Kontroverse Emre Can: Warum die Diskussionen um den Kapitän des BVB nicht aufhören

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Emre Can ist Kapitän von Borussia Dortmund und steht dort im Zentrum des Spiels - und oft auch der Kritik. Weil dem 30-Jährigen herausragende spielerische Fähigkeiten abgehen und er bei Ballbesitz des BVB zu häufig falsche Entscheidungen trifft.

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Dass es zu Saisonbeginn im Spiel von Borussia Dortmund noch an einigen Ecken knirscht und quietscht, überrascht nur bedingt. Die Veränderungen im Kader des BVB, aber auch außerhalb durch die Ernennung eines neuen Cheftrainers, waren mannigfaltig. Hinzu kam die gewohnt zerstückelte Vorbereitung, das Gros der Startelfspieler befindet sich noch keinen ganzen Monat im Trainingsbetrieb.

Coach Nuri Sahin sprach daher bislang häufig die Abläufe und Prinzipien an, die sein Team noch verinnerlichen muss und bat um Geduld. Die jedoch gibt es bei einem Verein wie dem BVB nur in homöopathischen Dosen, wie Sahin nach dem 0:0 gegen Bremen selbst anmerkte.

Der Auftakt liest sich rein auf dem Papier gelungen. Dortmund verlor unter Sahin noch keines der drei Pflichtspiele und fing sich in der Bundesliga noch kein Gegentor. Auch ist der neue taktische Ansatz im Ballbesitzspiel zu erkennen, das bereits jetzt ruhiger vonstatten geht als oftmals noch unter Vorgänger Edin Terzic.

Die Borussia versucht, den Ball in einem 3+2-Aufbau in die nächste Zone zu bringen und bespielt deutlich häufiger das Zentrum. Mit Nico Schlotterbeck, Niklas Süle und Waldemar Anton stehen drei Innenverteidiger dafür auf dem Platz, bei denen die Spielauslösung durchaus zu ihren Stärken zu zählen ist. Auf der rechten Bahn schiebt Julian Ryerson weit nach vorne und komplettiert eine Fünferkette in der Offensive.

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BVB-Spieler erkennen in Ballbesitz zu selten freie Räume

Soweit die Theorie. Beim Duell gegen Werder zeigte sich in der Praxis allerdings, wie den Dortmundern auch mit ihrem neuen Ansatz gut beizukommen ist. Die Hausherren agierten gegen den Ball sehr mannorientiert und stellten mit ihrer ersten Pressinglinie die Bälle der BVB-Verteidiger ins Zentrum zu. Ist dann das Positionsspiel der Schwarzgelben zu wenig flexibel und beweglich, bremst das den Spielaufbau zu Großteilen bereits aus.

Dieser Mittel bedienten sich bereits unter Terzic zahlreiche Teams und erzielten damit ähnlich vorzeigbare Erfolge wie die Bremer am Wochenende. Ist also stets ein Gegenspieler hinter Quarterback Pascal Groß her, braucht es von ihm, aber vor allem allen anderen Dortmundern mehr Rotation ohne Ball.

Zudem war gegen Frankfurt (2:0) und Bremen gut zu beobachten, dass manche BVB-Spieler in Ballbesitz zu selten freie Räume erkennen, in die sie hätten passen können, um den frühen Druck der Gegner ins Leere laufen zu lassen. Dazu bedarf es gewiss vielleicht auch einmal einem leicht höheren Risiko im Passspiel. Doch gerade mit einem ballsicheren und weitestgehend pressingresistenten Spieler wie Groß, der sich trotz der Bewachung häufig als Lösung anbot, hätte man so teils deutliche Raumgewinne erzielen können.

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BVB bräuchte von Emre Can herausragende spielerische Fähigkeiten

Weniger pressingresistent und einer der Profis, die mit dem Erkennen der angesprochenen Räume Probleme haben, ist Kapitän Emre Can. Der 30-Jährige spielt an Groß' Seite im defensiven Mittelfeld und bleibt weiterhin die größte Kontroverse in der Dortmunder Mannschaft.

Can hat in den beiden Bundesligaspielen insgesamt zehn Fehlpässe gespielt und 16 Ballverluste angehäuft. Das klingt viel, ist auch nicht wenig, aber damit steht er bei weitem nicht an der Spitze des teaminternen Rankings in diesen Kategorien.

