Spieler klar kommunizieren, welchen Entwicklungsschritt er machen muss und welchen Stand er auch hat." Und konkret zu Badstuber: "Holger nimmt die Situation sehr professionell an."
VIDEO: Freistoß-Kracher! Das war Badstubers einziges BL-Tor für Bayern
Zur Abschiebung in die Regionalliga-Mannschaft zitierte der Klub nun Mislintat: "Mit Blick auf die kommende Saison und darüber hinaus haben wir uns dazu entschieden, in unserem Kader personelle Veränderungen vorzunehmen und im Defensivbereich verstärkt auf andere Spieler zu setzen. Diese Entscheidung, die einzig und allein sportliche Gründe hat, haben wir Holger in einem offenen Gespräch mitgeteilt."
Holger Badstuber stellt klar: "Ich bleibe sicher beim VfB"
Dieser akzeptiere die Entscheidung - "auch wenn es mir schwerfällt", erklärte Badstuber. Ob dieser Schritt beim Innenverteidiger einen Sinneswandel herbeiführen wird? Zuvor jedenfalls schienen Badstuber seine gesunkenen Aktien recht wenig zu tangieren.
"Ich bleibe sicher beim VfB", sagte er vor einem Monat. "Mein Vertrag läuft bis 30. Juni 2021. Das ist mir sehr wichtig. Ich bin ein Spieler, glaube ich, der Verträge abschließt, um sie einzuhalten."
Auf seinen Social-Media-Kanälen zeigte sich der 31-Jährige in den vergangenen Tagen fast schon demonstrativ gut gelaunt und belegte mit seinen Posts immer wieder, dass er sich als festen Bestandteil des Kaders sieht.
Beziehung zwischen Badstuber und VfB ist zerbrochen
Dies ist freilich sein gutes Recht, zumal es bei einem möglichen Wechsel recht unwahrscheinlich wäre, dass er sein üppiges Gehalt von geschätzten 2,5 bis drei Millionen Euro pro Jahr halten würde. Zerbrochen ist die Beziehung zwischen Badstuber und dem VfB aber dennoch.
Seinen Ursprung hat dies in der Vorsaison, als den Schwaben im Schlussspurt mit Biegen und Brechen und dank eines schwachen Hamburger SV der Aufstieg gelang. Nach Niederlagen in Kiel und bei Erzrivale Karlsruher SC hing der Haussegen zwischenzeitlich mächtig schief, der Druck auf Verein wie Spieler war riesig.
In diesen beiden Spielen soll sich der ohnehin recht meinungsstarke, aber auch enorm ehrgeizige Badstuber, der immer wieder damit auffällt, wie er seine Mitspieler lautstark in die Schranken verweist, zwei interne Ausrutscher geleistet haben. Beim 2:3 in Kiel wurde Roberto Massimo in der Schlussphase eingewechselt und verschuldete im Handumdrehen zwei Gegentore. Badstuber soll daraufhin in Richtung Trainerbank gesagt haben: "Das hast du jetzt davon."
Badstuber beim VfB: Drei Sportdirektoren, sieben Trainer
Das Fass zum Überlaufen gebracht hat dann wohl die Episode beim KSC drei Wochen später. Nach der Partie soll es zu verbalen Streitigkeiten mit Mitspielern und Matarazzo gekommen sein, bei denen sich ein hoch emotionaler Badstuber im Ton vergriff. "Ich bin da vielleicht ein bisschen übers Ziel hinausgeschossen. Ich wollte aber niemanden persönlich angreifen, mir ging es um die Sache an sich", zeigte sich Badstuber anschließend in der Sport Bild reumütig.
Vergessen haben dürfte die Vereinsführung den Vorfall nicht, auch wenn die aktuelle Gemengelage in sportlicher Hinsicht durchaus etwas skurril ist. Im Vorjahr agierte Badstuber nämlich lange Zeit absolut solide und gehörte zu den Besseren in einer immer wieder enttäuschenden Mannschaft. Allerdings hat der Ex-Bayer an Geschwindigkeit verloren, was besonders nun im Oberhaus problematisch werden dürfte.
So hätte er derzeit, der VfB wird wohl auch in der Bundesliga mit einer Dreierkette verteidigen, auf der Position als linker Innenverteidiger Marcin Kaminski und Marc Oliver Kempf, sobald dieser wieder fit ist, vor der Nase. Gegen Sandhausen übernahm gar Clinton Mola diese Position.
Badstuber: Ohne Erfahrung geht es in der Bundesliga nicht
Seit drei Jahren spielt Badstuber bereits beim VfB, er ist zweitdienstältester Spieler im Kader. In dieser Zeit sah er drei Sportdirektoren und sieben Trainer kommen und gehen. Es war dann genau diese hohe Fluktuation an der Seitenlinie, die dem häufig abgeschriebenen Badstuber schließlich wieder ins Team verhalf.
In der Abstiegssaison 2018/19 etwa kam er nur auf fünf Spiele von Beginn an, war zwischenzeitlich verletzt und saß auf der Tribüne. Am letzten Bundesligaspieltag und im entscheidenden Relegationsduell bei Union Berlin unter Interimscoach Nico Willig sollte er dann plötzlich wieder die Kohlen aus dem Feuer holen.
"Konkurrenz ist gut und hebt immer das Niveau der Mannschaft", sagte Badstuber vor der Degradierung zu seiner Situation. "Ich weiß aber auch, dass es ohne erfahrene Spieler in der Bundesliga nicht gehen wird." Ähnlich bestimmt klangen auch seine Worte vom Dienstag in der Pressemitteilung: "Ich bin überzeugt davon, dass ich dem Team in der Bundesliga helfen kann."
Badstuber: "Ich nehme jetzt die neue Aufgabe an"
Eine Ablöse einnehmen könnte der VfB nur noch in dieser Saison, 2021 läuft Badstubers Vertrag aus. "Wenn das Kapitel VfB irgendwann einmal für mich zu Ende geht, würde ich gerne noch die Erfahrung Ausland machen", verriet er vor ein paar Wochen.
Unmittelbar vor der aktuellen Entwicklung deutete gerade nach seinen eigenen Aussagen nichts darauf hin, dass er das Kapitel demnächst schließen wird. "Ich nehme jetzt die neue Aufgabe an, damit wir gemeinsam für den Verein das Beste daraus machen", sagte Badstuber nun am Dienstag.
Mit den Erfahrungen seiner Zeit am Neckar wäre es Badstuber gewissermaßen nicht einmal zu verübeln, wenn er darauf baut, dass nach einem möglichen Fehlstart in die Spielzeit schon bald wieder ein neuer Trainer nach Stuttgart kommt, der dann auf erfahrene Spieler wie ihn setzt...
Holger Badstuber: Seine Leistungsdaten beim VfB Stuttgart
Wettbewerb | Spiele | Tore | Spielminuten |
Bundesliga | 38 | 2 | 2775 |
2. Liga | 19 | 2 | 1660 |
DFB-Pokal | 4 | - | 312 |