Der 3:1-Sieg des BVB gegen den SC Freiburg war ein erster kleiner Fingerzeig darauf, welche Probleme Edin Terzic noch zu lösen hat, um das volle Potenzial dieses Kaders zu entfalten. Zugleich war er ein Signal an die Konkurrenz: Kann Dortmund jetzt auch Arbeitssiege? Fünf Erkenntnisse zum Auswärtssieg.
Egal mit wem nach diesem Spiel gesprochen wurde, die Einordnung der Leistung fiel beiden Teams gar nicht so leicht. "Man muss es ehrlich sagen, dass sie bis zum 1:1 besser waren", sagte etwa Nico Schlotterbeck nach Abpfiff bei DAZN.
Nur Edin Terzic machte nach dem 3:1-Sieg seiner Mannschaft einen sehr klaren und gelassenen Eindruck. Der BVB-Coach wurde nicht müde, die Leistung seines Teams zu loben und vor allem auch einzuordnen, wie stark Freiburg war. Lange sah es so aus, als würde der SC dem BVB schon am zweiten Spieltag die erste Niederlage zufügen können.
Vor allem im ersten Durchgang rissen die Breisgauer das Geschehen nach und nach an sich. "Wir haben kämpfen müssen, um nicht das Zweite vor der Pause zu kassieren", analysierte Terzic anschließend. Dann aber sei er mit der Reaktion seines Teams zufrieden gewesen. Doch wo stehen die Dortmunder nun nach einem Gastauftritt, der Gutes mit sich brachte und gleichzeitig altbekannte Probleme offenbarte? Fünf Erkenntnisse zum Arbeitssieg.
BVB schwimmt in der Defensive
"Es ist sehr viel Luft nach oben", sagte Schlotterbeck, als er auf das Zusammenspiel der Viererkette angesprochen wurde: "Wir hätten auch zwei, drei kassieren können." Gleichzeitig glaube er, "dass es gar nicht so viel an uns hängt, sondern wir müssen als Mannschaft verteidigen." Und genau das gelang dem BVB über weite Strecken nicht gut genug.
Freiburg bespielte immer wieder die linke Seite, wo Thorgan Hazard und Thomas Meunier vor allem nach langen Bällen und Seitenverlagerungen große Probleme hatten, Zugriff zu bekommen. Der SC schaffte es oft, das Spiel über das zentrale Mittelfeld zu eröffnen und anschließend auf einen der beiden Flügel zu verlagern. Dortmund hatte auch viele gute Momente im Pressing, die ihnen in den ersten 45 Minuten die eine oder andere gute Umschaltaktion bescherten. Allerdings bekamen sie immer mal wieder keinen Druck auf die ballführenden Spieler.
Genau in diesen Momenten fiel ihnen das Hinterherlaufen schwer. Die Organisation ging manchmal leicht, manchmal sehr deutlich erkennbar verloren. So auch vor dem 0:1. Der lange Ball auf Vincenzo Grifo kam, nachdem Dortmund einen Standard gegen sich verteidigt hatte. Einem Team wie dem BVB darf es nicht passieren, dass kurz darauf der Außenverteidiger isoliert gegen einen Spieler wie Grifo verteidigen muss.
Dass eine spielstarke Mannschaft wie Freiburg nicht über 90 Minuten zu verteidigen ist, merkte Terzic zu Recht an. Dennoch muss sein Team besser verschieben, wenn der Pressingdruck vorne und/oder im Zentrum nicht für einen Ballgewinn reicht. Oder, wie es Schlotterbeck sagte: Als Team besser verteidigen. "Wenn wir das kapieren, dann sind wir eine sehr gute Mannschaft, weil wir vorne brutale Qualität haben", so der Innenverteidiger.
BVB: Zu statische Offensive
Auch im Offensivbereich fällt eine Bewertung des BVB aber schwer. Lange Zeit fehlte es den Schwarz-Gelben an Dynamik. Lediglich Marco Reus schaffte es zwei-, dreimal, sich zwischen den Linien anzubieten. Ein Raum, den auch Terzic erkannte. In der ersten Halbzeit habe man "zu lange in der letzten Linie" geklebt, analysierte er die Statik.
Tatsächlich fehlten dem Angriffsspiel die Überraschungsmomente. Wenn Reus aufdrehen konnte, hatte er nur wenige Anschlussoptionen. Nur als Neuzugang Anthony Modeste mal als Wandspieler mit einer sehenswerten Steil-Klatsch-Kombination eingebunden werden konnte, wurde es richtig gefährlich. Ansonsten blieben vor allem gegenläufige Bewegungen lange aus.
Thorgan Hazard und Donyell Malen, die als Flügelspieler die Aufgabe hatten, sich in den Halbräumen zu bewegen, suchten nur selten die Tiefe, waren zugleich aber auch nicht ausreichend oft in den Zwischenräumen anspielbar. Malen hatte 34, Hazard 29 Ballaktionen und nur dem Niederländer gelang ein Abschluss, der allerdings ungefährlich war.
