Randal Kolo Muani ersetzt den verletzten Christopher Nkunku im WM-Kader der französischen Nationalmannschaft. Der 23-Jährige hat bei Eintracht Frankfurt voll eingeschlagen und gilt als aufregendster Stürmer der Liga. Dabei musste Muani einen eher ungewöhnlichen Weg gehen - der ihm aber auch in Zukunft noch helfen könnte.
Keine andere Nation hat in den letzten zehn, 15 Jahren den europäischen Markt so mit Talenten geflutet wie Frankreich. Die Qualität der Nachwuchsausbildung der Franzosen ist in Europa unerreicht, weltweit kann da allenfalls noch Brasilien einigermaßen mithalten.
Die schiere Masse an 16-, 17-, 18-Jährigen aus Frankreich, die schon im Profifußball zu Hause oder in anderen Ländern Fuß gefasst haben, ist geradezu sensationell und gilt als Musterbeispiel für das, was sich der Deutsche Fußball-Bund mit dem DFB Campus nun endlich auch (wieder) auf die Fahnen geschrieben hat.
Dabei beschreiten die Franzosen einen ziemlich ungewöhnlichen Weg, versammeln die besten Spieler schon im Alter von 14 und 15 Jahren an zentralen Standorten im Land und lassen die Jugendlichen lediglich am Wochenende für die anstehenden Pflichtspiele wieder zurück in ihre Klubs.
Die Wochentage verbringen die besten Talente einer Region an einer Art Stützpunkt. Das hebt automatisch das Trainingsniveau, das die Spieler dann wiederum an den Wochenenden in ihren Klubs bestätigen sollen.
Randal Kolo Muani nutzt den zweiten Bildungsweg
Randal Kolo Muani war nie einer dieser Spieler. Der Franzose mit kongolesischen Wurzeln hat nie ein Nachwuchsleistungszentrum von innen gesehen, fiel in seiner Kindheit und Jugendzeit offenbar durchs Raster. Dabei wären die Voraussetzungen gar nicht so schlecht gewesen: Muani ist in Bondy geboren, einer kleinen Trabantenstadt im Speckgürtel von Paris.
Wie fast überall in der Metropolregion der französischen Hauptstadt wird hier in den Käfigen und auf Beton Fußball gespielt und die Besten schaffen es früher oder später raus aus der rauen Umgebung und hinein in eines der Fußballinternate der Hauptstadt. So wie Kylian Mbappé, nur 15 Tage nach Muani Ende 1998 geboren und ebenfalls in Bondy aufgewachsen.
Aber während Mbappé schon als Kind entdeckt und sofort in Frankreichs Fußball-Kompetenzzentrum nach Clairefontaine geschickt wurde, um dann später mit nur 16 Jahren für die AS Monaco in der Ligue 1 zu debütieren, versandete Muanis Talent beinahe in kleineren Klubs der Umgebung.
Erst in der Jugendabteilung des FC Nantes kam Muani in Kontakt mit einigermaßen professionellen Strukturen, konnte sich zunächst aber weder im höchsten Jugendbereich noch in der zweiten Mannschaft durchsetzen und wurde in die viertklassige Championnat National 2 versetzt zu US Boulogne. Da war Kylian Mbappé bereits Weltmeister und längst viel mehr als das verheißungsvollste Talent des globalen Fußballs.
Randal Kolo Muani von "halb Europa gejagt"
Erst nach der Rückkehr nach Nantes machte Muani den gewünschten Entwicklungsschritt und spielte sich nach und nach in den Fokus zumindest der französischen Öffentlichkeit - und in die Notizbücher der Scoutingabteilung europäischer Topklubs.
"Halb Europa" habe Muani gejagt, erklärte Eintracht Frankfurts Sportvorstand Markus Krösche. Krösche und Eintrachts gerne übersehener Kaderplaner Ben Manga wollten den Spieler schon vor der abgelaufenen Saison nach Frankfurt holen, mussten aber noch ein paar Wochen warten und im Hintergrund weiter Überzeugungsarbeit leisten. Im Frühjahr war es dann aber so weit und die Eintracht holte Muani letztlich sogar ablösefrei aus Nantes in die Bundesliga.
"Wir haben ihm erklärt, was Eintracht Frankfurt ist, was das für ein Klub ist, welche Bedeutung er hat. Wie unser Weg in der Zukunft aussehen soll, wie wir Fußball spielen wollen", sagte Krösche damals. "Wir haben ihm erklärt, wie wir ihn weiterentwickeln wollen, dass er ein Teil unserer Zukunft sein soll und wir ihm helfen wollen, ein noch besserer Spieler zu werden. Einer der Topspieler in Europa!"
