Marco Rose wird ab der kommenden Saison Trainer bei Borussia Dortmund. Wie ist der Wechsel von Borussia Mönchengladbach zum BVB zu bewerten?
BVB verpflichtet Marco Rose: Die Perspektive von Dortmund
Es war aus Sicht des BVB alles andere als ideal, wie der Wechsel von Rose nach Dortmund am Montag kommuniziert wurde. Kurz zuvor saß Interimscoach Edin Terzic noch auf dem Podium einer Pressekonferenz, um über den kommenden Gegner FC Sevilla zu referieren. Als schließlich die Gladbacher Borussia mit der Verkündung vorpreschte, blieb den börsennotierten Westfalen nichts anderes übrig, als die notwendige ad-hoc-Mitteilung folgen zu lassen. Auf den Dortmunder Social-Media-Kanälen herrscht weiterhin Schweigen bezüglich der Personalie.
Am Ende wird sich die Verärgerung darüber in Grenzen halten. Zumal nun die Karten auf dem Tisch liegen und für alle Seiten Klarheit herrscht. Dortmund erhält in Rose seinen Wunschtrainer, auf den man schon schielte, als Lucien Favre noch im Amt war.
Der Fußball des gebürtigen Leipzigers steht für Attribute, die in Dortmund seit der Ära von Jürgen Klopp besonders hoch im Kurs stehen: Intensität, Emotionalität, Aggressivität, Leidenschaft. Auch hohes Pressing sowie viele Umschaltaktionen stehen für Roses Stil, der ihm in Salzburg und Gladbach schnelle Erfolge einbrachte.
Rose ist von seiner Persönlichkeit her auch jemand, den man sich gut in Dortmund vorstellen kann. Der gläubige Christ wird für seine gute Kommunikation gelobt, versprüht Charme und Witz und kann sich generell gut verkaufen. Es dürfte ihm nicht schwerfallen, den richtigen Ton beim BVB zu treffen, um damit die Menschen mitzunehmen. Rose wird verstehen, wie die Borussia funktioniert - ein nicht zu unterschätzender Faktor, an dem sich allen voran Favre, aber auch alle anderen Trainer nach Klopp die Zähne ausbissen.
BVB muss sich unter Rose einer neuen Identität verschreiben
Auf dem Papier klingt das somit alles ganz gut. Elementarer für den Klub wird jedoch sein, sich wieder einer eindeutigen fußballerischen Identität zu verschreiben. Roses Spielansatz sowie sein Charakter werden bei der inhaltlich wie personell notwendigen Restrukturierung der Borussia gewiss helfen. Doch eine solche Identität ist grundsätzlich im ersten Schritt personenunabhängig und von Vereinsseite aus vorzugeben, sie wird dann von den dafür ausgewählten Persönlichkeiten mit Leben gefüllt.
Diese Reihenfolge des Weges sollte idealerweise auch der BVB im Kopf gehabt haben, als er sich frühzeitig auf Rose festlegte. Ein freilich nicht leichtes Unterfangen, schließlich ist derzeit unklar, ob sich die Borussia für einen internationalen Wettbewerb qualifizieren und wie sich der Kader im Sommer verändern wird, ohne die Teilnahme an der Champions League gewiss auch verändern muss.
Dachte man in den vergangenen Jahren an Dortmund, kam einem zuvorderst der Ruf als Talentschmiede Europas für hoch begabte Jungstars in den Sinn. Es würde dem Verein und Rose gleichermaßen helfen, würde man beim Gedanken an den BVB künftig vor allem wieder eine einheitlich praktizierte Art des Fußballs assoziieren.
BVB verpflichtet Marco Rose: Die Perspektive von Gladbach
Selbstverständlich ist es nachvollziehbar, wenn man in Gladbach als Vereinsverantwortlicher oder Fan vom Wechsel Roses nach zwei gemeinsamen Spielzeiten enttäuscht ist. Überrascht darf man jedoch nicht sein, denn die fünf Millionen Euro schwere Ausstiegsklausel fand nicht zufällig den Weg in Roses bis 2022 datierten Vertrag - ohne sie wäre der Coach gar nicht erst aus Salzburg an den Niederrhein gekommen.
Wie im April 2019, als Gladbach die Trennung zum Saisonende von Dieter Hecking bekannt gab, müssen die Fohlen nun also wieder einen neuen Trainer suchen. Sportdirektor Max Eberl wird dabei gewiss nicht von Null beginnen. Gut möglich, dass er mit seinem Wunschkandidaten bereits weit genug ist, unvorbereitet trifft die Entwicklung um Rose den Klub schließlich nicht.
Um Gladbachs langfristige Zukunft sollte man sich daher weniger Sorgen machen. Gehandelte Nachfolgekandidaten wie Erik ten Hag oder Jesse Marsch wären vom Trainerprofil her gut in Gladbach vorstellbar. Auch mit einer allzu heftigen Kaderfluktuation in Folge des Rose-Abgangs ist nicht zu rechnen, die Fohlen werden dank ihrer gefestigten Strukturen auch im kommenden Jahr zu den Europacupanwärtern zählen.
