Kingsley Coman brilliert bei seinem Bundesligadebüt in dieser Saison für den FC Bayern München in neuer Rolle, und auch Marcel Sabitzer und Gabriel Vidovic empfehlen sich für mehr. Drei Thesen zu Bayerns 7:0 beim VfL Bochum am 3. Spieltag.
1. Coman beweist: FCB kann nicht genug Spielmacher haben
Es war eine der spannenderen spieltaktischen Fragen in Bezug auf den FC Bayern München vor Beginn der Saison: Wie würde Kingsley Coman in Julian Nagelsmanns neues bevorzugtes Spielsystem passen, das Nagelsmann tatsächlich schon bei RB Leipzig am liebsten spielen ließ?
Die 4-2-2-2-Grundordnung ist bei aller gewünschten Flexibilität in der Offensive ja im Normalfall eher zentrumszentriert. Klassische Flügelspieler sind da weniger gefragt als sie es beim FC Bayern seit Louis van Gaal immer waren. Was also würde mit Coman passieren, dem letzten echten Flügelspieler im Kader?
Wobei, echter Flügelspieler? Papperlapapp! "Wenn man ihn fragt, ist er kein Außenspieler, sondern will gerne im Zentrum spielen, aber das gilt für alle und geht schon in der F-Jugend los", hatte Nagelsmann vor dem Spiel in Bochum bereits über Coman gesagt, der wegen seiner Sperre aus der Vorsaison erst jetzt sein Bundesliga-Saison-Debüt geben konnte.
Dort agierte der Möchtegernzentrumsspieler Coman dann - vor allem auf dem rechten Flügel. 45 seiner 63 Ballkontakte hatte der Franzose auf der rechten Außenbahn.
stats performBayern München: Coman ganz anders als Jamal Musiala
Doch Coman trat in Bochum eben auch den Beweis an, dass Spielmacher nicht im oder aus dem Zentrum agieren müssen. Coman überzeugte - wie eigentlich immer - durch seine Dribblings und Tempoläufe, doch er spielte eben auch zum Verneigen schöne Schnittstellenpässe. Etwa vor Sadio Manés Tor zum 4:0. Oder vor Sadio Manés zuvor wegen Handspiels zurecht aberkannten Treffers zum 4:0. Außerdem holte Coman den Elfmeter zum 5:0 heraus, traf per Abstauber selbst zum 3:0 und war nebenbei sogar der engagierteste Zweikämpfer auf dem Platz. 14-mal ging Coman in den - meist offensiven - Zweikampf, neunmal gewann er das Duell. Sehr zum Leidwesen seines bemitleidenswerten direkten Gegenspielers Saidy Janko, der permanent hochgradig gestresst schien.
Coman überragte in einem insgesamt überragenden Offensivquartett der Rekord-Bayern in Bochum - drei Siege in den ersten drei Spielen und 15:1 Tore waren auch dem Rekordmeister zuvor nicht gelungen in der Bundesliga.
Er interpretierte seine Rolle grundlegend anders als der in Bochum angeschlagen fehlende Jamal Musiala in den ersten zwei Saisonspielen, doch er bewies, dass der FC Bayern in dieser Saison ganz offensichtlich gar nicht genug Spielmacher im Kader und auf dem Platz haben kann.
2. FC Bayern: Sogar Goretzka wird es schwer haben
Dass der FC Bayern in Bochum zum ersten Mal in dieser Saison zu Null spielte, lag auch am gut harmonierenden Duo in der Mittelfeldzentrale. Joshua Kimmich war gewohnt viel unterwegs, dirigierte das Spiel durch viele Pässe nach hinten und nach vorne. Seine zehn Pässe ins Angriffsdrittel waren sogar Bestwert aller Spieler. Er konnte sich aber auch deswegen so oft in die Offensive einschalten und sich diesen enormen Aktionsradius erlauben, weil Marcel Sabitzer auf ihn und den Gegner aufpasste.
Franz Beckenbauer brauchte beim FC Bayern ganz früher ja auch seinen Katsche Schwarzenbeck, wenn sich der Kaiser mal wieder nach vorne orientierte.
Die Bochumer agierten auch nach dem 0:3 noch frech und wollten die Bayern weiter ärgern. Doch anders als in der Rückrunde der vergangenen Saison, zeitweise auch im Supercup gegen RB Leipzig vor Saisonbeginn oder gegen Wolfsburg in der Vorwoche verloren die Münchner diesmal zu keinem Zeitpunkt die Kontrolle übers Zentrum. Sabitzer, in der vergangenen Spielzeit zu recht viel gescholten, scheint mit einem Jahr Verspätung angekommen beim FCB.
Sabitzer spielte in Bochum bis zu seiner Auswechslung in der 62. Minute für Ryan Gravenberch unauffällig und unprätentiös, aber eben effektiv - und keineswegs nur quer: die meisten seiner Pässe spielte er nach vorne zu Leroy Sané (sechs von 19). "Die zwei Sechser haben unaufgeregt und gut gespielt, deutlich weniger Fehler gemacht, als wir es letzte Saison manchmal gemacht haben, wo wir zu viel wollten", sagte Nagelsmann bei der Pressekonferenz nach dem 7:0.
FCB: Gravenberchs perfekte Bilanz hilft nicht
Der wie beschrieben deutlich offensivere und auffälligere Kimmich etwa spielte zwar jeden Bayern-Feldspieler an, aber niemanden öfter als die zwei Innenverteidiger Matthjis de Ligt und Dayot Upamecano (je achtmal).
