CONTRA: Es hätte viel mehr solcher Spiele geben müssen
Von Filippo Cataldo
In der Tat: Ein fast schon glückliches Unentschieden gegen einen Abstiegskandidaten am Tag der Meisterschalenübergabe ist nicht gerade das, was Karl-Heinz Rummenigge, Erfinder zahlreicher Wortneuschöpfungen und ehemaliger Vorstandschef des FC Bayern München, als bayern-like definieren würde.
Doch das 2:2 am Sonntag gegen einen VfB Stuttgart, der rein von der Qualität der Spieler und ihres Spiels eigentlich ohnehin nichts im Abstiegskampf verloren haben dürfte, entsprach ziemlich genau dem, was der FC Bayern derzeit zu leisten imstande ist.
Die spielerischen Leistungen der Bayern waren in der Rückrunde nur selten wirklich bayern-like. In einer funktionierenden Liga mit Rivalen, die diese Bezeichnung auch verdienen, wären die Bayern in der Rückrunde nie auf 33 Punkte in bisher 16 Spielen gekommen. Der VfB Stuttgart deckte in den unterhaltsamen 90 Minuten schlicht die Probleme der Mannschaft von Trainer Julian Nagelsmann auf:
- Die Bayern lassen zu viele Torschüsse zu, 15 waren es gegen den VfB, 22 sogar in der vergangenen Woche beim 1:3 beim 1. FSV Mainz 05.
- Das Gegenpressing der Münchner ist nicht aggressiv und konsequent genug, was wiederum immer wieder die Innenverteidiger in Kalamitäten bringt. "Unser Gegenpressing ist das, was mir mehr Sorgen bereitet. Das müssen wir besser in den Griff kriegen", sagte ja auch Nagelsmann am Sonntag.
- Nagelsmann fremdelt weiter mit der im Klubumfeld und dem Vernehmen nach auch innerhalb der Mannschaft präferierten Viererkette; nach dem 2:2 nannte er jedenfalls wieder Argumente für eine Dreierkette. Da sei "die Restverteidigung klarer" und man habe trotzdem hoch stehende Außenverteidiger. Ohne funktionierende Restverteidigung "musst du entweder sehr ballsicher sein oder extrem schnell ballseitig verschieben mit dem anderen Außenverteidiger. Oder, und das ist der Schlüssel, das Gegenpressing muss halt gnadenlos gut sein mit sehr viel Power. Wenn dieses Zusammenspiel nicht funktioniert, ist es in letzter Instanz die Kette, die nicht gut aussieht", sagte Nagelsmann. Bei Bayern funktioniert derzeit aber weder das schnelle Verschieben, noch das Gegenpressing.
- Gegen Stuttgart kam noch ein total überforderter Tanguy Nianzou hinzu, der sich eher für eine Ausleihe empfahl als für die Nachfolge des von den Bayernfans angemessen süffig verabschiedeten Niklas Süle.
FC Bayern und VfB Stuttgart können nichts für Bielelfeld- und Hertha-Pleiten
Das alles führte in Kombination mit dem erfreulich mutigen Ansatz der Stuttgarter im Abstiegskampf und einer trotz der beschriebenen Schwächen vor allem in der ersten Halbzeit dominanten Vorstellung der Bayern zu einem rasanten und höchst unterhaltsamen Fußballspiel, von dem es in der Bundesliga zu wenige gibt und über das man sich als Fußballfan eher freuen als ärgern sollte.
Dazu kommt: Den Bayern war selbst in den schwachen Phasen gegen Stuttgart anzumerken, dass sie eine Woche nach dem in der Tat indiskutablen 1:3 gegen Mainz und der reichlich populistischen Debatte um die Ibiza-Reise eines Teils der Mannschaft weitere Zweifel an ihrer Seriosität gar nicht erst aufkommen lassen wollten: Bis auf Nianzou hatte Nagelsmann die logischste und beste Startelf aufs Feld geschickt, die Münchner Druckphase nach dem 0:1 gehörte zu den besten in dieser Saison und Kingsley Coman wartete mit seiner Tätlichkeit gegen Konstantinos Mavropanos auch, bis das Spiel so gut wie vorbei war.
Natürlich hat das 2:2 den Stuttgartern im Abstiegskampf geholfen, doch mit Wettbewerbsverzerrung hätte das auch dann nichts zu tun gehabt, wenn Hertha BSC sein Spiel gegen Mainz und Arminia Bielefeld ihre Partie gegen den VfL Bochum gewonnen und nicht verloren hätten.
Sich einerseits über mangelnde Spannung und die Vorhersehbarkeit in der Liga zu ärgern und andererseits zu beschweren, wenn die Bayern nicht jedes Spiel gewinnen: das funktioniert nicht.