Bayer Leverkusen: Tempo und direktes Spiel nach vorn
Gerade Wirtz ist zwischen den Linien des Gegners sehr umtriebig, zieht immer wieder Räume für Schick oder Diaby frei und ist damit vielleicht der Dreh- und Angelpunkt in der Offensive. Leverkusen gelingt es häufiger als jedem anderen Bundesligisten, die Schnittstellen zu finden. 33 Schnittstellenpässe hinter die gegnerische Abwehrkette sind Bestwert. Nur Bayern (32) kann da mithalten. Wirtz ist mit neun solcher Pässe der beste Spieler in der Bundesliga.
Seoane fordert mit und gegen den Ball Laufbereitschaft und Intensität ein, alles wird mit hohem Tempo durchgeführt. "Oft reichten wenige hochintensive, gut aufeinander abgestimmte Aktionen, um den Gegner zu einem langen Ball oder Fehlpass zu verleiten", sagt Schmidt über die Philosophie des Trainers.
Das bedeutet aber nicht, dass sie immer hoch pressen. Leverkusen lässt sich häufig in eine tiefere Defensivformation zurückfallen. Sie setzen den Gegner im Schnitt nur 26,1-mal pro Spiel im Angriffsdrittel unter Druck - nur Hertha BSC kommt auf einen geringeren Wert.
Leverkusen bereitet seine Konter klug vor
Nach Ballverlusten presst Leverkusen hingegen stets aggressiv und hoch. Wird der Ball nicht innerhalb von wenigen Sekunden gewonnen, geht es aber darum, sich hinten schnell zu sortieren. Das führt immer wieder zu längeren Spielphasen, in denen Leverkusen mit zwei tiefen Viererketten in der eigenen Hälfte verteidigt.
53,6-mal setzen sie ihre Gegner pro Spiel nämlich im eigenen Defensivdrittel unter Druck. Das ist Platz 3 in der Bundesliga und für ein Top-Team durchaus ein ungewöhnlicher Wert. Die Idee dahinter ist klar: Leverkusen hatte in den vergangenen Jahren immer wieder Probleme, die Offensivpower auch nach hinten auszubalancieren. Darüber hinaus kann die schnelle rechte Seite, zu der nicht nur Diaby, sondern auch Außenverteidiger Jeremie Frimpong zählt, den aufgerückten Gegner nach Ballgewinnen überrennen.
Auch Schmidt ist das aufgefallen: "Den Aspekt der Kontervorbereitung scheint Seoane in Leverkusen noch stärker in den Vordergrund zu rücken." Gleichzeitig wurde ihnen die mitunter tiefe Ausrichtung aber schon mehrfach zum Verhängnis. Gegen den Ball hat Leverkusen wohl noch am meisten Luft nach oben. Tiefes Verteidigen lädt dazu ein, passiv zu werden. Lange Phasen am eigenen Strafraum erhöhen indes die Wahrscheinlichkeit, Fehler zu machen, die vom Gegner aufgrund der Nähe zum Tor sofort bestraft werden können.
Probleme im Defensivbereich
Schmidt war auch beim FC St. Gallen für die Analyse zuständig. Schwächen in Seoanes Ausrichtung hat er vor allem dann ausgemacht, wenn der Gegner ebenfalls mit viel Aufwand agiert. "Vor allem bei Heimspielen zwangen wir sie oft aus ihrer Komfortzone, indem wir selbst einen höchst intensiven Spielstil pflegten", sagt der 27-Jährige: "Im Vergleich zu anderen Begegnungen konnten sie das Geschehen nicht mehr so kontrollieren wie gewünscht."
Die Folge sei eine Aneinanderreihung von Umschaltmomenten und Chancen auf beiden Seiten gewesen. Schmidt beobachtet diese Tendenz gerade auch in Leverkusen: "Die Bundesliga ist eben noch stärker auf Umschaltsituationen fokussiert als die Schweizer Super League."
32 Gegentore sind jedenfalls jetzt schon zu viel. Auch weil sich diese bei Leverkusen nicht gut verteilen. Obwohl beide Klubs ein ähnliches Torverhältnis aufweisen, trennen den BVB und Leverkusen acht Punkte. Konstanz wird dementsprechend ein großes Thema bleiben.
Seoane tüftelt weiter am Mittelfeld
Die Seoane-Elf lebt aktuell noch sehr von Spielsituationen, in denen sie ihren Gegner mit viel Raum attackieren und ihr Tempo ausspielen können. In längeren Ballbesitzphasen hingegen sind sie vor allem im Zentrum oftmals zu behäbig. Im Mittelfeld ist man sehr abhängig von Kerem Demirbays Ideen.
Der 28-Jährige spielt die mit Abstand meisten Seitenverlagerungen pro 90 Minuten (5,39) und ist auch bei den Vertikalpässen (5,79) und den Pässen ins Angriffsdrittel (5,53) der mit Abstand beste Leverkusener, weshalb er auch meist gesetzt ist. Darüber hinaus rotiert Seoane aber viel. Seine Wunschkonstellation scheint er noch nicht gefunden zu haben.
Spieler wie Charles Aranguiz, Exequiel Palacios oder auch Robert Andrich haben nicht nur geringere Werte, sondern verschleppen das Tempo auch zu oft. Demirbay wiederum fehlt es an Präzision. Seine Passquote von 75 Prozent ist nur unterdurchschnittlich. Leverkusen fehlt somit ein Spieler, der das Mittelfeld ausbalancieren und den Takt vorgeben kann.
BVB gegen Leverkusen: Weiteres Torfestival?
An guten Tagen ist Leverkusen trotzdem auf Augenhöhe mit dem BVB, vielleicht sogar einen Tick besser. Denn Dortmund gelang es trotz der hohen Punktzahl seltener, wirklich begeisternden Fußball darzubieten. Und doch spricht die Tabelle eine klare Sprache.
Zumindest gegen die Schwarz-Gelben dürfte es wohl keine Probleme mit statischen Situationen geben. Im Hinspiel hatte der BVB rund 58 Prozent Ballbesitz. Das bedeutet, dass Leverkusen sich auf das konzentrieren kann, was es so stark macht: offensiv und defensiv umschalten.
Nur die Defensive muss B04 im Vergleich zu damals neu justieren, wenn es diesmal erfolgreich sein will. Wobei wilde Duelle wie die damalige 3:4-Niederlage fast schon zum Markenzeichen der Leverkusener geworden sind. Eines ist jedenfalls sicher: Ein weiteres Sieben-Tore-Spektakel würde die Bundesliga gerne sehen.
Bundesliga: Die obere Tabellenhälfte
Platz | Team | Sp. | Tore | Diff | Pkt. |
1. | Bayern München | 20 | 65:19 | 46 | 49 |
2. | Borussia Dortmund | 20 | 52:31 | 21 | 43 |
3. | Bayer Leverkusen | 20 | 49:32 | 17 | 35 |
4. | Union Berlin | 20 | 29:25 | 4 | 34 |
5. | Freiburg | 20 | 33:23 | 10 | 33 |
6. | RB Leipzig | 20 | 38:23 | 15 | 31 |
7. | Hoffenheim | 20 | 41:32 | 9 | 31 |
8. | Köln | 20 | 32:34 | -2 | 29 |
9. | Eintracht Frankfurt | 20 | 30:30 | 0 | 28 |