Sasa Kalajdzic zählt in der laufenden Bundesligasaison zu den positiven Überraschungen bei der positiven Überraschung VfB Stuttgart. Vor dem Spiel gegen den FC Bayern München (Samstag, 15.30 Uhr) spricht der 23-jährige Stürmer aus Österreich im Interview mit SPOX und Goal über seinen ungewöhnlichen Karriereweg, seine Verletzungsanfälligkeit - und die Lehren daraus.
Außerdem erzählt Kalajdzic von Schwierigkeiten mit dem spanischen Wort "desafortunadamente", von Schneeballschlachten in der Heimat seiner Großeltern Bosnien und Herzegowina, Basketballspielen mit Gregor Kobel und einem Besuch in Liverpool.
Herr Kalajdzic, nach acht Spieltagen stehen Sie mit dem VfB Stuttgart auf Platz acht und persönlich bei sechs Scorerpunkten. Wie zufrieden sind Sie mit der bisherigen Saison?
Sasa Kalajdzic: Generell sind wir als Mannschaft zufrieden, das eine oder andere Spiel hätte aber noch besser laufen können. Eigentlich wäre noch mehr drin gewesen. Dass es nach meiner langen Verletzungspause für mich persönlich so gut läuft, hätte ich nicht erwartet.
Sie sprechen Ihren Kreuzbandriss aus der vergangenen Saison an. Er war nach einem Mittelfußbruch 2017/18 und einem Syndesmosebandriss 2018/19 bereits die dritte schwere Verletzung Ihrer noch jungen Karriere. Was haben diese Verletzungen bei Ihnen ausgelöst?
Kalajdzic: Mein Kreuzband riss bei einem Zweikampf, das war Pech. Die anderen beiden Verletzungen passierten aber ohne Fremdeinwirkung, daran habe ich also zumindest eine Teilschuld. Vielleicht wären sie nicht passiert, wenn ich schon damals besser auf mich geachtet hätte. Natürlich ist es bitter, wenn man verletzt ist - aber nur so bekommt man ein richtiges Gefühl für seinen Körper. Ich arbeite jetzt nach meinen Erfahrungen mit den Verletzungen viel bewusster: Ich habe gelernt, dass ich gut auf meinen Körper aufpassen muss, mehr machen muss als Mannschaftstraining und niemals auch nur eine einzige Sekunde von meinem persönlichen Fitness-Programm abweichen darf.
Denken Sie, dass Sie ob Ihrer Größe verletzungsanfälliger sind als andere Spieler?
Kalajdzic: Ich bin zwar sehr groß, körperlich aber nicht der Stärkste. Deshalb wirken große Hebel auf meinen Körper. Vielleicht macht mich diese Kombination ein bisschen verletzungsanfälliger.
Kalajdzic erzählt von seinem Spanisch-Sprachkurs
Als Sie in der vergangenen Saison monatelang ausfielen, begannen Sie einen Spanisch-Sprachkurs. Wie kam es dazu?
Kalajdzic: Ich habe meiner Familie, meinen Freunden und meiner Freundin gesagt: Ich lebe zwar meinen Traum Profifußball, aber irgendwas fehlt mir trotzdem. Irgendein Ausgleich, der mich gleichzeitig weiterbringt und mir Spaß macht. Meine Eltern schlugen ein Fernstudium vor, aber das erschien mir zu zeitaufwändig. Ich habe befürchtet, dass darunter mein Fokus auf den Fußball leiden würde. Dann kam mir die Idee, neben Englisch, Serbisch und Deutsch noch eine vierte Sprache zu lernen. Meine Freundin hat eine Sprachschule bei uns in der Nähe rausgesucht. Da bin ich hingegangen, habe es ausprobiert und es hat mir Spaß gemacht. Vor Corona war ich einmal pro Woche eineinhalb Stunden vor Ort, seitdem ist alles online.
Warum wurde es Spanisch?
Kalajdzic: Einerseits höre ich die Sprache gerne, andererseits ist sie verhältnismäßig leicht zu lernen. Die spanische Grammatik kommt mir eher entgegen als die chinesische. (lacht)
Und wie läuft es?
