Die Maßnahmen der Polizei in Wolfsburg gegen Fans von Werder Bremen könnten ein juristisches Nachspiel haben. Die Fanhilfe Bremen kündigte eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Vorgehens seitens der Ordnungskräfte an. Die Werder-Verantwortlichen kritisierten die Maßnahmen scharf.
Bremens Vereinspräsident Hubertus Hess-Grunewald hat sich am Samstag bei Sky über die Polizei-Aktionen gegen Werder-Fans geäußert und die Entscheidungsträger heftig kritisiert: "Es war so, dass unsere Fanszene hier angereist ist und am Bahnhof von der Wolfsburger Polizei festgesetzt worden ist", erklärte der Präsident. "Es wurden Durchsuchungsmaßnahmen und Personenidentitätsfeststellungen angeordnet. Selbst unsere Fanbetreuer hatten am Anfang keine Möglichkeit, für die Kommunikation zu sorgen, weil auch sie sich immer wieder Kontrollen unterwerfen mussten. Das hat dann am Ende dazu geführt, dass relevante Teile unserer Fanszene sich entschieden haben, nach Hause zu fahren."
Nach übereinstimmenden Berichten wurden zahlreiche Anhänger der Hanseaten am Bahnhof durchsucht, auch die Personalien wurden festgestellt. Mehrere Ultra-Gruppierungen entschlossen sich daher zur vorzeitigen Rückkehr nach Bremen.
Hess-Grunewald sah den Fehler bei der Polizei: "Das ist eine Entwicklung, die wir nicht gutheißen können. Beide Klubs hatten im Vorfeld eine Einschätzung der Sicherheitslage vorgenommen und hatten dieses Spiel als grün eingeschätzt. Dass die Wolfsburger Polizei dann zu der Einschätzung kommt, das ist ein Rotspiel und im Vorfeld - ohne, dass irgendetwas passiert ist - solche gravierenden, freiheitsentziehenden Maßnahmen trifft ... Da muss ich sagen, das ist außerordentlich bedenklich."
Hess-Grunewald weiter: "Wir müssen uns ernsthaft fragen: Was wollen wir für eine Fankultur? Wir sind stolz darauf, in Deutschland eine lebendige Fanszene in allen Stadien zu haben, Auswärtsfans zu haben. Wenn wir Gäste dann so willkommen heißen und so behandeln, dann kann das nicht im Sinne des Zuschauersports Fußball sein."
Er erwarte "eine politische Korrektur von den Entscheidungsträgern, denn das kann so nicht stehenbleiben und darf sich nicht wiederholen." Die Frage sei: "Was wollen wir für einen Fußball und was wollen wir für ein Land sein? Ein freiheitliches Land oder eines, das sich mit anderen Ländern messen muss, die wir nicht so freiheitlich sehen?"
Schmadtke: "Blamage für Fußball-Standort Wolfsburg"
Clemens Fritz, Sportlicher Leiter Profifußball, sprach von einem "absolutem Unding". Auch Wolfsburgs Geschäftsführer Jörg Schmadtke meldete sich zu Wort und kritisierte das Vorgehen der Einsatzkräfte. "Wenn diese Gangart der Beamten Standard ist, stellt das für mich die gesamte Polizeiarbeit infrage. Es kann doch nicht sein, dass die Polizei eingreift, bevor du überhaupt etwas getan hast", sagte Schmadtke der Wolfsburg Allgemeinen Zeitung. "Ich habe mir die Bilder von dem Einsatz angesehen. Ich bin bestürzt. Das ist eine Blamage für den Fußball-Standort Wolfsburg."
Als Reaktion auf die Vorfälle traf der VfL Wolfsburg die Entscheidung, die nicht entwerteten Tickets zu erstatten. Schätzungen zufolge handelt es sich um mehrere Hundert Eintrittskarten. Dies bestätigte Hess-Grunewald am Sonntag bei Werder-TV.
Noch bei Vorbesprechungen zu Wochenbeginn war die Partie bezüglich der Sicherheitslage in die niedrigste Kategorie eingestuft worden.
"Obwohl das Spiel im Vorfeld von beiden Klubs als unbedenklich eingestuft worden ist, werden von der Polizei intensive Durchsuchungsmaßnahmen und Personalienfeststellungen durchgeführt, Fans werden festgehalten und haben nicht die Möglichkeit, sich frei zu bewegen", teilte Werder schon vor dem Spiel via Twitter mit. "Aufgrund der Polizeiaktionen haben die Ultragruppen von Werder entschieden, wieder nach Bremen zurückzukehren."
Der Verein reagierte mit "großen Unverständnis": Die Abreise der eigenen Fans stelle "zudem einen klaren Wettbewerbsnachteil für Werder dar." Man solidarisiere sich mit den eigenen Fans und verurteile die Maßnahmen, so der Aufsteiger.
Die Polizei Wolfsburg erklärte, ebenfalls via Twitter: "Aus gefahrenabwehrrechtlichen Gründen wurde eine Kontrollstelle eingerichtet, um Auseinandersetzungen von Fangruppierungen zu verhindern." Auch gegenüber der dpa verwies die Polizei auf die Notwendigkeit der Durchsuchungen.