BVB: Das Spiel von Borussia Dortmund bleibt weiter sehr holprig
Neues Jahr, neues Glück: Blickt man auf das nackte Ergebnis, ist der Auftakt für Borussia Dortmund gelungen. Das 3:0 in Darmstadt war nicht nur der höchste Sieg des BVB in dieser Bundesligasaison, man blieb im achten Auswärtsspiel auch erstmals ohne Gegentor. Bereits im 20. Jahr in Folge kassierten die Westfalen keine Niederlage im ersten Bundesligaspiel eines neuen Kalenderjahres (15 Siege, fünf Unentschieden) - eine solche Serie ist in der Historie des Oberhauses einzigartig.
Arg viel mehr gute Nachrichten förderte die Partie am Böllenfalltor allerdings nicht zutage. Fußballerisch bleibt das Spiel des BVB weiter sehr holprig. Das ist angesichts der Eindrücke des ersten Halbjahres und besonders der finalen Partien 2023 alles andere als eine Überraschung.
Es wäre utopisch gewesen zu glauben, dass die Dortmunder nach zwei Wochen Pause und einer Woche Trainingslager ein gänzlich neues Gesicht zeigen. Dennoch waren weite Teile des Spiels, vor allem jedoch die erste halbe Stunde, mal wieder extrem schwach. Und dies wohlgemerkt gegen den sehr limitierten Tabellenletzten.
"Das wird kein Spiel sein, an das ich mich in zehn Jahren noch erinnern werde. Es war kein Augenschmaus. Der Ball war sehr schnell weg in den ersten 15 Minuten", sagte Julian Brandt, der aus dem Nichts das 1:0 erzielte, bei Sky.
BVB: Bei Borussia Dortmund hakt es weiter am meisten am Spielaufbau
Nach 19 Spielminuten lag Darmstadt im Passverhältnis mit 140 zu 80 vorne, zur Pause kam der BVB nur auf 47 Prozent Ballbesitz. Damit ließ sich schwerlich eine Kontrolle über die Partie herstellen. Am meisten gehakt hatte es wie schon in der gesamten Saison am Spielaufbau, einem fast fundamentalen Schwerpunkt während des Trainingslagers.
Dortmund fehlte dabei die Geschwindigkeit und auch die nötige Bewegung. Die Spieler hatten keine Sicherheit und noch weniger das Selbstverständnis in Ballbesitz, was nach den zuletzt dürftigen Leistungen ebenfalls nicht verwunderte. Erneut waren viele lange Bälle das Resultat. Dass der SVD aber körperlich präsenter und aggressiver im Gegenpressing war, sodass die Borussia gegen eine Abwehr mit bislang 41 Gegentoren in 16 Begegnungen lange Zeit ohne Torabschluss blieb und die Gäste auch am Ball gefälliger agierten, war eine weitere Enttäuschung in dieser an Enttäuschungen nicht armen Spielzeit.
"Es passte noch nicht so von den Abständen und Positionierungen", war der einzige Kommentar, den Edin Terzic unmittelbar nach Spielende dazu abgab. Der Trainer befand insgesamt, dass seine Mannschaft vielmehr "einen guten Schritt gezeigt" habe, schränkte aber zugleich mit einem aus dieser Spielzeit von ihm gut bekannten Satz ein: "Trotzdem wissen wir, dass noch sehr viel Arbeit auf uns wartet."
BVB: "Wir kommen hier nicht mit absolutem Selbstvertrauen an"
Die kann nun immerhin für längere Zeit ohne englische Wochen angegangen werden. Daran wird sich der BVB in den kommenden Wochen messen lassen müssen, denn die Hoffnung, dass es durch störungsfreie, intensiv genutzte Trainingswochen schließlich besser und runder läuft, haben alle Beteiligten.