Kalajdzic: Ganz gut, aber mit einigen Worten habe ich so meine Probleme. Im Spanischen gibt es richtige Zungenbrecher wie zum Beispiel "desafortunadamente", was "unglücklicherweise" bedeutet. Gerade vor unserem Interview habe ich Gonzalo Castro gesagt, dass man "desafortunadamente" eigentlich nicht aussprechen kann. Das Wort schaffe ich meistens erst beim fünften Versuch.
imago images / Sportfoto RudelKalajdzic: "Ich bin froh, dass ich in keiner Akademie war"
Waren Sie früher ein guter Schüler?
Kalajdzic: Ich war kein schlechter Schüler, bin gegen Ende aber immer fauler geworden. Trotzdem wollte ich die Schule unbedingt durchziehen: für mich, aber auch meinen Eltern zuliebe.
Was waren Ihre Lieblingsfächer und wo hatten Sie die meisten Probleme?
Kalajdzic: In den letzten Schuljahren war Englisch mein Lieblingsfach, weil wir einen coolen Lehrer hatten. Ansonsten mochte ich alles, was ich mir logisch erklären konnte: Mechanik und Elektrotechnik zum Beispiel und solange es um Rechnen ging auch Mathe. Praxis ist mir immer leichter gefallen als Theorie. Auswendiglernen habe ich gehasst.
Wie sah Ihre Schullaufbahn aus?
Kalajdzic: In der Unterstufe war ich in einer Fußball-Klasse in einem Gymnasium, das eine Kooperation mit Austria Wien hat. Früher war dort auch David Alaba. Der normale Schritt wäre es gewesen, irgendwann auch in deren Akademie zu wechseln, aber den habe ich nicht geschafft. Heute muss ich ganz ehrlich sagen: Damals war ich zu schlecht und körperlich zu schwach. Zur Oberstufe bin ich in eine HTL gewechselt (in Österreich eine berufsbildende höhere Schule mit technischen, gewerblichen und kunstgewerblichen Ausbildungsschwerpunkten, Anm. d. Red.). Im Nachhinein betrachtet bin ich froh, dass ich in keiner Akademie war, sondern diesen Weg gegangen bin.
Warum?
Kalajdzic: In den Akademien steht ausschließlich der Fußball im Mittelpunkt. Meine Freunde in der HTL hatten dagegen überhaupt keinen Fußballbezug. Die waren alle verrückt nach Autos, nicht nach Bällen. Sie hatten einen anderen Schmäh als meine Fußballkollegen, andere Ziele, andere Denkweisen, andere Musikgeschmäcker. Insofern war das der perfekte Ausgleich zum Training und den dortigen Themen. Mit vielen bin ich bis heute in Kontakt. Ich habe in der HTL Freunde fürs Leben gefunden.
Kalajdzic: "Da kannst du nicht mit 'Hey, Servas!' kommen"
Sie spielten im Nachwuchs von First Vienna und wechselten mit 16 zur Erwachsenenmannschaft des SR Donaufeld, wo Sie in der drittklassigen Regionalliga debütierten. Wie schwer ist Ihnen die Umstellung gefallen?
Kalajdzic: Bei meinem Wechsel dachte ich: Ich bin aus der Vienna-Jugend - das ist eine gute Adresse im Wiener Nachwuchsfußball - und kann in Donaufeld gleich mithalten. Aber recht bald merkte ich, dass der Hase anders läuft. Bei den Erwachsenen war alles anders, als ich es von den Nachwuchsmannschaften gewöhnt war. Bis dahin hatte ich im Fußball nur mit Gleichaltrigen zu tun, auf einmal saß ich in der Kabine neben 30-Jährigen, die ernste Erwachsenen-Gespräche führen. Da kannst du nicht mit "Hey, Servas!" kommen. Da musst du Respekt zeigen und dir Respekt verdienen. Donaufeld hatte damals eine starke Mannschaft. Es war schwer, einen Stammplatz zu bekommen, aber am Ende habe ich es trotzdem geschafft.
Wie war der Teamspirit in der Mannschaft?
Kalajdzic: Super! Viele Spieler sind nach dem Training gemeinsam in die Kantine gegangen, haben dort ein Bier getrunken, Karten gespielt oder nur geredet. In dieser Hinsicht hatte ich aber auch bei meiner nächsten Station Admira Glück, auch dort gab es einen überragenden Teamspirit.
