FC Bayern vs. Borussia Dortmund - Kommentar: FCB und BVB sind der Meisterschale nicht würdig

Von Tim Ursinus
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Sechs Spieltage vor Schluss liefern sich Tabellenführer FC Bayern und der BVB einen der engsten Zweikämpfe der Bundesliga-Geschichte. Von einem hochklassigen Titelrennen kann aber bei weitem nicht die Rede sein. Ein Kommentar.

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Die Jubelschreie in München am Samstag waren bezeichnend für das Titelrennen in dieser Bundesliga-Saison, als Stadionsprecher Stephan Lehmann den Patzer von Borussia Dortmund (3:3) durch die Boxen der Allianz Arena posaunte. Anstatt sich über drei Punkte gegen Kellerkind TSG Hoffenheim freuen zu dürfen, mussten sich die Fans des FC Bayern nach dem ernüchternden 1:1 die eigene Freude aus der Häme über den Erzrivalen ziehen.

Keine Frage: Dass sechs Spieltage vor Schluss lediglich zwei Punkte die Bayern und den BVB voneinander trennen, macht das Duell um die Schale so spannend wie schon lange nicht mehr. Ein Kind, das 2012 geboren wurde, kennt schließlich nur den großen FCB als deutschen Meister. Was auf dem Papier aber Spannung suggeriert, ist in Sachen Qualität nicht weniger als verheerend. Kein überzeugender Spitzenreiter, kein ernstzunehmender Herausforderer, kein gegenseitiges Anstacheln und keine Wortgefechte zwischen den Kontrahenten.

Überspitzt formuliert hat es keines der beiden Teams verdient, nach dem 34. Spieltag den eigenen Trainer und die Klubverantwortlichen mit einem überdimensionalen Glas voll Bier zu überschütten, egal ob Paulaner oder Brinkhoff's No.1.

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FC Bayern: So schlecht wie zuletzt vor zwölf Jahren

Beim Branchenprimus aus München geht es in der Saison um vieles, um das Sportliche aber nur selten. Stattdessen standen bislang folgenschwere Ski-Ausflüge, interne Machtkämpfe, ein Besuch bei der Fashion Week, Maulwürfe und zuletzt eine Prügelei im Vordergrund. Nach dem Aus im DFB-Pokal, dem drohenden Ausscheiden aus der Champions League und dem zum wiederholten Male unterirdischen Auftreten in der Bundesliga gibt es über die fußballerischen Leistungen aber auch nicht viel Positives zu sagen.

Mit einer Ausbeute von 59 Punkten aus 28 Spielen stehen die Bayern im deutschen Oberhaus so schlecht da wie seit zwölf Jahren nicht - unter dem damaligen Trainer Louis van Gaal waren es 2010/11 sogar nur 51 Punkte. Seither holte der Rekordmeister zu diesem Zeitpunkt immer mindestens 60 Punkte, viermal sogar über 70. Ist der Ofen nach zehn Titeln in Serie also tatsächlich aus? Hat ein Thomas Müller überhaupt noch Lust auf den Anblick einer zwölften Schale in seiner Vitrine?

Trainer Thomas Tuchel ließ dahingehend bereits tief blicken. "Es fehlt uns der Sinn, dass es brennt", sagte er nach dem Remis gegen die TSG. Es scheint also alles dafür angerichtet, dass die Dominanz der Bayern durchbrochen wird. Gedanken daran werden aktuell aber nicht verschwendet - und mit dem Blick nach Dortmund stellt sich die Frage: warum auch?

"Es interessiert mich nicht, was auf anderen Plätzen passiert", sagte Tuchel, angesprochen auf den Patzer des BVB. Damit traf er den Nagel unbeabsichtigt auf den Kopf. Schließlich lässt die Borussia eine Chance nach der anderen liegen, die Schaffenskrise der Bayern auszunutzen. Das Spiel in Stuttgart war dabei der Gipfel des Unvermögens.

BVB: Dortmund ist schon wieder eingebrochen

Trotz einer 2:0-Führung und einem Mann mehr ab der 39. Minute war Dortmund nicht in der Lage, den abstiegsbedrohten VfB zu besiegen und verhalf diesem zu einem historischen Comeback wie zuletzt vor knapp 43 Jahren. Am Ende durfte man sich sogar noch glücklich schätzen, dass es keine vier Gegentore waren.

Hinterher fielen Worte wie "unerklärlich", "unnötig" und "dumm". Um den Ernst der Lage zu verdeutlichen, ließ sich Edin Terzic sogar zu einem über drei minütigen Monolog hinreißen, bei dem er so emotional wirkte wie vielleicht noch nie in seiner Trainerlaufbahn.

Den Umstand, dass der BVB die Bayern trotz eines zwischenzeitlichen Rückstandes von zehn Punkten schon einmal überholt hat und pünktlich zum direkten Duell wieder unerklärlich eingebrochen ist, machen die ehrlichen Aussagen des 40-Jährigen aber auch nicht wett.

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FC Bayern: Schwächster Spitzenreiter in Europas Top-Ligen

Dass sich Bayern und Dortmund in dieser Saison alles andere als mit Ruhm bekleckern, stellt auch der Vergleich zu den anderen Topligen eindrucksvoll unter Beweis. Kein derzeitiger Spitzenreiter hat so einen schlechten Punkteschnitt wie die Bayern (2,11). In der Premier League würde es mit der mickrigen Ausbeute sogar nur zu Platz drei reichen, der BVB würde teilweise noch weiter zurückliegen.

Ein weiteres Sinnbild der blau-roten und schwarz-gelben Inkompetenz ist die Tatsache, dass Teams wie Union Berlin oder RB Leipzig - trotz katastrophalem Saisonstart - fast noch in Schlagdistanz liegen. Besonders die Sachsen dürften sich ärgern, dass sie gegen den VfL Bochum (0:1) und Mainz 05 (0:3) nicht gewonnen haben: Bei zwei Siegen wäre das Team jetzt punktgleich mit dem BVB.

Von einem hochklassigen Titelrennen kann also bei weitem nicht die Rede sein - vielmehr von einem grottigen Schneckenrennen.

FC Bayern und BVB im Vergleich zu Europas Top-Ligen

  • Zahlen auf zwei Stellen nach dem Komma gerundet
LigaPunkteschnitt ErsterPunkteschnitt Zweiter
Bundesliga2,11 (FC Bayern)2,04 (BVB)
Premier League2,39 (FC Arsenal)2,33 (Manchester City)
LaLiga2,52 (FC Barcelona)2,14 (Real Madrid)
Serie A2,50 (SSC Neapel)2,03 (Lazio Rom)
Ligue 12,32 (PSG)2,06 (Olympique Marseille) // 2,03 (RC Lens)