BVB-Legende Jürgen Kohler hat nach dem bitteren Champions-League-Aus Kritik an der Kaderzusammenstellung der Borussia geübt. Es fehle an Anführern, sei aber zu einfach, hierbei nur Kapitän Marco Reus in die Pflicht zu nehmen. "Wo ist denn Mats Hummels?", sagte der 105-fache Nationalspieler bei SPOX und GOAL.
Um die hohen Ziele des Klubs inklusive Titeln zu erreichen, sei es zu wenig, nur auf Youngster zu setzen. Mit Haaland gebe es "eben nur einen Unterschieds-Spieler - und das wird auf lange Sicht eng". Bei einem Verein wie dem direkten Konkurrenten FC Bayern sei dies anders. "Ich glaube, man tut gut daran, wenn man in Dortmund die jungen Spieler heranzieht, aber ein paar wichtige Spieler auch mal bleiben."
Kohler hält es für verfrüht, bereits eine Diskussion um Trainer Marco Rose zu starten, der erst im Sommer zur Borussia stieß und somit Edin Terzic ablöste, der mit den Schwarzgelben den DFB-Pokal gewann. "Das war kein Hexenwerk. Dortmund hat im Schlussspurt vom Können, aber auch von den wackligen Knien der Konkurrenz profitiert", meint der Weltmeister, Champions-League-Sieger und dreimalige deutsche Meister.
Jürgen Kohler über ...
... die Niederlage in Lissabon: "Ich denke, das Spiel war es nicht wert, dass man es sich 90 Minuten lang anschaut. Mit den ersten Situationen kippt das gesamte Spiel. Und für einen Verein wie den BVB ist das schon schwierig, denn in der Europa League musst du weit kommen, um das Ausscheiden wirtschaftlich ausgleichen zu können."
... die Zusammenstellung des Kaders: "In Dortmund musst du dir bewusst sein, dass du permanent um Titel spielen musst. Das reicht so aber nicht. Es reden viele immer von Systemfragen und taktischen Maßnahmen, aber am Ende des Tages entscheiden die Spieler das Spiel. Je mehr Extraklasse die haben, desto weiter wirst du kommen. Davon brauchst du mehrere und das hat Dortmund nicht. Bayern hat Neuer und Lewandowski, kurz dahinter stehen Kimmich, Gnabry und Coman, die alle den Unterschied machen können."
... die vielen Top-Talente im Kader: "Die jungen Spieler bringen ihnen aber nichts, wenn sie keine Titel gewinnen. Ich glaube, man tut gut daran, wenn man in Dortmund die jungen Spieler heranzieht, aber ein paar wichtige Spieler auch mal bleiben. Die Bayern haben das geschafft, ihre wichtigsten Akteure zu halten und dazu noch hochbegabte Spieler dazu zu holen. Dortmund ist ein Topklub und das muss man wissen, wenn man dahin geht."
BVB: Kohler wünscht sich "Spieler, die sich selbst hinterfragen"
... Abgänge von Leistungsträgern: "Die Spieler schauen alle, dass sie ihre Schäfchen im Trockenen haben. Am Ende des Tages bin ich damals auch wegen des Geldes von Bayern nach Turin gewechselt - nicht, weil Turin so schön war. Das habe ich später schätzen lernen dürfen und habe mich dort wohl gefühlt."
... fehlende Mentalität: "Ich glaube, da wird man manchmal den Spielern nicht gerecht. Wenn ein Fußballer auf den Platz geht, will er gewinnen. Ich verstehe dann nur manchmal nicht, wenn Spieler abseits des Feldes negativ auffallen. Denn Ausnahmespieler wissen, dass sie durch ihre Leistung ihren Teil zum gesamten Unternehmen beitragen können. Das Thema hatten wir beispielsweise 2018, als bei der Nationalmannschaft der Friseur eingeflogen wurde. Das ist für mich eine Unart."
... die Rolle von Marco Reus: "Mir ist das immer zu einfach, Marco Reus in den Mittelpunkt zu stellen. Wo ist denn Mats Hummels? Klar, er war gesperrt - aber war er in den letzten drei Jahren immer dieser Unterschieds-Spieler, den man gebraucht hätte? Ich glaube nicht. Witsel ist auch ein erfahrener Spieler, der für eines der besten europäischen Nationalteams spielt. Aber in den engen Spielen waren sie alle nicht da - und bei 'eng' spreche ich nicht vom DFB-Pokal. Dortmund hat zu wenige Häuptlinge. Die meinen alle, sie wären welche, sind es aber nicht."
... den Wechsel von Edin Terzic zu Marco Rose: "Edin Terzic hat den DFB-Pokal gewonnen und sich im letzten Spiel der vergangenen Saison für die Champions League qualifiziert. Das war kein Hexenwerk. Dortmund hat im Schlussspurt vom Können, aber auch von den wackligen Knien der Konkurrenz profitiert. Jeder Trainer muss bei Dortmund das Ziel haben, mindestens in die Champions League zu kommen. Man ist gut beraten, wenn man Marco Rose erst einmal in Ruhe arbeiten lässt. Hingegen würde ich mir in Dortmund Spieler wünschen, die sich selbst hinterfragen, ob sie auf und neben dem Platz immer das Richtige machen. Wir brauchen die jungen Trainer, die haben eine gewisse Qualität. Aber die Erfahrung fehlt ihnen."