Der Kumpel der Superstars

Paul Clement geht bereits in seine siebte Saison mit Carlo Ancelotti
© getty

Paul Clement bildet zusammen mit Hermann Gerland Carlo Ancelottis Co-Trainer-Team beim FC Bayern. Der Engländer, an dem im Sommer auch die FA interessiert war, unterstreicht die menschliche Komponente in der Arbeit mit den Spielern. In gewisser Weise ist er für seinen Chef unverzichtbar geworden.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Von den schlammigen Pfützen im Wimbledon Park über Chelsea, Paris, Madrid und Derby hat Paul Clement bis München schon eine ordentliche Reise hinter sich gebracht. Er hat Spieler wie Cristiano Ronaldo und Zlatan Ibrahimovic trainiert, die Champions League gewonnen und sich damit eine eindrucksvolle Reputation erarbeitet.

Man braucht nur über Clements Twitter-Profil zu scrollen, um zu erahnen, welches Standing er bei seinen ehemaligen Spielern hatte. Bei seiner letzten Station Derby County hingen noch vor wenigen Monaten eine Handvoll eingerahmter Trikots - mit persönlichen Nachrichten versehen: "Obrigado", stand über Cristiano Ronaldos königlicher Nummer 7 gekritzelt, "Thanks for everything, even the dodgy balls in the warm-up", hat David Beckham auf seinem Shirt hinterlassen.

Selbst Zlatan Ibrahimovic gab Clement eine Botschaft mit auf den Weg. Sie ist - wie sollte es beim polarisierenden Schweden auch anders sein - in einen kleinen Seitenhieb verpackt. Eine Witzelei, die aber ausschließlich Dankbarkeit in sich trägt: "To a great person and an excellent coach - even if you are English."

Es sind Erinnerungen an seine bisherigen Stationen, die mit großen Spielern und ebenso großen Titeln verbunden sind. "Mit einigen bin ich noch in Kontakt. Wir schreiben gelegentlich hin und her. Man fragt, wie es geht, oder beglückwünscht den anderen zu seinen Erfolgen", sagte der mittlerweile 44-Jährige dem Guardian. "Aber mit Carlo spreche ich mehr - am meisten von allen." Wenige Monate später schlugen sie gemeinsam an der Säbener Straße auf.

Ancelotti über Clement: Dynamisch und intelligent

Die erfolgreiche Beziehung Ancelotti-Clement begann 2009 bei den Blues. Mit Jose Mourinho, Avram Grant, Luiz Felipe Scolari, Guus Hiddink und Ancelotti sah Clement bei Chelsea fünf Trainer in vier Jahren kommen und gehen. Ancelotti beförderte ihn 2009 vom Nachwuchstrainer zum Assistenten der Profis.

"Boss" oder "Coach" nennt er seinen Cheftrainer Ancelotti bis heute. Auch auf Twitter, wenn er den Mister lobt, dessen Biographie promotet oder einfach nur gemeinsame Erinnerungen postet. Aus jeder Zeile ist größter Respekt herauszulesen.

Jetzt, da sie in München wieder zusammenarbeiten, geht das Trainer-Duo in das siebte gemeinsame Jahr. Immer, wenn Ancelotti anrief, folgte Clement. Neben Chelsea arbeitete Clement auch bei PSG und Real Madrid als Co-Trainer des Italieners.

Es war nicht nur die schnell entstandene Freundschaft, die Ancelotti dazu bewog, Clement zu den größten Vereinen Europas mitzunehmen, sondern seine Überzeugung, "dass Clement einer der dynamischsten und intelligentesten Trainer" ist, die er je kennengelernt hat.

Allardyce wollte ihn unbedingt

Clement stammt aus einer Fußballfamilie: Sein Vater Dave, der sich das Leben nahm, als Paul zehn Jahre alt war, spielte einst für die Queens Park Rangers und die Three Lions. Dessen noch mit Dreckflecken besudeltes Nationalmannschafts-Trikot von vor etwa 40 Jahren ließ sich Clement ebenfalls einrahmen - gleichermaßen schwerwiegende wie glorreiche Erinnerungen.

Auch sein Bruder Neil schnürte für West Brom in der Premier League die Schuhe. Clement selbst schaffte als Aktiver dagegen nie den Sprung nach ganz oben. Bedauern tut er das nicht. Im Gegenteil: "Ich bin sehr stolz auf meinen Hintergrund. Das machte mich vielleicht zu dem, der ich heute bin. Ich habe mich als Lehrer und Trainer, als Organisator und Kommunikator etabliert", sagte er zur BBC.