Neulich meinten Sie, dass sie das Eis des Eissalons Trento in Wien vermissen. Haben Sie in Stuttgart schon einen Ersatz gefunden?
Kalajdzic: Gleich nach meiner Ankunft wurde mir eine Eisdiele empfohlen, die wirklich sehr gut ist. Hin und wieder hole ich mir da ein Eis, meisten etwas Fruchtiges wie Erdbeere oder Waldbeere. Adrian Grbic (spielte im Nachwuchs für Stuttgart, Anm. d. Red.) hat mir bei der Nationalmannschaft noch eine andere Eisdiele in Stuttgart empfohlen, die habe ich aber noch nicht ausprobiert.
Im Oktober standen Sie erstmals im Kader der österreichischen Nationalmannschaft. Hansi Flick erzählte mal, dass sich David Alaba beim FC Bayern besonders intensiv um die Neuzugänge kümmert. War das bei der Nationalmannschaft genauso?
Kalajdzic: Ich habe David in den paar Tagen als sehr fröhlichen, offenen Mensch kennengelernt. Wirklich viel hatte ich mit ihm aber noch nicht zu tun, weil ich mich bewusst etwas im Hintergrund gehalten habe. Ich bin keiner, der irgendwo hinkommt, sich groß aufdrängt und viel Lärm macht.
Kalajdzic über Besuche in Bosnien und Herzegowina
Theoretisch hätten Sie auch für die serbische Nationalmannschaft spielen können. Ihre Großeltern sind in Bosnien und Herzegowina lebende Serben. Wie eng ist der Kontakt in die Heimat Ihrer Vorfahren?
Kalajdzic: Einmal im Jahr bin ich bei meinen Großeltern zu Besuch. Ich genieße es immer sehr, das Stadtleben hinter mir zu lassen und im Dorf abzuschalten. Dort gibt es nichts Modernes, dafür aber viele Tiere. Früher habe ich am Bauernhof oft selbst mitgeholfen. Ich gehe gerne spazieren, genieße im Sommer die Sonne und im Winter den Schnee. Mit den anderen jungen Leuten fetzen wir uns dann die Schneebälle um die Köpfe. Das ist perfekt zum Abschalten.
imago images / Sportfoto RudelMit einer Körpergröße von zwei Metern haben Sie die perfekte Statur für Basketball. Spielen Sie manchmal?
Kalajdzic: Meine Nummer eins war zwar immer Fußball, trotzdem spiele ich sehr gerne Basketball. Derzeit häufig mit Gregor Kobel, mit dem ich mir intensive Matches liefere. Im Sommer haben wir sogar einen Korb für das Trainingsgelände organisiert. In der Kabine reden wir oft über die NBA. Nicht nur Gregor und ich, sondern auch viele andere.
Haben Sie in der NBA einen Lieblingsklub?
Kalajdzic: Keinen Lieblingsklub, dafür aber einige Lieblingsspieler: allen voran James Harden. Seine Spielweise fasziniert mich und mit seinem Bart ragt er auch optisch heraus. Ich finde ihn als Typen genial.
Im Fußball haben Sie Ihren Lieblingsklub schon verraten: den FC Liverpool. Wie kam es dazu?
Kalajdzic: Mit sieben Jahren habe ich das Champions-League-Finale von 2005 gesehen, als Liverpool gegen den AC Milan ein 0:3 aufholte und im Elfmeterschießen gewann. Das hat mich gepackt.
Waren Sie schon mal an der Anfield Road?
Kalajdzic: Ja, vor ungefähr zwei Jahren mit meinem Bruder und zwei Freunden. Als ich die Anfield Road betrat und dann die Hymne hörte, fühlte ich mich wie ein kleines Kind. Vor dem Spiel haben wir uns City Bikes ausgeborgt und sind die ganze Stadt abgefahren. Das war absolut überragend.
Sasa Kalajdzics Leistungsdaten im Profifußball
Saison | Klub | Pflichtspiele | Tore | Assists |
2017/18 | Admira Wacker | 20 | 4 | 7 |
2018/19 | Admira Wacker | 15 | 8 | 5 |
2019/20 | VfB Stuttgart | 6 | 1 | 1 |
2020/21 | VfB Stuttgart | 9 | 3 | 3 |