Hertha BSC: Riesen-Zoff um die geplatzte Hertha-Dokumentation

Von SPOX
Lars Windhorst (r.) hat mit seiner Tennor Group rund 375 Millionen Euro in Hertha BSC investiert
© getty

Wie andere große Klubs wollte auch Hertha BSC mit einer Dokumentation Einblicke in den Klub gewähren. Nur wird daraus jetzt nichts mehr, weil Lars Windhorst das Projekt einstampfen ließ. Der Investor erhebt schwere Vorwürfe gegen das Produktionsteam - und das wehrt sich nun seinerseits.

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Die Bayern haben es gemacht, Manchester City oder Paris St.-Germain auch. Über Borussia Dortmund und den 1. FC Köln gibt es ebenfalls eine Dokumentation - warum also nicht auch über Hertha BSC? Das dachten sich offenbar auch die Verantwortlichen der Berliner und gaben 2020 eine entsprechende Arbeit in Auftrag. Genauer gesagt war es die Tennor Group von Investor Lars Windhorst, die das finanzielle Budget zur Verfügung stellte - und die Dokumentation inzwischen aber selbst wieder eingestampft hat.

Knapp zwei Jahre nach dem Start ist das Projekt gestorben und die Beweggründe des abrupten Stopps führen nun hinter den Kulissen bei der Hertha zu massiven Verwerfungen: Zwischen der Tennor Group auf der einen und den extra dafür engagierten Produzenten der Dokumentation auf der anderen Seite.

"Ehrabschneidende und herablassende Weise"

"Die Idee war, für einen Streaming-Dienst die Entwicklung von Hertha BSC vor dem Hintergrund des Investoren-Engagements zu dokumentieren. Wir wollten helfen, die Marke Hertha auch international bekannter und interessant zu machen", erklärte Tennor-Sprecher Andreas Fritzenkötter über die Beweggründe in der Sport Bild. Rund eine Million Euro habe Windhorst in das Projekt gesteckt - die für den Herbst 2021 geplante Veröffentlichung dann aber untersagt. Die Dokumentation soll nun eingestampft werden und nie erscheinen.

"Wir haben das Projekt gestoppt, weil es weder den abgesprochenen Vorstellungen noch professionellen Ansprüchen entsprach. Es war ungeeignet für eine Veröffentlichung", erklärt Fritzenkötter und belegt das mit einem Beispiel. "In dem Video-Material äußert sich ein hochrangiges Mitglied der Hertha-Geschäftsleitung vor laufender Kamera in ehrabschneidender und herablassender Weise über Herrn Windhorst als Investor. Für so eine Dokumentation absolut unbrauchbar, wie etliche andere Passagen auch. Am Ende wäre der Bearbeitungsaufwand zu hoch gewesen und hätte zusätzliche Kosten verursacht."

Lars Windhorst (r.) hat mit seiner Tennor Group rund 375 Millionen Euro in Hertha BSC investiert
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Lars Windhorst (r.) hat mit seiner Tennor Group rund 375 Millionen Euro in Hertha BSC investiert

Axel Kruse schießt zurück

Das wiederum bringt die ausführenden Produzenten auf die Palme. Die Produktionsfirma Pulse Films mit Regisseur Lee Hicken und Oscar-Gewinner James Marsh hatte sich der Sache angenommen, Hicken hatte schon mit einer Dokumentation über Leeds United einen weltweit beachteten Erfolg gefeiert. Dazu kam mit Axel Kruse ein ehemaliger Hertha-Spieler, der mit seiner Firma farbfilm media auch schon bei der Doku über Eintracht Frankfurts Reise durch den Europapokal 2020 mitgewirkt hatte.

"Ich bin maßlos enttäuscht, dass dieses Material, das mit so viel Herzblut produziert wurde, nicht erscheint", so Kruse zur Sport Bild. "Hertha hat uns alle Türen geöffnet. Wir haben von allen Beteiligten Offenheit und Authentizität gefordert. Offensichtlich war das im Nachhinein ein Problem, dass der eine oder andere zu ehrlich war. Vielleicht hat man Angst davor, dass dann die Wahrheit über den Transfer-Sommer 2020 heraus kommt."

