Maximilian Philipp vom VfL Wolfsburg im Interview: "Der Gedanke ans Karriereende war eine Kurzschlussreaktion"

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Sie haben in Moskau deutlich mehr Spielzeit bekommen als beim BVB und wurden im Dezember 2019 zum "Spieler des Monats" gewählt. War das Sportliche von diesen Gedanken getrennt?

Philipp: Ja. Der Verein war gerade dabei, vieles zu professionalisieren. Das war noch nicht der Fall, als ich dort angekommen bin. Ich wusste aber, dass man gewisse Pläne hat. Die hat man mir auch erläutert. Es stand fest, dass sie nach und nach umgesetzt werden sollen und alles seine Zeit benötigt.

Was meinen Sie mit "professionalisieren"?

Philipp: Da ging es um das Trainingsniveau, die Trainingssteuerung oder auch um andere Dinge wie zum Beispiel Ernährung. Ich möchte es nicht schlechtreden, denn ich hatte dort auch eine coole Zeit. Die Russen im Verein waren sehr nett zu mir. Es war wirklich top, wie sich der Klub um alles gekümmert hat. Es war nur einfach anders als ich es kannte.

Hatten Sie den Gedanken ans Karriereende erst einmal nur für sich selbst oder haben Sie ihn gleich mit anderen geteilt?

Philipp: Anfangs nur mit meiner Freundin. Ich habe anschließend auch mit meiner Familie und meinen Freunden gesprochen. Sie gaben mir vor allem mit, dass es mein Leben und meine Entscheidung ist. Niemand wäre sauer gewesen, egal wie ich mich entschieden hätte. Ich glaube heute, dass das von mir eher eine Kurzschlussreaktion war, weil zu dieser Zeit vieles zusammen kam und mir alles irgendwie zu viel war.

Maximilian Philipp während seiner Zeit bei Dynamo Moskau.
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Maximilian Philipp während seiner Zeit bei Dynamo Moskau.

Wie groß war denn grundsätzlich der Kulturschock, nachdem Sie zu Dynamo kamen?

Philipp: Gar nicht besonders groß, höchstens beim Essen. Das war bei uns in der Küche auf dem Vereinsgelände einfach nicht gut, auch wenn es mit der Zeit besser wurde. Deshalb habe ich dort auch nur wenig gegessen. Sehr ungewöhnlich war zum Beispiel, dass es regelmäßig Zunge zum Frühstück gab. Ich weiß nicht, von welchem Tier die war, aber das wollte ich auch nicht wissen.

Wie wichtig waren Ihre beiden deutschen Teamkollegen Konstantin Rausch und Roman Neustädter für Sie?

Philipp: Enorm. Ohne sie wäre es extrem schwer gewesen. Sie konnten die Sprache, haben mich in die Mannschaft integriert und Probleme gelöst, wenn es welche gab. Sie waren sozusagen die Verbindungsspieler zwischen mir und meinen russischen Mitspielern. Ich war sehr dankbar, dass die beiden dort waren.

Anfang Oktober 2020 wechselten Sie zunächst per Leihe zum VfL Wolfsburg. Warum haben Sie Moskau letztlich verlassen?

Philipp: Da wir eine lange Winterpause hatten, dauerte die Sommerpause nur zwei Wochen. Es war durch Corona schon ziemlich problematisch, in dieser Zeit nach Deutschland zu kommen. Man hat es aber geregelt bekommen, so dass ich eine Woche in die Heimat durfte. Allerdings konnte ich nicht wieder rechtzeitig nach Russland einreisen, sondern wäre erst vier, fünf Tage nach Trainingsstart angekommen. Damals war auch nicht abzusehen, wie lange die Pandemie noch andauert. Da habe ich gemerkt, dass noch so ein Jahr für mich persönlich sehr schwer geworden wäre.

Als Sie dann zum VfL kamen, hat der damalige Trainer Oliver Glasner gesagt, dass Sie die Trainingsintensität nicht mehr gewohnt waren.

Philipp: Das stimmt. Ich habe sehr schnell kapiert, dass gerade auch die Spielweise von Oliver Glasner ein ganz anderes Level war. Deshalb habe ich erst noch ein bisschen Zeit gebraucht, um die Intensität wieder zu verinnerlichen.

Sie haben das Trainingsniveau in Moskau bereits angesprochen. Wie war das dort konkret?