Ein ziemlich hoch gegriffener Plan, der aber auch in der langen Vertragslaufzeit mit dem Spieler dokumentiert wurde: Muani unterschrieb gleich für fünf Jahre in Frankfurt. Und nach den ersten Monaten in Deutschland, im neuen Klub und in einer neuen Liga deuten sich schon jetzt zwei Dinge an: Krösche hat wohl gar nicht so sehr übertrieben mit seiner Einschätzung, dass Muani einer der besten Spieler Europas werden könnte. Und ein Verbleib Muanis über die vollen fünf Jahre in Frankfurt erscheint angesichts der rasanten Entwicklung des Spielers kaum vorstellbar.
Randal Kolo Muani: Einer der aufregendsten Spieler der Liga
Kolo Muani jedenfalls hat in Frankfurt voll eingeschlagen und setzt damit die Reihe an herausragend guten Transfers der Eintracht fort. Die Zahlen sind das eine, sie sprechen eine leicht verständliche Sprache.
Nach nur 14 Bundesligaspielen steht Muani in seiner ersten Saison überhaupt in Deutschland bei 15 Scorerpunkten. Kein anderer Spieler der Liga bereitete bisher mehr Tore vor als Muani (elf) und nur wenige spielen einen aufregenderen Fußball als der 23-Jährige.
Muanis Spiel ist von Tempo und Geschicklichkeit geprägt, von einer fast schon unverschämten Leichtigkeit und jener Intuition und Improvisation, die jungen Spielern in den Talentschmieden gerne abtrainiert wird. Muanis Bewegungen entsprechen nicht immer der Konvention, sind damit aber unglaublich schwer zu lesen oder zu antizipieren für den Gegner.
Sein Trainer Oliver Glasner scheint überzeugt, dass die überbordende Kreativität seines Spielers eben genau daher rührt, dass dieser nie in einem Leistungszentrum ausgebildet und entsprechend erzogen wurde. Sondern immer sein eigener Meister sein durfte und Dinge - in den unterklassigen Klubs und Ligen - auch einfach mal ausprobieren konnte.
imago imagesRandal Kolo Muani: Defizite im Torabschluss
Nun passt sich Muani scheinbar mühelos allen neuen Gegebenheiten an und bildet zusammen mit Mario Götze, Jesper Lindström und Daichi Kamada eine Linie dahinter die aktuell spektakulärste Angriffsreihe der Liga.
Auf der Suche nach frischen Gesichtern nach den Abgängen von Robert Lewandowski und Erling Haaland aus der Bundesliga und angesichts des anhaltenden Formtiefs von Leverkusens Patrik Schick ist Muani schnell nach vorne geprescht und besetzt derzeit eine dieser Lücken. Der eine oder andere spricht jetzt schon vom besten Gesamtpaket eines Angreifers in der Bundesliga und fühlt sich erinnert an Leipzigs Christopher Nkunku.
Auch so ein Spieler aus der Pariser Peripherie, nur ein paar Kilometer von Muanis Heimatstädtchen entfernt geboren. Und aktuell wohl tatsächlich der beste Angreifer der Bundesliga. Nkunkus Entwicklung ist ein Paradebeispiel für eine stete Karriereplanung und damit ein Rollenmodell auch für Muani. Der zeigt unter anderem noch ein paar ähnliche Defizite wie Nkunku in seinen ersten Monaten in Deutschland, besonders beim Torabschluss.
Zuletzt gegen Dortmund wurde das wieder deutlich, als sich Muani dank seiner schnellen Auffassungsgabe und seiner Dribbelstärke gleich mehrfach in beste Abschlusspositionen brachte, dann aber vor dem Tor nicht kalt genug abschloss oder die Ruhe behielt.
"Die Torchancen zeigen, wo er noch sehr viel Potenzial hat", sagt Glasner. "In Leverkusen war es die gleiche Situation. Dann schießt er drauf und trifft nur den Torhüter. Ihm fehlt noch die Ruhe, das ist ganz klar auf der Agenda." Aber das dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis Muani sich auch in diesem Bereich auf internationales Topniveau bringt.
Randal Kolo Muani: Seine Karrierestationen
Saison | Verein |
2016-2020 | FC Nantes B (62 Spiele, 17 Tore) |
2018-2022 | FC Nantes (81 Spiele, 22 Tore) |
2019-2020 | US Boulogne (Leihe, 14 Spiele, 3 Tore) |
Seit 2022 | Eintracht Frankfurt (11 Spiele, 3 Tore/9 Assists) |