Kruse spielt damit auf Mitschnitte aus Sitzungen der Gremien an, in denen es immer wieder um ausbleibende Zahlungen des Investors ging - die dann wiederum keinen Spielraum zur Verpflichtung zusätzlicher Spieler zuließen. Das will die Tennor-Seite so aber nicht stehen lassen. "Das ist absoluter Unsinn, da zu der Zeit die Zahlungsverzögerungen der Öffentlichkeit längst bekannt waren. Am Ende wurde alles bezahlt, warum sollte da etwas verschleiert werden?"

Spieler mussten wohl Märchen vorführen

Über 300 Stunden Filmmaterial sollen zusammengekommen sein - inklusive "Trainer-Wechsel (Bruno Labbadia, Pal Dardai), der Beurlaubung von Manager Michael Preetz und Einblicke in die komplette Arbeit der Geschäftsstelle", erzählt Kruse weiter. "Alle haben die Hosen runtergelassen."

Sogar am Deadline-Day sei man live dabei gewesen. "Wir haben zwölf Stunden mit der Kamera direkt neben den Geschäftsführern Michael Preetz und Ingo Schiller, den Profis und deren Beratern verbracht. Wir haben Transfers, die in letzter Sekunde getätigt wurden oder platzten. Wir saßen direkt im Maschinenraum", so Kruse.

Unter den Aufnahmen soll auch eine Teambuilding-Maßnahme von Ex-Coach Dardai gewesen sein. Dieser hatte den Spielern angewiesen, ein Märchen vorzuführen. "Ich lag lachend am Boden", erzählt Kruse. Das Highlight: Matteo Guendouzi sprang offenbar vor laufender Kamera als Rotkäppchen mit String-Tanga herum.

Grundsätzlich bedauert Kruse die Entscheidung, die Dokumentation abtzusetzen, aber sehr: "Das Material ist gigantisch und wäre Herthas Image und Fans Gold wert."

Kruse: "Eine bodenlose Frechheit"

Dass es aber rein künstlerische Aspekte gewesen sein sollen, die zum Stopp des Großprojekts geführt hätten, mag wiederum Kruse nicht glauben. "Ich empfinde es als eine bodenlose Frechheit über die Arbeit von Regisseur Lee Hicken so zu reden, der nachgewiesen hat, was er drauf hat. Das Können und Material von Lee Hicken ist grandios. Die Doku zu stoppen ist ein Eigentor."

Für Hicken sei der Stopp der Doku "ein Mysterium", wie er sagt. Auch Lars Windhorst hätten er und seine Crew trotz mehrfacher Interview-Anfragen nie zu Gesicht bekommen. "So etwas habe ich in meiner Karriere noch nie erlebt. Ich fühle, dass diese Doku sogar besser als die von Leeds United hätte werden können - weil wir eindeutig neue Standards gesetzt haben." Nur wird diese neuen Standards die Öffentlichkeit nie zu sehen bekommen ...

Das sind allerdings nicht die einzigen Querelen im Hintergrund bei der Hertha. Auch zwischen Tennor und der Hertha-Vereinsspitze rumort es. "Im Mai ist die nächste Mitgliederversammlung. Da wird sicher etwas passieren müssen", sagte Fritzenkötter der DPA. Allerdings gab der Sprecher auch sein Unverständnis ob dieser Querelen zu Protokoll: "Wir haben nicht gedacht und waren überrascht, dass Hertha nach unserem Einstieg so die Türen zuschlägt."

Hertha-Präsidium antwortet: "Grenze überschritten"

Das Hertha-Präsidium antwortete am Mittwochabend auf die Aussagen. "Wir, die durch die Mitglieder gewählten Vertreter von Hertha BSC, haben mit großer Verwunderung die von einem Sprecher der Tennor Holding getätigten Äußerungen zur Kenntnis genommen. Zum einen halten wir diesen Weg über die Öffentlichkeit für nicht zielführend. Zum anderen wurden zum wiederholten Male unspezifische Vorwürfe und Unterstellungen getätigt. Diese beschädigen nicht nur das Ansehen von Hertha BSC, sondern auch das Investment seitens der Tennor Holding", heißt es in der Mitteilung,

Mit der von Fritzenkötter getätigten Aussage, auf der Mitgliederversammlung werde "sicher etwas passieren müssen", sei "eine Grenze in Bezug auf die Autonomie des höchsten Vereinsgremiums überschritten worden. Wir appellieren nochmals im gemeinsamen Interesse von Hertha BSC, unterschiedliche Ansichten zukünftig intern anzusprechen und zu diskutieren."

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