Der Traum ist ausgeträumt, die Champions-League-Hymne wird kommende Saison aller Voraussicht nach nicht im Waldstadion ertönen. Dabei hätten Eintracht Frankfurts Aussichten auf die erste Teilnahme am bedeutendsten Wettbewerb im Vereinsfußball vor einem Monat kaum rosiger sein können: Erst baute der zu diesem Zeitpunkt Vierte der Bundesliga mit dem 2:1 bei Borussia Dortmund seinen Vorsprung auf sieben Zähler aus, dann bezwang er sogar noch den VfL Wolfsburg mit 4:3.
Doch diese Big Points gegen die direkte Konkurrenz um die Königsklasse waren zu wenig, weil die Eintracht danach in ein tiefes Leistungsloch fiel und so leichtfertig die historische Chance auf die erste Champions-League-Teilnahme wegwarf. Der mittlerweile selbst für die Mannschaft um Routinier Sebastian Rode nicht mehr weg zu diskutierende Auslöser dafür: der von vorne bis hinten maximal unglücklich kommunizierte Abschied von Trainer Adi "Ich bleibe" Hütter zu Borussia Mönchengladbach.
Sicher, spätestens nach der blamablen 3:4-Pleite bei den längst abgestiegenen Schalkern sind auch die Spieler nicht mehr von Schuld freizusprechen. Ehrgeiz, Konzentration, Spielkultur - all das fehlte bei der blutleeren Vorstellung am Samstag mehr denn je.
Adi Hütter bei Eintracht Frankfurt: Öl-ins-Feuer-Gießer
Den Stein ins Rollen brachte trotzdem Hütter, der sich emotional schon am 13. April von dem Projekt Eintracht Frankfurt zu verabschieden schien, als die Gladbacher seine Verpflichtung zur neuen Saison verkündeten. Nachdem einen Tag später auch noch Sportvorstand Fredi Bobic seinen Abschied zu Hertha BSC verkündet hatte, war die Mannschaft nicht mehr wiederzuerkennen.
Die SGE gewann nur noch eines der darauffolgenden fünf Spiele, während Verfolger Dortmund von Sieg zu Sieg eilte. Für Hütter und Bobic war das aber alles nicht schlimm. Gerade der Trainer schlüpfte lieber in die Rolle des Öl-ins-Feuer-Gießers anstatt des Jetzt-erst-recht-Denkers.
"Schönes, tolles Stadion - gleich schön wie das Frankfurter Stadion. Die Farben verändern sich, der Verein verändert sich", flachste der Österreicher unmittelbar nach der 0:4-Pleite bei seinem neuen Arbeitgeber in Mönchengladbach. Eine von vielen seltsamen Aussagen, die unnötige Unruhe in das ohnehin schon zu Genüge verärgerte Umfeld brachten. Selbstkritik? Fehlanzeige.
Auf die Spitze trieb es Hütter nach dem 1:1 gegen Mainz 05 am vergangenen Wochenende, als er jede Schuld von sich wies und meinte, die Konkurrenz sei nun einmal stark und man könne ja auch ganz gut mit Platz fünf leben. Ähnlich äußerte sich auch Bobic nach dem unrühmlichen Schalke-Spiel. "Ganz ehrlich, das ist ein souveräner Europa-League-Einzug", sagte er.
Für die SGE wäre mehr als Europa League möglich gewesen
Klar, Europa League, wieder Flutlicht und vielleicht auch wieder schöne Choreos, es geht natürlich schlechter. Doch was bleibt, ist das Gefühl, dass mehr möglich gewesen wäre. Viel mehr. Historisches.
Um das als Einheit zu erreichen, schaltete sich zuletzt sogar die Corona-bedingt ferngehaltene Anhängerschaft ein und schrieb fleißig motivierende Postkarten an die Mannschaft. Die Champions League war ihr großer Traum. Wer sich also jetzt, unmittelbar nach dieser herben Enttäuschung mit dem Verspielen von sieben Punkten Vorsprung, lieber für Platz fünf auf die Schulter klopft, hat Eintracht Frankfurt nicht verstanden.
Das soll keineswegs heißen, dass Adi Hütter und Fredi Bobic in den vergangenen Jahren schlechte Arbeit geleistet haben. Im Gegenteil. Doch sie haben ihre Mission nicht professionell abgeschlossen. Das teils rigorose Durchboxen persönlicher Befindlichkeiten mitten in der heißen Saisonphase stand für sie über dem Wohl von Eintracht Frankfurt. Und das ist der Eindruck, der bleibt.