Fast-Bundesliga-Absteiger Schalke 04 muss den Wiederaufbauprozess ohne Ralf Rangnick planen. Der 62-Jährige sagte am Samstag den Königsblauen ab. Deren Aufsichtsratschef zeigte sich vollkommen überrascht, wollte die Hoffnung aber ebenso wie die Pro-Rangnick-Gruppe nicht aufgeben. Am Sonntag schloss Rangnick-Berater Marc Kosicke die Tür allerdings endgültig. Ein Mitglied des Aufsichtsrates zog Konsequenzen.
Korb von Ralf Rangnick für Schalke 04: Der 62 Jahre alte Fußballlehrer, der auch als möglicher Nachfolger von Bundestrainer Joachim Löw gehandelt wird, steht für den Job als künftiger neuer Macher auf Schalke nicht zur Verfügung. Nachdem Rangnick am Samstag den Königsblauen mittels einer öffentlichen Erklärung absagte, beendete Berater Kosicke die Hoffnungen der Knappen am Sonntag endgültig: "Wir werden sicher nochmal in Ruhe telefonieren, um das Ganze respektvoll für alle zu beenden", sagte er dem SID.
Am Sonntag trat Stefan Gesenhues, der den Rangnick-Plan der Opposition der Klubführung vorgetragen hatte, aus dem Aufsichtsrat zurück - als drittes Mitglied in neun Monaten.
Aufsichtsratschef Jens Buchta hatte nach Rangnicks Absage am Samstag angekündigt, am Montag mit Kosicke zu telefonieren, um "noch einmal alle Möglichkeiten auszuloten". Auch mehrere Mitglieder der Pro-Rangnick-Gruppe äußerten sich optimistisch, Rangnick doch noch von Schalke überzeugen zu können.
So hatte Frank Haberzettel, Sprecher der Pro-Rangnick-Gruppe, bei Sport1 erklärt: "Das ist total traurig und bedauerlich. Wir haben dem Verein nach den Gesprächen am Mittwoch nochmal unsere Unterstützung angeboten." Wenn sich die Aufregung auf beiden Seiten gelegt habe, wolle er die Möglichkeit ausloten, ob sich die Verhandlungen nicht doch noch einmal aufnehmen lassen.
"Zahlreiche Unwägbarkeiten": Rangnick gibt Schalke einen Korb
"Ich hätte mich gerne eingebracht, um Schalke auf dem schwierigen Weg zurück zu alter Stärke zu helfen. Leider sehe ich mich aufgrund der zahlreichen Unwägbarkeiten innerhalb des Vereins derzeit nicht in der Lage, die sportliche Verantwortung bei S04 zu übernehmen", wurde Rangnick am Samstag in einer Presseerklärung zitiert.
Er sollte der starke Mann beim mit 240 Millionen Euro Schulden belasteten Traditionsklub werden. Am Donnerstag hatte das Tabellenschlusslicht bekannt gegeben, dass ein "konstruktives Gespräch über ein mögliches Engagement" mit Rangnick stattgefunden habe. Anwesend waren laut Bild Rangnicks Berater Marc Kosicke, dazu von Schalker Seite Aufsichtsratschef Jens Buchta, dessen Vize Peter Lange und Finanz-Vorständin Christina Rühl-Hamers. Es soll mehrere Stunden gedauert haben.
"Wir sind von Ralf Rangnicks Absage und insbesondere der Kurzfristigkeit überrascht. Das erste Gespräch mit seinem Management am vergangenen Donnerstag war sehr konstruktiv und inhaltlich wertvoll", sagte Schalkes Aufsichtsratschef Jens Buchta in einer offiziellen Stellungnahme. Bei Sky berichtete er, dass er beim Tanken am Samstagvormittag von der Nachricht der Absage Rangnicks überrascht worden.
Man habe, so Buchta, "sehr transparent" die wirtschaftlichen Möglichkeiten für die 2. Liga mit einem Personaletat von rund 20 Millionen Euro erläutert, "es wurde an keiner Stelle erwähnt, dass dieses Budget für Rangnick nicht ausreichend wäre".