Philipp: Dort wurde ganz anders trainiert. Manche Einheiten ergaben für mich keinen Sinn, manche waren zu wenig intensiv. Wir haben manchmal ein Turnier auf kleine Tore ohne Torhüter gespielt, aber irgendeiner hat sich immer vor das Tor gelegt. So hat das keinen Spaß gemacht. Auch taktisch haben wir nur ganz wenig trainiert, obwohl wir in der Hinsicht einige Defizite hatten. Wir hätten wenigstens mal Einwürfe trainieren können, weil die Bälle oft nur lang und hoch auf mich geworfen wurden und da ich nicht der Größte bin, hätten wir den Ball meist auch gleich dem Gegner schenken können. Das alles wurde jedoch nie angesprochen, also habe ich das ein paar Mal getan. Geändert hat sich allerdings nur wenig.

Sie sind nun 28 Jahre alt, seit knapp zwei Jahren zurück in der Bundesliga und haben in Wolfsburg mit Niko Kovac bereits den vierten Trainer. Zum unumstrittenen Stammspieler haben Sie es bislang nicht geschafft. Was fehlte Ihnen bislang zur Bestform?

Philipp: Vertrauen! Das ist das Wichtigste.

In welcher Form?

Philipp: Vertrauen in den Spieler und Vertrauen in die eigenen Stärken - es ist von beidem etwas.

Wie weit sind Sie bei dem Part, den Sie selbst beeinflussen können?

Philipp: Auf jeden Fall weiter als in den vergangenen Jahren. Das habe ich gelernt, aber es ist ein Prozess.

Sie haben in der Vergangenheit Ihre Körpersprache kritisiert, die fanden Sie nicht immer gut. Kann man dagegen etwas tun oder ist die nicht vielmehr angeboren?

Philipp: Beides. Es wirkt manchmal so, als sei ich lustlos oder nicht beteiligt. Das habe ich in Videos selbst festgestellt, aber es ist nicht so. Es kann sein, dass ich mir mal eine Verschnaufpause nehme, aber vom Kopf her bin ich immer da.

Glauben Sie, Sie können an den Maximilian Philipp zu seiner Glanzzeit in Freiburg noch einmal anknüpfen?

Philipp: Klar.

In der Corona-Pause haben Sie nicht nur über ein Karriereende nachgedacht, sondern sind auch der Initiative "Common Goal" beigetreten, für die Sie ein Prozent Ihres Jahresgehalts an sozial benachteiligte Menschen spenden. Wie kamen Sie dazu?

Philipp: Ich bin im Internet darauf gestoßen. Das hörte sich auf Anhieb sehr interessant an, also habe ich mich eingelesen und gesehen, wie viele bekannte Gesichter aus dem Fußball dort mitmachen. Ich weiß gut, wie schwer es ist, wenn man nicht so viel hat und die Eltern viel arbeiten müssen, damit man über die Runden kommt. Deshalb wollte ich helfen. Es hat mich schon immer glücklich gemacht, wenn ich andere Menschen glücklich machen kann. Das ist irgendwie in mir drin.

Wohin ging Ihr Geld bislang?

Philipp: Zunächst einmal kann man grundsätzlich angeben, in welche Richtung die Spende gehen soll. Daraufhin werden einem entsprechende Organisationen angeboten, aus denen man wählen kann. Ich war auch schon bei Projekten vor Ort dabei, zum Beispiel vom gemeinnützigen Verein KICKFAIR. Ich möchte nicht einfach nur irgendwohin Geld schicken, sondern sehen, was damit passiert. Vor ein paar Jahren wollte ich in Berlin Kindern helfen, die ihre Wunschzettel an Weihnachtsbäume in Kaufhäusern gehängt haben. Ich habe die Wunschzettel genommen und wollte losziehen, um die Geschenke zu kaufen. Dann hieß es aber, ich dürfe nur das Geld spenden. Das fand ich nicht so gut und das ist bei Common Goal nun ganz anders.

Warum machen dort nicht viel mehr Fußballer mit?

Philipp: Keine Ahnung. Ich weiß, dass es viele gibt, die auch an andere Organisationen oder in ihre Heimatländer spenden. Ich selbst will damit nicht prahlen und daher denke ich, dass es vielen anderen wohl auch so geht.

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