SPOX: Herr Tarnat, seit Januar dieses Jahres sind Sie nicht mehr bei den Bayern angestellt. In der entsprechenden Mitteilung hieß es, dass Sie um die Freistellung gebeten hätten. Warum?
Michael Tarnat: Der Verein und ich hatten verschiedene Auffassungen darüber, wie es weiter gehen sollte. Als ich das bemerkte, habe ich aufgehört. In meinen Augen war es die logische Konsequenz, den Weg für andere Leute frei zu machen.
SPOX: Welchen Plan hätten Sie gerne verfolgt?
Tarnat: Mein Team um Jürgen Jung stand dafür, weiterhin auf Spieler aus der Region zu setzen. Darüber hinaus wollten wir Spieler aus Deutschland holen, die die Mannschaften deutlich besser machen. Ich bin davon überzeugt, dass wir gute Arbeit geleistet haben. Als ich begonnen habe, wurde die Nachwuchsarbeit mit einem Stern bewertet, mittlerweile sind es drei. Natürlich haben in den Jugendmannschaften die Titel gefehlt, aber mir ging es vielmehr um die Entwicklung der Jungs und da waren wir auf einem guten Weg. Die Nachwuchsspieler sollten so ausgewählt werden, dass sie den Sprung in den Profibereich schaffen können.
SPOX: Im Zuge der jüngsten Umstrukturierung wurde Heiko Vogel zu Beginn der Saison 2015/16 als sportlicher Leiter der Nachwuchsabteilung installiert. In der Folge waren Sie 'nur' noch für die U16 abwärts zuständig. Hat das eine Rolle bei Ihrer Entscheidung gespielt?
Tarnat: Ich hatte damit keine Probleme. Aber ich möchte immer etwas bewegen und wenn man unterschiedlicher Auffassung ist, geht das kaum. Deshalb musste ich mich entscheiden. Trotzdem ziehe ich ein positives Fazit und habe außerdem viel gelernt. Die Wunschvorstellung, wir könnten bis zur Rente beim selben Arbeitnehmer angestellt sein, ist unrealistisch. Wir haben uns im Guten getrennt und der FC Bayern bleibt mein Verein.
SPOX: Es scheint, als wäre Ihnen der Abschied schwer gefallen...
Tarnat: Das war keine leichte Entscheidung und ich habe lange mit meiner Frau darüber gesprochen. Aber wenn man mit Bauchweh zur Arbeit fährt, muss man die Konsequenzen ziehen.
SPOX: Nicht nur personell befindet sich der Nachwuchsbereich der Bayern im Umbruch. Wie haben Sie das miterlebt?
Tarnat: Nachdem Hoeneß im Jugendbereich eingestiegen ist, hat er die Entwicklung angeschoben. Für den Nachwuchsbereich war Uli ein Sechser im Lotto, das sieht man auch am neuen Leistungszentrum. Er ist sehr ehrgeizig und wird die Jugendarbeit zusammen mit Vogel und Wolfgang Dremmler revolutionieren.
SPOX: Welche Rolle wäre Ihrer Meinung nach für Hoeneß passend?
Tarnat: In erster Linie ist es wichtig, dass er zurückgekommen ist, denn Uli gehört zu Bayern München. Er ist ein Mann von nebenan: Uli Hoeneß hat für alle Mitarbeiter - egal ob U15-Trainer oder Sportvorstand - ein offenes Ohr und deshalb haben sich auf der Geschäftsstelle alle über seine Rückkehr gefreut. Ich hoffe, dass er in eine Position kommt, in der er zufrieden ist. Dann wird er wieder richtig anpacken.
SPOX: Sie selbst pflegen seit Jahren eine hervorragende Beziehung zu Uli Hoeneß. Welche Rolle spielte er bei Ihrem ersten Engagement als Funktionär?
Tarnat: Uli Hoeneß war für meinen Einstieg bei den Bayern verantwortlich. Er hat mir 2003 bei meinem Wechsel von Bayern München zu Manchester City gesagt, dass ich jederzeit wieder zurückkehren kann.
SPOX: Und der Kontakt blieb über die Jahre hinweg bestehen?
Tarnat: Ja, Uli und ich hatten und haben noch heute ständig Kontakt. Zu meiner Zeit in Hannover hat er mir geraten: "Spiele so lange Fußball, wie es geht. Es ist das Schönste, was es gibt. Wenn Du Deine Karriere irgendwann beendest, setzen wir uns zusammen und finden einen Weg." So ist es dann auch gekommen. Uli war für mich eine prägende Persönlichkeit und ist seit Jahren mein Ansprechpartner Nummer eins. Das ist aber typisch für Uli Hoeneß. Alle, die mal mit ihm zusammengearbeitet haben, suchen Ulis Rat. Als er vor zwei Jahren im Jugendbereich angefangen hat, haben wir sehr eng zusammengearbeitet - das war eine tolle Zeit.
SPOX: Trotzdem haben Sie im Januar die Zusammenarbeit beendet. Wie hat er diese Entscheidung aufgenommen?
Tarnat: Uli wollte mich halten und hat deshalb lange Gespräche mit mir geführt, in denen er mich von einem Verbleib überzeugen wollte. Aber meine Vorstellungen und die des Vereins gingen zu weit auseinander.
SPOX: Hoeneß' Wunsch war es seit jeher, ehemalige Profis als Verantwortliche im Verein zu etablieren. Mit Mehmet Scholl, Christian Nerlinger und Hans-Jörg Butt hat das zuletzt aber in mehreren Fällen nicht dauerhaft geklappt. Welche Hindernisse gibt es bei den Bayern?
Tarnat: Auch wenn es einige Beispiele gibt, die es nicht langfristig geschafft haben, sind genügend Verantwortliche schon jahrelang im Amt. Es ist toll, diese Möglichkeit überhaupt zu bekommen, immerhin wurden viele Ex-Profis ohne Vorkenntnisse ins kalte Wasser geschmissen. Ich persönlich war von Anfang an Feuer und Flamme für die Jugendarbeit bei Bayern.