Rangnick und Schalke: Keine Einigung bei Transfers und Zweitligaetat?
Laut Bild sollen beide Partien vor allem in zwei Fragen nicht übereingekommen sein: Demnach habe Rangnick den Wiederaufstieg mit einer extrem jungen Mannschaft schaffen wollen und sei mit der Verpflichtung von Danny Latza (32) nicht einverstanden gewesen.
Zudem habe Kosicke in den Gesprächen einen Zweitliga-Etat von rund 38 Millionen Euro anvisiert. Rühl-Hamers konterte dagegen mit einem Etat, der sich nur bei 20 Millionen Euro bewegen würde, sollte Schalke Großverdiener wie Salif Sane oder Amine Harit nicht verkaufen können. Auf ein angebliches Angebot der Pro-Rangnick-Gruppe, weitere Sponsorengelder in Höhe von zehn Millionen Euro aufzutreiben, habe Buchta nicht reagiert.
Aber auch unabhängig von der Personalie Rangnick sei er zuversichtlich, dass Schalke zeitnah einen neuen Verantwortlichen präsentieren könne. "Wir laufen nicht kopflos durch die Gegend", sagte Buchta gegenüber Sky auf die Frage, ob er einen Plan B in der Tasche habe.
Rangnick: "Schalke für mich eine Herzensangelegenheit"
Rangnick hatte in seinem Statement seine Verbundenheit mit Traditionsklub aus dem Revier unterstrichen. "Schalke 04 ist für mich eine Herzensangelegenheit. Die überwältigend positiven Reaktionen der königsblauen Gemeinde auf meine mögliche Rückkehr haben mich zutiefst beeindruckt und in meinen Gefühlen für diesen ganz besonderen Verein bestätigt", betonte Rangnick in dem Statement.
Er wünsche allen Mitgliedern und Anhängern des Vereins, "dass es ihnen gelingt, sämtliche Kräfte zu bündeln, um Schalke 04 auf und außerhalb des Platzes wieder zu einer Einheit zu machen und nach oben zu führen".
Ralf Rangnick: Lieber Bundestrainer statt Schalke-Retter?
Zuletzt war Rangnick, der schon bei der TSG Hoffenheim und RB Leipzig als sportlicher Leiter erstklassige Aufbauarbeit geleistet hatte, auch als Kandidat für die Nachfolge von Löw gehandelt worden. Der 61-Jährige wird seine Tätigkeit beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) nach der EURO in diesem Sommer beenden.
S04 benötigt für den Neuaufbau und die voraussichtliche Mission Wiederaufstieg auf jeden Fall zusätzliches Geld. Dies war von einer Interessensgruppe aus Sport, Wirtschaft und Politik offenbar in Aussicht gestellt worden. Rangnick sollte die Führungsfigur sein - nun geht die Suche nach einem sportlich Verantwortlichen wieder von vorne los.
Ralf Rangnick sagt Schalke ab: Das Statement im Wortlaut
Schalke 04 ist für mich eine Herzensangelegenheit. Die überwältigend positiven Reaktionen der königsblauen Gemeinde auf meine mögliche Rückkehr haben mich zutiefst beeindruckt und in meinen Gefühlen für diesen ganz besonderen Verein bestätigt. Ich hätte mich gerne eingebracht, um Schalke auf dem schwierigen Weg zurück zu alter Stärke zu helfen. Leider sehe ich mich aufgrund der zahlreichen Unwägbarkeiten innerhalb des Vereins derzeit nicht in der Lage, die sportliche Verantwortung bei S04 zu übernehmen. Ich wünsche allen Mitgliedern und Anhängern des Vereins, dass es ihnen gelingt, sämtliche Kräfte zu bündeln, um Schalke 04 auf und außerhalb des Platzes wieder zu einer Einheit zu machen und nach oben zu führen.