Es war der unrühmliche Höhepunkt einer enorm aufgeheizten Mitgliederversammlung, an deren Ende Windhorst 10 Minuten erhielt, um zu den Hertha-Anhängern zu sprechen. Was der 45-Jährige am Sonntag erlebte, glich einem Spießrutenlauf. "Windhorst raus!", skandierten einige Anhänger, von denen Windhorst auch einige persönlich beleidigten. Kaum einen Satz konnte er ohne Unterbrechung beenden.
Eingeschüchtert zeigte sich Windhorst aber nicht - er konterte umgehend. "Ob es den meisten gefällt oder nicht: Ich bin als Mehrheitseigner hier. Windhorst raus - das funktioniert faktisch nicht. Man kann mich nicht abwählen und meine Anteile stehen nicht zum Verkauf", antwortete Windhorst. Später fügte er hinzu: "Ich gehe nicht weg. Das ist gar nicht möglich - die nächsten 10, 20 Jahre."
Windhorst war mit seiner Tennor-Gruppe 2019 bei der Hertha eingestiegen und hatte 375 Millionen Euro investiert. Seitdem spielten die Berliner dreimal gegen den Abstieg, schafften gerade erst mit Ach und Krach den Klassenerhalt in der Relegation gegen den Hamburger SV und der Großteil des Investments ist aufgebraucht.
Obendrein hatte Windhorst für Aufsehen gesorgt, als er im März bei Bild-TV den Rücktritt des damaligen Präsidenten Werner Gegenbauer gefordert hatte. Jener war nach dem Machtkampf mit Windhorst nun am vergangenen Dienstag zurückgetreten. "Ich wusste, dass die Situation mit Herrn Gegenbauer sehr schwierig werden würde und habe mir zwei Jahre auf die Zunge gebissen", so Windhorst.
Hertha BSC: Windhorst stellt weitere Investitionen in Aussicht
Für die Zukunft stellte Windhorst auch neues Geld in Aussicht und formulierte seine Vision. "Ich möchte, das ist das einzige Ziel, dass Hertha BSC extrem erfolgreich wird. Das ist mein Ziel", so Windhorst: "Ich stehe nur für eine Richtung: Alles dafür zu tun, dass wir nach oben kommen." Ein Neustart also. Ein Neustart, der auch von der Mitgliederversammlung ausgehen sollte.
Die Realität war jedoch vor allem Vergangenheitsbewältigung. Fredi Bobic bemühte sich redlich, nach dem Beinahe-Abstieg die Wogen zu glätten. "Dafür trage ich komplett die Verantwortung. Wir haben Fehler gemacht", gab der Sportgeschäftsführer zu. Dass Hertha in Pal Dardai, Tayfun Korkut und Felix Magath drei Trainer für den Ligaverbleib brauchte, sei eine "persönliche Niederlage".
In einer 20-minütigen Rede, die Bobic komplett frei hielt, verurteilte er interne Grabenkämpfe. "Keine Ahnung, wie viele Falschmeldungen ich mit Absicht produziert habe, um zu sehen, wo die internen Löcher sind", sagte Bobic, der Einigkeit forderte: "Am Ende wird es nur miteinander gehen. Wenn wir es gegeneinander machen, werden wir uns zerfleischen." Letztendlich erhielt Bobic nach seiner Ansprache großen Beifall.
Hertha BSC: Interimsboss Manske tritt zurück
Bis zum gewünschten Restart wird es jedoch ein weiter Weg. Zunächst wird auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung am 26. Juni der Gegenbauer-Nachfolger gewählt. Auch einen Ersatz für Interims-Präsident Thorsten Manske, der nach einem schwachen Ergebnis (64,2 Prozent gegen ihn) bei einem Abwahlantrag mit sofortiger Wirkung zurücktrat, wird es brauchen.
Aus blieb indessen der Super-Gau, die komplette Abwahl des Präsidiums, welche den Verein vor die vorläufige Handlungsunfähigkeit gestellt hätte. Fabian Drescher, Anne Jüngermann, Peer Mock-Stürmer, Ingmar Pering und Norbert Sauer überstanden das Votum. Doch über den Berg ist Hertha BSC längst nicht.