Es kommt auch nicht von ungefähr, dass die FA Clement im Sommer als Assistenten für den neuen Nationalcoach Sam Allardyce wollte. Der gelernte Sportlehrer unterstützte im Frühling dieses Jahres bereits Gareth Southgate bei Lehrgängen der englischen U21. Die positiven Resonanzen führten dazu, dass Clement Allardyces Wunschkandidat war. Doch die Bayern untersagten die Doppeltätigkeit - verständlich, beim ohnehin proppenvollen Terminkalender.

Eigenschaften, die man nicht lernen kann

Gut zwei Monate arbeitet Clement nun in München. Zusammen mit Hermann Gerland, der als Assistent die gleiche Rolle einnimmt wie schon unter Louis van Gaal, Jupp Heynckes und Pep Guardiola.

"Paul arbeitet viel im Standard- und Taktikbereich mit. Er verfügt bereits über große Erfahrung und zusammen mit Ancelotti ist er schon ein eingespieltes Team. Das merkt man in jeder Trainingseinheit", beschreibt Sven Ulreich Clements Arbeit auf dem Platz gegenüber SPOX.

Taktisch ist er ein Fachmann. Ancelotti weiß Clements Spielverständnis zu schätzen. Viel wichtiger ist dem Cheftrainer aber die Menschenkenntnis des Engländers, die Einfühlsamkeit, die man nicht lernen kann. Es ist sein Umgang mit den Spielern, der ihn so wertvoll macht.

"Das Problem ist, dass es im Fußball mittlerweile so viele Daten und Statistiken gibt. Doch man braucht auch Leute, die etwas Sinnvolles damit anstellen. Das menschliche Auge ist dabei genauso wichtig: Ein guter Trainer erkennt, wenn sich ein Spieler unwohl fühlt. Entsprechend ist es extrem wichtig, mit den Spielern zu sprechen", sagt Clement.

Lob von den Spielern

"Ich habe mich immer gefragt: Wie kann man Superstars wie Drogba, Ibrahimovic und Ronaldo noch herausfordern? Wie kann man das Training so gestalten, dass es ihnen Spaß macht und sie trotzdem weiterbringt? Sie brauchten gewisse Freiheiten, um ihre beispiellosen Fähigkeiten auszuleben - aber sie brauchten auch Struktur und Grenzen. Für diese Spieler ist es zu einfach, wenn sie am Ball Zeit und Raum haben. Also haben wir beides reduziert und sie mussten schneller denken und agieren. Sie haben das verstanden und waren dankbar für diesen Professionalismus", erklärt Clement.

Franck Ribery, Arjen Robben, Philipp Lahm und Co.: Sie werden diese neuen Reize schnell kennenlernen. "Bei so einem großen Klub wird von den Spielern erwartet, dass sie jedes Spiel gewinnen. Das ist ein großer Druck, der auf ihnen lastet. Carlo und ich versuchen, das Training so zu gestalten, dass wir nicht noch zusätzlichen Druck erzeugen. Den brauchen sie nicht. Für den sorgen bereits der Klub, die Fans und die Medien", sagte Clement während seiner Zeit bei Real.

"Er ist ein sehr umgänglicher Typ, der immer einen lockeren Spruch auf den Lippen hat. Es macht Spaß, mit Paul zusammenzuarbeiten", erklärt Ulreich. "Er ist in seinem Umgang immer sehr ehrlich. Wenn er etwas sieht, was ihm nicht passt, dann spricht er es auch an. Sein Verhältnis zu den Spielern ist bisher wirklich gut."

Ancelotti ohne Clement? Rente!

Clement ist es wichtig, "dass die Spieler ihre Rolle verstehen, sich mit ihr identifizieren und sich darin wohlfühlen. Sie müssen verstehen, wo sie ins Team passen". Dafür ist vor allem er zuständig.

"Er spricht viel mit uns und ist für viele Übungen während der Trainingseinheiten zuständig. Man merkt, dass er Ahnung von dem hat, was er tut", lobt Lahm: "Ich erlebe ihn bisher als sehr kompetent."

Doch Clements Aufgabe dient nicht allein den Spielern. Sie ist in gewisser Weise auch eine Herzensangelegenheit für seinen Freund Ancelotti. Es verwundert daher nicht, dass der Engländer nach seiner Cheftrainertätigkeit in Derby gleich wieder bei seinem Lehrmeister einstieg: "Ich war bisher immer da, um Carlo zu unterstützen."

Ancelotti weiß diese Treue sehr zu schätzen. "Er sagte, dass er an dem Tag, an dem ich nicht mehr als Assistent an seiner Seite stehe, zurücktreten und in Rente gehen müsse", erinnert sich Clement zurück. Es war ein Scherz. Ein Scherz, der zeigt, welche Bedeutung Clement hat.

Alles zum FC Bayern