"Wir brauchen nicht um den heißen Brei herumreden: Wir kommen hier nicht mit absolutem Selbstvertrauen an, das muss man auch ganz klar sagen. Wir müssen uns das von der ersten Sekunde an hart erarbeiten. Das wird ein bisschen dauern, aber mit kleinen Schritten kommen wir da raus", kündigte Marco Reus an, der das entscheidende 2:0 besorgt hatte. Der unabdingbare Sieg in Darmstadt war ein solcher Schritt, wenn auch ein ganz kleiner.
BVB: Die Debüts von Ian Maatsen und Jadon Sancho machen Dortmund Hoffnung
Der Faktor Zeit ist für Dortmund nicht nur bei der spielerischen Entwicklung in nächster Zeit wichtig, er betrifft natürlich auch die Eingewöhnung der beiden Winter-Leihneuzugänge Ian Maatsen und Jadon Sancho. Gerade beim Engländer, den Reus nach der Partie als "Unterschiedsspieler" bezeichnete, hatte dies Terzic bei Sky mit eindrücklichen Worten voller Pathos verdeutlicht.
"Ich habe keine Zeit. Er hat keine Zeit. Wir haben keine Zeit", sagte der Coach über Sancho. "Wenn er hier hinkommen will und Zeit einfordert - das geht nicht. Wenn wir über Fußball reden - herzlich willkommen. Wenn wir über Dinge außerhalb des Platzes reden - keine Chance."
Die befristete Rückkehr nach Dortmund ist für den 23-Jährigen Chance wie Risiko zugleich. Doch ein erster guter Auftakt ist gemacht. Dass Sancho über vier Monate nicht mehr auf dem Platz stand, war ihm zwar in einigen Aktionen anzumerken, doch das Positive nach seinem 35-minütigen Auftritt überwog.
Das beginnt allein schon mit der Tatsache, dass die Luft für 35 Minuten reichte. Größere Fitnessprobleme scheint Sancho nicht zu haben. An Motivation mangelt es ihm auch nicht, das war seit seiner Ankunft beim BVB in jedem der unzähligen Social-Media-Schnipsel zu sehen.
BVB-Rückkehr von Jadon Sancho: Recht viel Wirbel fürs erste Mal
Und so brachte er in Darmstadt auf Anhieb jene Spielfreude auf das Feld, die man von ihm aus seiner ersten Zeit in Dortmund gewohnt war. Sancho kam auf 28 Ballaktionen, schoss einmal aufs Tor, wurde bei einem Versuch noch geblockt und legte vor allem den wichtigen zweiten Treffer von Reus gekonnt vor.
Das war schon recht viel Wirbel fürs erste Mal, aber Obacht: Sancho feierte seine BVB-Rückkehr nach 966 Tagen gegen das Schlusslicht, das mit zunehmender Dauer körperlich abbaute und mehr Räume preisgab. Der Auftritt wird ihm dennoch dabei helfen, das zuletzt in Manchester gelittene Selbstvertrauen aufzubauen. Hat er dieses und dazu noch das Lächeln, wie es Terzic nannte, ist Sancho in der Lage, zugleich auch seine Mitspieler besser zu machen.
Einer davon ist seit ein paar Tagen Linksverteidiger Maatsen, dem ein sehr ansprechendes Debüt gelang. "Ian spielt, weil er gut ist, weil er fit ist und in den beiden Trainingseinheiten gezeigt hat, dass er bereit ist, von Beginn an zu spielen", sagte Terzic vor der Partie. "Die Daten und Werte, die wir bekommen haben, waren gut. Deshalb trauen wir ihm das zu. Wie lange die Kraft reichen wird, werden wir noch entscheiden."
BVB-Debüt von Ian Maatsen: Schnellster Spieler mit bester Passquote
Sie reichte für die komplette Spielzeit, in der der Niederländer nicht nur mit knapp 34 km/h der schnellste Spieler auf dem Feld war. Der athletische Maatsen zeigte auch eine gute Handlungsschnelligkeit, bewies Ruhe und Übersicht in Ballbesitz sowie einen ausgeprägten Vorwärtsdrang. Die knapp 94 Prozent angekommener Pässe zeugen von Abgeklärtheit, diese Zahl überbot kein Spieler aus der Startelf. Dazu ließ er sich im Defensivspiel nichts zuschulden kommen. Seine sechs Balleroberungen waren drittbester Wert beim BVB.
