Schalke 04 - Christian Gross fordert nach Pleite bei Hertha BSC neue Spieler: Der Fehler im System

Christian Gross hat sein erstes Spiel als Schalke-Trainer verloren.
© getty

Schalke 04 tat beim Debüt von Christian Gross all die Dinge, die Schalke in dieser Saison eben so tut. Dem neuen Trainer gelang es während des Spiels (die Highlights im Video) zwar auch nicht, der Mannschaft nach dem Rückstand Impulse zu geben. Um die Hoffnung auf den immer illusorischeren Nicht-Abstieg zumindest zu nähren, greift Gross ganz tief in die Trickkiste alter Feuerwehrmann-Trainer.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Am 12. März 2019 spielte der FC Schalke 04 im Achtelfinale der Champions League gegen Manchester City. Nicht einmal zwei Jahre später könnte Schalke nun nach einem 0:3 (0:1) bei Hertha BSC, bei dem die Schalker Mannschaft all das tat, was eine Schalker Mannschaft in dieser Saison eben so tut, kommenden Samstag gegen die TSG Hoffenheim den 55 Jahre lang für unbrechbar geltenden Rekord von Tasmania Berlin einstellen und 31 Bundesligaspiele in Serie ohne Sieg bleiben.

Trainer im März 2019 war Domenico Tedesco, mit Fährmann, Stambouli und Serdar standen immerhin drei Spieler in der Startelf, die nun auch gegen Hertha untergingen. Schalke unterlag City damals übrigens 0:7, Tedesco musste danach gehen.

Gross ist der fünfte Trainer an der Seitenlinie seitdem. Er soll retten, was eigentlich nicht mehr zu retten ist. Noch ist schließlich jede Mannschaft, die nach 14 Spieltagen nur vier oder weniger Punkte hatte, aus der Bundesliga abgestiegen. Zu pathologisch wirkt die Schalker Eigenheit in dieser Saison, nach einem Rückstand komplett den Faden zu verlieren.

Gross gelang es zwar während des Spiels auch nicht, seiner neuen Mannschaft nach dem Rückstand neue Impulse zu geben. In der zweiten Halbzeit kam seine Mannschaft gerade mal noch auf 37,6 Prozent Ballbesitz (1. HZ: 41,1 Prozent) und gab keinen Torschuss aus dem Strafraum mehr ab (1. HZ vier, genauso viele wie Hertha). Doch der 66-Jährige gab sich immerhin vor dem Spiel kämpferisch. "Schalke ist eine Riesenherausforderung, deshalb habe ich das Angebot angenommen", sagte er. Hinterher meinte er, schon etwas konsternierter: "Die Hoffnung stirbt zuletzt, nicht?"

Schalke 04: Gesucht werden"druckvolle Spieler" für die Außen

Mehr als die Hoffnung auf einen Lucky Punch bleibt Schalke wohl tatsächlich nicht. Um die Hoffnung zumindest zu nähren, greift Gross ganz tief in die Trickkiste alter Feuerwehrmann-Trainer. Er setzt auf eine ordentliche Portion Extra-Training ("Wir müssen hart arbeiten, dass wir alle fit kriegen für diese Mission. Das ist auch der Reiz an dieser Aufgabe"), eine Prise Motivation ("Ich habe den Spielern gesagt, dass sie trotzdem mit erhobenen Köpfen aus dem Stadion rausgehen sollen") - und neue Spieler, die in sein System passen. Er brauche "druckvolle Spieler auf den Außenpositionen", die "torgefährlich sind".

Sportchef Jochen Schneider versuche daher nach der Verpflichtung des in Berlin noch nicht spielberechtigten Rückkehrers Sead Kolasinac "dahingehend das Unmögliche, weil finanziell einfach Engpässe da sind."

Gegen Gross' Wunsch nach Verstärkungen wäre grundsätzlich nichts einzuwenden. Auch Stürmer Mark Uth, für seine emotionalen Klartextaussagen bekannt, forderte diese nach dem 0:3. Doch die Aussage des Trainers fasste eben auch ein grundlegendes Problem des FC Schalke in den vergangenen Jahren zusammen. Mit jedem Trainerwechsel ging ja immer auch ein System- und Ideenwechsel einher. Und jeder Trainer bekam die Spieler, die für sein System am geeignetsten schienen.

Schalke hatte so viele Trainer- und Richtungswechsel, dass der Kader, ähnlich wie in den Spielzeiten vor dem Abstieg des HSV oder des VfB Stuttgart vor einigen Jahren, einfach nicht zusammenpasst. Ein guter Kader ist eben nicht allein die Summe seiner Einzelteile.

Schalke 04: Harit fremdelt mit der Aufgabe

Manuel Baum bevorzugte etwa eine Grundordnung mit drei Innenverteidigern und laufintensiven Außenverteidigern, David Wagner ist Anhänger einer auf Pressing- und Gegenpressing setzenden, umschaltenden Mannschaft, die meist aus einem 4-2-3-1 heraus agiert, Tedesco setzte bei seinem letzten Spiel als Schalker Trainer auf eine 5-4-1-Grundordnung.

Gross, Typ harter Trainerhund, repräsentiert im Vergleich zu den Taktiktüftlern Baum und Wagner nicht nur einen anderen Trainertypus. Gross ließ seine Mannschaft in Berlin so spielen, wie seine Mannschaften eigentlich schon immer spielen: aus einer flachen 4-4-2-Grundordnung heraus. Wobei Hoppe und Uth im Sturm und Serdar und Mascarell im zentralen Mittelfeld agierten. Die Schlüsselpositionen auf den Flügeln übernahmen Schöpf und Harit.

Vor allem Harit fremdelte mit den laufintensiven Aufgaben auf dem linken Flügel, kam kaum mal ins letzte Spieldrittel, gewann zweimal den Ballbesitz, verlor ihn aber achtmal wieder und gab keine einzige Flanke ab. Schöpf agierte etwas druckvoller, kam aber auch nur auf eine Flanke und einen Ballbesitzgewinn (sechs Ballverluste).

Dass heute nur noch wenige Trainer die von Gross favorisierte Grundordnung wählen, ist dabei nicht das Problem. Auch aus dem eher klassischen 4-4-2 kann man hoch pressen, schnell umschalten und modern spielen. Doch man braucht eben auch die richtigen Spielertypen dafür. Oder Zeit, das System zu erlernen. Zeit, die Schalke nicht hat.

Gross' Quintessenz daher: "Ich hoffe, wir können noch einen Spieler verpflichten, der schon Persönlichkeit hat und nicht noch ausgebildet werden muss."

Doch selbst wenn der Neue einschlagen sollte: Am grundsätzlichen Fehler im Schalker System würde das auch nichts ändern - dass Schneider nun mit dem Geld, das Schalke nicht hat, Spieler verpflichtet, die schon in wenigen Monaten womöglich gar nicht mehr benötigt werden.

FC Schalke 04: Die kommenden Spiele

TerminWettbewerbGegner
09.01.2021BundesligaTSG Hoffenheim (H)
17.01.2021BundesligaEintracht Frankfurt (A)
20.01.2021Bundesliga1. FC Köln (H)
24.01.2021BundesligaFC Bayern (H)
Artikel und Videos zum Thema