Markus Rejek von Arminia Bielefeld im Interview: "Deshalb war 1860 München für mich reizvoller als Bayern"

Markus Rejek im Januar 2014 bei seiner Vorstellung als Geschäftsführer von 1860 München.
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Es dauerte über ein Jahr, ehe Sie sich im Oktober 2017 der Arminia anschlossen, erneut als kaufmännischer Geschäftsführer. Was taten Sie in der Zwischenzeit?

Rejek: Ich hatte mich als Berater selbständig gemacht und mit meiner Sichtweise auf den Sport sowie meinen Erfahrungen ein Netzwerk gegründet, um verschiedene Beratungstätigkeiten für Vereine, Unternehmen und Verbände anzubieten. Das lief ordentlich an, aber die Quintessenz war: Ich bin nicht dafür gemacht, allein zu arbeiten. Ich brauche ein Team und führe auch zu gerne ein Team.

Auch in Bielefeld mussten Sie vom Fleck weg extreme Situationen meistern. Der Verein war zu Ihrem Dienstantritt wirtschaftlich am Boden und konnte nur durch das sogenannte "Bündnis Ostwestfalen" und weitere regionale Hilfe innerhalb eines Jahres fast 30 Millionen Euro an Verbindlichkeiten abbauen. Dazu drohte der Sturz in die 3. Liga. Welche Aussagekraft hat es im heutigen sportlichen Wettbewerb, dass der DSC nun das zweite Jahr in der Bundesliga spielt?

Rejek: Was Arminia Bielefeld in den beiden vergangenen Jahren widerfahren ist, grenzt tatsächlich an ein Märchen oder ein kleines Fußballwunder.

Inwiefern?

Rejek: In diesem System, das sich in den letzten 15, 20 Jahren aufgebaut hat, ist es als normaler Zweitligist nahezu unmöglich, länger als ein Jahr in der Bundesliga zu überleben. Ein zweites oder gar drittes Jahr, wie es derzeit Union Berlin vormacht, ist mehr als außergewöhnlich. Das funktioniert in meinen Augen nur mit einem unfassbar großen Risiko oder in einem Konstrukt wie bei Leipzig. Das System lässt es eigentlich nicht mehr zu.

Wie krank ist dieses System, wenn Geschichten wie die der Arminia innerhalb derselben Liga auf andere Konstrukte wie die Werksklubs Leverkusen und Wolfsburg oder die alimentierten Vereine Hoffenheim und Leipzig treffen, die wohl niemals um die Existenz bangen müssen?

Rejek: Es ist kein ehrliches System und es verhindert den ursprünglichen Gedanken vom sportlichen Wettbewerb. Natürlich ist es ein anderes Arbeiten, wenn du mit den Mitteln von Arminia wirtschaftest, als bei einem Konstrukt, bei dem ein Konzern dahintersteht und Gewinne wie Verluste gleichermaßen ausgeglichen werden.

Rejek über Arminia: "Möbel teilweise zusammengeschnorrt"

Welche Rolle kann ein Verein wie Bielefeld innerhalb dieser Gemengelage spielen?

Rejek: Auch um nicht irgendwann die Sinnfrage zu stellen, ist es wirklich wichtig, dass wir auf uns schauen und uns nicht mit anderen vergleichen. Wir sind so glücklich darüber, nach den vielen Jahren des Notstands und der elf Jahre andauernden Finanzkrise nun etwas gestalten zu können. Wir können uns weiterhin nicht alles leisten. Bei uns auf der Geschäftsstelle sind die Möbel teilweise noch zusammengeschnorrt. Das sieht nicht aus wie bei Schöner Wohnen, aber es macht gerade einfach irre Spaß, Teil der Geschichte zu sein und nach vorne zu arbeiten.

Was ist Ihnen dabei für den Verein wichtig?

Rejek: Ich möchte nicht sagen, dass wir alle Fußballromantiker sind. Für uns ist der Begriff Fußballkultur aber ganz entscheidend. Das manifestiert sich zum Beispiel am Stadion, das noch eines der wenigen ist, das mitten in der Stadt liegt. Es ist über die Jahre gewachsen und hat deshalb so viel Charme. Wir haben in unserer Region die Aufgabe, der emotionale Motor und Identitätsanker zu sein. Bei uns darf man auch mal tanzen und schreien. Diese Verantwortung müssen wir auch in Zukunft sicherstellen. Wir dürfen kein Kunstkonstrukt, sondern müssen der Verein der Ostwestfalen sein. Für Arminia muss immer der Mensch wichtiger sein als der Kommerz. Das ist für uns ein entscheidender Faktor unserer Fußballkultur.

Und in der Bundesliga spielen?

Rejek: Das Leben von Arminia Bielefeld und unser Glück hängen nicht davon ab, ob wir in der Bundesliga oder 2. Liga spielen. Wir wünschen es uns und wir werden alles dafür tun, dieses System zu knacken, um auf den Zug aufzuspringen, in dem Mainz, Augsburg oder Freiburg seit Jahren erfolgreich sitzen. Normalerweise ist das nicht mehr möglich. Vielleicht ergibt sich durch die besonderen Umstände der Pandemie eine winzige Chance.

Bilden bei Arminia Bielefeld ein erfolgreiches Duo: Markus Rejek und Geschäftsführer Sport Samir Arabi.
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Bilden bei Arminia Bielefeld ein erfolgreiches Duo: Markus Rejek und Geschäftsführer Sport Samir Arabi.

Zusammen mit Mainz, Stuttgart und Jahn Regensburg erstellte die Arminia im Oktober 2020 ein sogenanntes Impulspapier, um im Rahmen der künftigen Verteilung der TV-Gelder bis 2025 Diskussionen anzustoßen, die sich um die Zukunftsfähigkeit des Profifußballs drehen. Ist die Bundesliga für Sie langweilig geworden?

Rejek: Oben an der Spitze finde ich sie sehr langweilig, das ist sicherlich eine der langweiligsten Situationen im europäischen Vergleich. Für uns ganz unten ist es wie auch in der 2. Liga gewiss nicht langweilig. Es geht dabei aber nicht um uns, sondern um das Gesamtgefüge. Die sogenannte Champions-League-Reform zeigt doch die Problematik gut auf.

Weil?

Rejek: Ich glaube, aus Fan-Sicht ist die Reform alles andere als der Schritt in die richtige Richtung. Durch die Diskussion um die Super League wurde sie aber komplett in den Hintergrund gerückt. Man hat fast den Eindruck, die Champions League sei zum Traditionscup mutiert. Wie verrückt ist das denn? Am Ende folgt diese Neuerung lediglich den rein ökonomischen Interessen. Die Schere zwischen den Vereinen wird noch weiter auseinandergehen. Deshalb werden von uns nicht nur Impulspapiere kommen, sondern wir werden weiterhin als Verein eine Haltung vertreten und das Thema Fußballkultur in den Mittelpunkt stellen.

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