Der erste Eindruck macht durchaus Hoffnung, dass die Westfalen die Problematik links hinten mit ihm schließen können. Lässt Maatsen diesen Leistungen in den nächsten Wochen ähnliche folgen, dürfte es auch für den oft enttäuschenden Afrika-Cup-Fahrer Ramy Bensebaini eng werden.
BVB: Edin Terzics Verzicht auf Niklas Süle spricht Bände
"Wir haben drei Innenverteidiger auf einem sehr ähnlichen Niveau und damit sind wir sehr glücklich". Ein weiterer Satz, den Trainer Terzic schon häufig wiederholte. Zuletzt tat er dies im Oktober, weil er da mal wieder auf Niklas Süle und dessen Dasein als Reservist angesprochen wurde.
Das blieb nun aus, der Sky-Reporter durfte oder wollte Terzic die Frage nach Süles Bankplatz in Darmstadt nicht stellen. Dieser verwunderte nämlich schwer, schließlich fehlte Mats Hummels kurzfristig mit einer Grippeerkrankung.
Auf dessen Fehlen angesprochen, antwortete Terzic lapidar - und zugleich vielsagend: "Dafür rückt dann heute Emre Can in die Innenverteidigung, der das auch in der letzten Saison schon häufig für uns gespielt hat und der sehr viel in das Spiel hineinbringen kann, was heute wichtig ist, sowohl mit dem Tempo, als auch mit der Kopfballstärke. Auch letztes Jahr im Januar hat er uns auf dieser Position sehr viel Stabilität gegeben, deshalb haben wir uns heute dafür entschieden."
Kein Wort zu Süle, der schließlich in der 88. Minute noch für den leicht angeschlagenen Nico Schlotterbeck eingewechselt wurde. All dies zusammen spricht Bände über Süles aktuellen Status. Womöglich auch gleichzeitig über dessen physischen Zustand.
BVB erneut ohne Niklas Süle: "Es ist nicht mein Anspruch"
Dass ein gelernter Mittelfeldspieler, wenngleich er schon häufiger als Innenverteidiger auflief, ihm vorgezogen wird, sollte der 28-Jährige als Warnschuss begreifen. Bereits im ersten Halbjahr der Saison, darum ja auch die regelmäßigen Nachfragen, gab es für Süle kein Vorbeikommen an Hummels und Schlotterbeck. Nur viermal stand er in der Startelf, seine durchschnittliche Spielzeit beträgt 56 Minuten.
"In meiner bisherigen Karriere hatte ich das noch nicht, dass ich so wenig gespielt habe. Es motiviert mich und ich möchte in der Rückrunde hart an mir arbeiten. Ich bin der Meinung, dass ich ein Spieler bin, der Borussia Dortmund Woche für Woche und Spiel für Spiel helfen kann, seine Ziele zu erreichen", hatte Süle noch vor Jahresschluss erfrischend ehrlich gesagt. "Ich war sehr unzufrieden. Es ist nicht mein Anspruch, so wenig Einsatzzeiten zu bekommen. Ob ich die Meinung des Trainers immer teile oder eins zu eins genauso sehe, sei dahingestellt."
Mit Terzics Entscheidung in Darmstadt wird er gewiss nicht einverstanden sein. Seine von ihm geäußerte Hoffnung, "eine Riesenoption für die erste Elf bei der EM im eigenen Land" zu werden, schwindet weiter von Woche zu Woche.
BVB: Die restlichen Bundesligaspiele von Borussia Dortmund im Januar 2024
Datum | Wettbewerb | Gegner |
20. Januar, 15.30 Uhr | Bundesliga | 1. FC Köln (A) |
28. Januar, 17.30 Uhr | Bundesliga | VfL Bochum (H) |