Ryan Gravenberch, der Neuzugang von Ajax Amsterdam, mag eine gute Vorbereitung absolviert haben und er glänzte in der guten halben Stunde, die er in Bochum auf dem Platz stehen durfte, mit einer hundertprozentigen Passquote. Doch zehn Pässe in 30 Minuten sind für einen zentralen Mittelfeldspieler, auch wenn das Spiel schon gelaufen ist, eben auch nicht wirklich viele. Er wird sich im Training richtig aufdrängen müssen, wenn er an Sabitzer vorbeikommen mag.
Und auch Leon Goretzka könnte sich womöglich erst mal hinten anstellen müssen, wenn er voraussichtlich Mitte September nach seiner Knie-OP und Reha wieder zur Mannschaft stoßen wird. Goretzka kann dem Bayernspiel zwar mit seiner Dynamik und Wucht noch mal weitere Elemente geben, doch derzeit profitiert Kimmich eindeutig davon, mit Sabitzer noch einen Lückenstopfer an seiner Seite zu haben.
3. FC Bayern: Gabriel Vidovic zu gut für eine Leihe
Wenn vom FC Bayern München in der Frühphase dieser Saison gesprochen wird, geht es oft um die in der Tat beeindruckende Kadertiefe der Mannschaft. Auf drei Positionen hatte Trainer Julian Nagelsmann die Startelf im Vergleich zum 2:0 gegen Wolfsburg in der Vorwoche verändert, alle drei Neuen, Leroy Sané, Matthijs de Ligt und Kingsley Coman trafen gleich in der ersten Halbzeit.
Nagelsmann lobte in Bochum die "sehr guten Abläufe" und die "sehr gute Energie", die in der vergangenen Saison nicht immer so gewesen sei. Der Coach betonte, dass es heuer nicht nur reichen wird, sich in den Spielen zu beweisen, sondern dass jeder Spieler sich auch immer im Training beweisen müsse. "Es ist ein gutes Gefühl, eine große Auswahl zu haben", sagte Nagelsmann noch.
Offensichtlich gut trainiert haben muss vergangene Woche Gabriel Vidovic, der in Bochum seine ersten 18 Bundesligaminuten in dieser Saison absolvieren durfte. Als der 18-Jährige für Doppeltorschütze Sadio Mané eingewechselt wurde, stand es bereits 6:0. Als die Münchner vier Minuten später das 7:0 feierten, hatte Vidovic gerade den Ball mit dem Außenrist in den Strafraum auf den Torschützen Serge Gnabry weitergeleitet.
Doch nicht nur wegen seines ersten Scorerpunkts im insgesamt vierten Bundesligaspiel - Nagelsmann hatte dem Eigengewächs in den letzten drei Spielen der Vorsaison bereits die ersten Bundesligaminuten sammeln lassen - empfahl er sich in Bochum durchaus für mehr. Vidovic war sofort präsent, kam in 18 Spielminuten auf 14 Ballaktionen und brachte zehn seiner 13 Pässe an den Mitspieler. Zum Vergleich: Mittelfeldspieler Ryan Gravenberch war in fast 30 Spielminuten nur 13-mal am Ball. Auch Vidovics drei Ballgewinne sprachen für das große Engagement, das der gebürtige Augsburger an den Tag legte.
Dass Vidovic viel zu gut ist für die Regionalliga Bayern, in der die zweite Mannschaft des Rekordmeisters spielt, weiß auch Nagelsmann, der ein großer Fan vom Angreifer ist und ihn "eines der größten Talente in Deutschland auf seiner Position" nennt. Allerdings ist die Konkurrenz bei den Profis "riesig für ihn. Ich werde sehen, was für seine Karriere am sinnvollsten ist und dann entscheiden."
Zuletzt war im kicker über eine Leihe zu Vidovics Heimatklub FC Augsburg spekuliert worden. Doch vielleicht ist Vidovic auch für die Fuggerstädter schon zu gut?
FC Bayern: Bundesliga-Tabelle nach dem 3. Spieltag
Platz | Team | Sp. | Tore | Diff | Pkt. |
1. | Bayern München | 3 | 15:1 | 14 | 9 |
2. | Borussia M'gladbach | 3 | 6:3 | 3 | 7 |
3. | Union Berlin | 3 | 5:2 | 3 | 7 |
4. | Mainz 05 | 3 | 4:2 | 2 | 7 |
5. | Freiburg | 3 | 6:3 | 3 | 6 |
6. | Hoffenheim | 3 | 7:5 | 2 | 6 |
7. | Borussia Dortmund | 3 | 6:4 | 2 | 6 |
8. | Köln | 3 | 6:4 | 2 | 5 |
9. | Werder Bremen | 3 | 7:6 | 1 | 5 |
10. | Augsburg | 3 | 3:7 | -4 | 3 |
11. | RB Leipzig | 3 | 4:5 | -1 | 2 |
12. | Stuttgart | 3 | 3:4 | -1 | 2 |
13. | Schalke 04 | 3 | 3:5 | -2 | 2 |
14. | Wolfsburg | 3 | 2:4 | -2 | 2 |
15. | Eintracht Frankfurt | 3 | 3:8 | -5 | 2 |
16. | Hertha BSC | 3 | 2:5 | -3 | 1 |
17. | Bayer Leverkusen | 3 | 1:6 | -5 | 0 |
18. | Bochum | 3 | 3:12 | -9 | 0 |