BVB: Viele Ballverluste im Zentrum
Wer im defensiven Zentrum Hummels, Schlotterbeck, Dahoud und Bellingham aufstellen kann, der sollte im Spielaufbau eigentlich keine Probleme haben. Doch genau die hatte der BVB. Sicher nicht über die volle Distanz, aber immer wieder ausreichend, um Freiburg gefährliche Umschaltmomente zu ermöglichen.
Bellingham (81 % Passquote) und Dahoud (78 % Passquote) wirkten mitunter überfordert mit dem Druck, den der SC durch das aggressive Herausschieben entfachte. Genau in diesen Augenblicken bildeten sich aber die von Terzic beschriebenen Zwischenräume - und Dortmund war zu selten in der Lage, sie zu bespielen. Dahoud verlor 18-mal den Ballbesitz, Bellingham 16-mal.
Das lag nicht allein an ihnen. Schon vor der Partie analysierte Terzic, dass sich das Team in Ballbesitzphasen noch verbessern müsse. Neben der Problematik, dass sich die Offensivspieler zu wenig zeigten, positionierten sich auch die restlichen Spieler oft nicht aktiv genug um den ballführenden Spieler herum. Das machte es Freiburg einfacher, Bälle im Zentrum zu erobern.
Auch wenn Terzic wegen des Pokalsiegs den meisten BVB-Fans positiv in Erinnerung blieb, so war der teils zu unstrukturierte Ballvortrag schon damals ein Problem, das ihn einige Siege gekostet hat. Diesmal hat er einen deutlich besseren Kader zur Verfügung, mit dem er das Thema aktiver angehen kann.
Dortmund: Ein 18-Jähriger küsst den BVB wach
Die Einwechslung von Marius Wolf hatte bereits einiges bewirkt. Der Außenspieler kam in der Halbzeit für den schwachen Meunier und stabilisierte den Flügel zumindest phasenweise. Freiburgs Gefahr über die Außenbahnen wurde dadurch keinesfalls gebannt, aber Wolf schaffte es durch gute Offensivaktionen, den SC defensiv mehr zu beschäftigen.
Richtig wachgeküsst wurde der BVB aber von Jamie Bynoe-Gittens. Der 18-Jährige kam nach 64 Minuten für Hazard und schaffte es in der Restzeit bereits auf mehr als doppelt so viele Ballaktionen wie der Belgier (15). "Jamie ist halt jemand, der immer dazwischenkommen kann, mit seinem ersten Ballkontakt aufdrehen kann", sagte Terzic in Bezug auf die zu oft unbespielten Zwischenräume: "Er hat Fähigkeiten, Spiele zu entscheiden. Er ist ein Gamechanger."
Genau das war der Engländer. Er brachte mit seinem Abschluss das auf den Platz, was dem BVB zuvor fehlte: Auch mal etwas Unorthodoxes zu probieren oder etwas zu tun, womit der Gegner nicht rechnet. Zumindest Flekken war anscheinend überrascht. Auch das Dribbling von Bynoe-Gittens vor dem 2:1 war eine Aktion, die Malen, Hazard und Reus zumindest an diesem Abend nicht zeigen konnten.
BVB: Dreckiger Sieg für den Kopf
Es war insgesamt ein ausgeglichenes Spiel. Freiburg hatte 16 Abschlüsse, Dortmund 13. Stats Perform errechnet aus der Qualität der Chancen 0,99 zu 1,09 erwartbare Tore. Demnach wäre ein 1:1 wohl das Ergebnis gewesen, das den Spielverlauf am besten dargestellt hätte. Für einen Klub wie Borussia Dortmund ist das zu wenig.
Trotzdem gibt es keinen Grund, die beschriebenen Probleme und die Leistung insgesamt zu dramatisieren. Schon deshalb, weil der BVB dieses Spiel eben mit 3:1 gewonnen hat und das die Zahlen sind, die die größte Bedeutung haben. Oft genug haben sie in den vergangenen Jahren solche Partien nicht für sich entscheiden können. Oft genug wurde dann über die Mentalität des gesamten Klubs gesprochen. Zumindest am Freitagabend in Freiburg hat Dortmund bewiesen, dass es auch dreckige Siege einfahren kann.
Und das ist gut für den Kopf. Dass es mit einem neuen Trainer, dem Kaderumbruch sowie einigen Ausfällen noch Schwierigkeiten geben würde, war absehbar. Aber Dortmund ist optimal in die Saison gestartet. Zur Wahrheit gehört genauso, dass es auch in den letzten Jahren immer wieder Momente gab, in denen der Knoten zu platzen schien.
Ein Sieg in Freiburg wird nicht reichen, um die Zweifel an der Stabilität des Teams aus der Welt zu schaffen. Zumal die Leistung eben doch zu viel Angriffsfläche bot. Ein Sieg in Freiburg muss der Konkurrenz aber erstmal gelingen. Denn der SC zählt mittlerweile zu den besten Teams in Deutschland. Insofern ist Terzics Gelassenheit nachvollziehbar. Intern wartet dennoch einiges an Arbeit auf ihn.