Marco Roses Image in Gladbach ist angekratzt
Als Heckings Aus damals feststand, gewann Gladbach nur noch zwei von sieben Bundesligaspielen, was letztlich aber für denselben Platz reichte, den man belegte, als Heckings Schicksal verkündet würde - Rang fünf. Ähnliche Probleme drohen nun in den restlichen Spielen unter Rose, wenngleich die Borussia derzeit auf Platz sieben und somit außerhalb der Europapokalränge steht.
Gerade Eberl und Rose sind zwar eher nicht bekannt dafür, zu schnell unter öffentlichem Druck einzuknicken. Beide Parteien wollen die bislang vor allem in der Bundesliga eher rumpelnd verlaufene Saison vernünftig zu Ende bekommen. Roses Image ist allerdings angekratzt, nachdem er im Derby gegen Köln mit einer zu heftigen Rotation zur Niederlage beitrug und nun auch noch sein Wechsel nach Dortmund feststeht.
Gesellen sich dazu in naher Zukunft weitere sieglose Partien und gerät der internationale Wettbewerb stärker außer Sichtweite - im DFB-Pokal-Viertelfinale geht es zudem ja ausgerechnet gegen den BVB -, wird die Brisanz der Thematik weiter zunehmen. Es wird also auch an den Spielern liegen, die Spielzeit erfolgreich zu Ende zu bringen, um auch im kommenden Jahr in Europa vertreten zu sein.
BVB-Wechsel: Die Perspektive von Marco Rose
Wie die Bild berichtet, soll Rose bei der Verkündung seines Wechsel gegenüber der Gladbacher Mannschaft erklärt haben, dass er im Alter von 55 oder 60 Jahren nicht mehr als Trainer arbeiten möchte. Daher wage er nun den nächsten Schritt.
Auch wenn es die laufende Saison nicht hergibt, ist Borussia Dortmund aber genau das: die nächsthöhere Kategorie und die größere Aussicht auf einen Titelgewinn. Der BVB ist finanziell besser ausgestattet als die Fohlen, hat einen nominell stärker besetzten Kader und spielt regelmäßig in der Champions League - wobei Rose in seiner ersten Saison bei den Westfalen nach aktuellem Stand womöglich auf Letzteres verzichten muss.
Hinzu kommt eine emotionale Komponente: Sollte es die Pandemie-Lage eines Tages wieder erlauben, wird Rose die Heimspiele in einem Stadion mit über 80.000 Zuschauern coachen. Das Gesamtpaket BVB ist und bleibt schlicht reizvoll. Es ist daher nachvollziehbar, dass der 44-Jährige dem Ruf der anderen Borussia erliegt. Erst recht, wenn er seine Trainerkarriere bereits jetzt zeitlich eingrenzen möchte.
Ein solcher Wechsel ist zudem auch immer eine Frage des Timings. Dortmund sucht eben genau jetzt, Dortmund will Rose, der hat eine Ausstiegsklausel und in Gladbach nach seiner ersten Saison mit der Qualifikation zur Champions League bereits Historisches erreicht - in einem solchen Fall können es sich beide Parteien nicht erlauben, auf Zeit zu spielen und noch eine Saison ins Land ziehen zu lassen.
gettyBVB wird für Marco Rose eine Herkulesaufgabe
Allerdings: Rose soll seinem Team auch erklärt haben, er wolle in Gladbach nichts Langfristiges aufbauen. Genau diese Arbeit stünde nun aber in Dortmund an, wenngleich ein solides Fundament bereits vorhanden ist. Doch nach aktueller Gemengelage wird der BVB für Rose eine Herkulesaufgabe, in zweierlei Hinsicht.
Einerseits fußballerisch-taktisch: Rose muss nachweisen, dass er sich als Trainer noch weiterentwickeln und auf dem höheren Niveau in Dortmund mit all seinen Begleiterscheinungen arbeiten kann. In Gladbach hakte es in dieser Spielzeit auch deshalb, weil Roses Team dieselben Probleme gegen tief stehende Gegner aufweist wie der BVB. Auch die zahlreichen späten Gegentore, die eine bessere Platzierung der Fohlen verhinderten, gehören zu Teilen in Roses Verantwortungsbereich.
Dazu kommt, dass die Planbarkeit aufgrund der Corona-Krise, vor allem jedoch wegen des unklaren Saisonausgangs der Schwarzgelben, erschwert ist. Dortmund leidet wirtschaftlich stark unter den Auswirkungen der Pandemie. "Die Teilnahme an der Champions League hat einen gehörigen Einfluss darauf, wie du die nächste Saison planen kannst. Insofern haben wir da natürlich das eine oder andere Fragezeichen", sagte BVB-Sportdirektor Michael Zorc kürzlich.
Zwar wird der BVB mit Rose bereits im Austausch bezüglich der kommenden Spielzeit stehen und dabei alle Eventualitäten berücksichtigen. Inwiefern jedoch die unterschiedlichen Szenarien am Ende umsetzbar sein werden, steht auf einem anderen Blatt. Klar ist: Rose wird sich in Dortmund nicht ins gemachte Nest setzen können, bereits bei seinem Einstieg kommen erste Hindernisse auf ihn und den Klub zu.