Can ist eine Kämpfernatur mit hoher Physis, Aggressivität und Einsatzbereitschaft. Er besitzt Führungsqualitäten, sein Wort hat innerhalb des Teams Gewicht. Was ihm abgeht, sind herausragende spielerische Fähigkeiten, die der BVB von ihm auf dieser zentralen Position aber bräuchte - und zwar in der Mehrzahl der Partien, wenn Dortmunds Gegner tief stehen.

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Emre Can trifft in Ballbesitz zu häufig falsche Entscheidungen

Dann nämlich trifft Can in Ballbesitz schlicht zu häufig falsche Entscheidungen und leistet sich im Übergangsspiel zu viele Ballverluste. Gerade aktuell wirkt er mit der Kugel am Fuß im Vergleich zu Nebenmann Groß behäbig, er strahlt nur selten Sicherheit und vor allem Ruhe aus.

Dabei ist es nicht so, dass Can keine ordentliche Technik aufweist. Zusammen mit geschickten Bewegungen kann er sich durchaus aus engen Räumen befreien. Diese Momente blitzen immer mal in seinem Spiel auf. Sie bleiben aber selten und tauchen nicht konstant genug auf. Manchmal wirkt es, als spiele er überhastet Pässe, von denen er hofft, sie kommen an - auch wenn die Aussicht darauf eher gering ist.

Blickt man in die sozialen Medien, vergeht kaum ein BVB-Spiel, nach dem Can bei den Anhängern nicht im Kreuzfeuer der Kritik steht oder sich gar Zusammenschnitte seiner Negativszenen finden lassen. Seine überraschende Nominierung zum Spielführer im Vorjahr - auch während der Vorbereitung in diesem Sommer gab es Diskussionen um Cans Verbleib im Amt - hat den speziellen Blick auf und die Diskussionen um ihn noch einmal verschärft.

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Emre Can beim BVB: Seit 2020 nur zwei wirklich gute Halbserien

Doch auch die Vergangenheit spielt eine Rolle. Can kickt seit Januar 2020 für die Westfalen, neun Halbserien hat er nun im Dortmunder Trikot absolviert. Zwei davon waren wirklich gut, die anderen sieben genügten den hohen Ansprüchen des Klubs an einen Spieler, der 25 Millionen Euro kostet, eigentlich nicht.

"Es ist unfassbar manchmal in Dortmund. Es scheint von außen immer so negativ zu sein", sagte Can schon in der Vorsaison und antwortete nun bei der WAZ auf die Frage, ob er besonders kritisch begutachtet wird, so: "Das weiß ich nicht. Zur Wahrheit gehört, dass ich mich eigentlich bei allen Vereinen, in denen ich war, durchgesetzt habe, unter vielen großen Trainern gespielt habe. Sie sehen, was ich im Training leiste, was ich im Gym mache. Ob ich von der Öffentlichkeit kritischer gesehen werde als andere Fußballer, das kann ich ja nur schwer beeinflussen."

Interessant wird sein, wie Sahin mit Can nach der Gelb-Rot-Sperre für Schlotterbeck im kommenden Heimspiel gegen Tabellenführer Heidenheim umgeht. Zwar wird vermutlich Ramy Bensebaini die Rolle links in der Abwehrkette übernehmen. Doch auch Can könnte als Innenverteidiger aushelfen.

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BVB: Ist das Tandem Pascal Groß und Marcel Sabitzer die Lösung?

Dann würde wohl Marcel Sabitzer, der in der Mittelfeldrolle im rechten Halbraum noch wenig effektiv war, auf die Position neben Groß rücken. Liefe mit diesem Pärchen das BVB-Spiel geschmeidiger, wäre es Wasser auf die Mühlen der Kritiker, die Can am liebsten aus dem Dortmunder Spielaufbau heraushalten würden.

Ein Tandem zwischen Groß und Sabitzer könnte nach den bisherigen Beobachtungen in der Tat eine Lösung sein. Wie für alle seine Mitspieler gilt auch für Can, dass sie alsbald in der Saison ankommen und gemeinsam die spielerischen Kinderkrankheiten abstellen sollten. Dass über den 47-maligen deutschen Nationalspieler auch in diesem Fall weiter debattiert würde, gilt wohl trotzdem als sicher.

BVB: Die nächsten Spiele von Borussia Dortmund in der Bundesliga

Datum, UhrzeitGegner
Fr., 13. September, 20.30 Uhr1. FC Heidenheim (H)
So., 22, September, 17.30 UhrVfB Stuttgart (A)
Fr., 27. September, 20.30 UhrVfL Bochum (H)
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