Es gab Momente am Samstagabend im Verlauf der 45-minütigen Dokumentation "Der Prozess: Wie Dietmar Hopp zur Hassfigur der Ultras wurde", bei denen man sich gewünscht hätte, dass Rechtsanwalt Professor Christoph Schickhardt und Bayern Münchens Ehrenpräsident Uli Hoeneß nach ihren Aussagen vor Lachen laut losprusten. Ganz nach dem Motto: Okay, das war jetzt nicht ganz ernst gemeint.
Beispielsweise als Schickhardt seinen Mandanten Hopp als "den letzten richtigen Fußballfan" bezeichnete. Oder als Hoeneß als Argument dafür, dass sein guter Freund Hopp ein unantastbarer Ehrenmann sei, eine Anekdote über ein Gesamtpaket bestehend aus einem Wasser und einem grünen Apfel auf dem Golfplatz erzählte, für das der 80-Jährige gerne mal "20 bis 50 Euro" hinblättert.
Oder aber als Hoeneß tatsächlich einen der Autoren der Dokumentation, ZDF-Moderator Jochen Breyer, dafür kritisierte, dass dieser versuche, auch die andere Seite anzuhören und zu verstehen. "Ihr macht euch das zu einfach. Ihr versucht immer beide Seiten zu verstehen. Aber hier gibt es nichts zu verstehen", sagte Hoeneß.
Es gebe nur ein Opfer und eine Gruppe, die schuldig ist. Punkt. Aus. Ende. Leider folgte kein Lacher, denn solche Aussagen könnte man durchaus als Witz verstehen. Ja gar als realitätsfremd und Ursache dafür, dass der Konflikt unlösbar scheint.
Hoeneß-Kritik zeigt die Unlösbarkeit des Hopp-Konflikts
Zunächst einmal ist es Hoeneß' Meinung, dass einzig Hopp das Opfer und die Ultras in diesem Konflikt die Täter seien, wenngleich man ihr auch mit einem Blick auf die Historie des Konflikts recht einfach entgegentreten kann, erinnert man sich an die Schallattacke auf BVB-Fans im Hoffenheimer Stadion anno 2011.
Was aber noch viel befremdlicher war: Hoeneß kritisierte Breyer für die vorbildliche Ausführung seines journalistischen Handwerks, die sowohl bei Breyer selbst als auch bei anderen Medien auf dem Höhepunkt des Konflikts im vergangenen Frühjahr zu wünschen übrigließ.
So vermischten im vergangenen Jahr beispielsweise einige große Tageszeitungen, darunter die FAZ, den Ultras-Hopp-Konflikt mit dem vom SAP-Gründer finanzierten Biotech-Unternehmen Curevac und der Suche nach einem Corona-Impfstoff.
Dabei folgte man sogar der von Hopp selbst gestreuten Mär, er habe verhindert, dass der damalige US-Präsident sich das Unternehmen unter den Nagel reiße, was sich am Ende schlichtweg als falsch herausstellte. Der Tenor damals: Die bösen Ultras beleidigen den Corona-Retter.
Breyer machte es in seinem Film vom Samstag anders. Er, der selbst aufgrund seines unkritischen Umgangs mit einer von Hopp im April 2020 in einer Sportstudio-Ausgabe versandten Videobotschaft massiv kritisiert wurde, folgte einem der wichtigsten journalistischen Grundsätze: "Audiatur et altera pars" - "Gehört werde auch die andere Seite." Ob es einem passt, oder eben nicht.
Somit veranschaulichte er mit dem Interview mit zwei Mitgliedern der Münchner-Ultragruppierung Schickeria eine Selbstreflexion und einen Lerneffekt im Umgang mit der Thematik, den man sich auch von der Hopp-Seite gewünscht hätte, denn nur so entstünde zumindest ein Nährboden für neue Dialoge.
Aber Hoeneß' Aussagen und auch Hopps Abwesenheit im Film zeigen letztendlich, dass der Konflikt nahezu unlösbar ist, weil man ganz offenbar in den Kreisen gar kein Interesse daran hat, auch nur ansatzweise die andere Seite zu verstehen.
Hopp-Schmähungen in Stadien: Es wird sich nichts ändern
Das Verhalten der Ultras gegenüber Hopp wird sich nach einer Zuschauerrückehr in die Stadien weder durch weitere Klagen Schickhardts, die überhaupt erst zu einer weiteren Eskalation des Konflikts führten und weshalb eine Täter-Opfer-Diskussion kontraproduktiv ist, noch durch Ignoranz ändern.
Denn war es nicht so, dass die Ultras, die von Hopp und seinem Anwalt mittlerweile so inquisitorisch und mit geradezu lächerlichem Aufwand von Polizeiarbeit verfolgten Schmähungen und verbalen Grenzüberschreitungen nur wählten, weil sie dann gehört wurden?
Provokanter und lösungsdesorientierter als die Hoeneß-Kritik an Medien, die andere Seite zu verstehen versuchen, ist da nur noch Schickhardts Einlassung über Hopp als den "letzten richtigen Fußballfan". Eine Äußerung, die in etwa so realitätsfremd für die meisten ist, wie ein Trinkgeld von 20 bis 50 Euro für einen Apfel und ein Wasser.