Allzu lange sind diese Szenen noch gar nicht her. Nicht einmal zwei Jahre, um genau zu sein. Und doch hat man sie längst verdrängt. Denn die Umstände sind mittlerweile ganz andere. Ganz, ganz andere.
Die Bayern treffen im Achtelfinale der Champions League auf Schachtjor Donezk und damit auch Franck Ribery auf Douglas Costa. Für jeden Zuschauer offensichtlich: Diese Auseinandersetzung entwickelt sich zum Hassduell. Auffallend oft springt Costa dem Bayern-Star von der Seite und von hinten in die Beine. Der ohnehin leicht reizbare Ribery erhitzt schnell, behakt sich mit seinem Gegenspieler immer wieder. In einer dieser Aktionen an der Mittellinie keilt Costa aus. Mit dem Ellbogen streckt er den heraneilenden Ribery zu Boden.
Schiedsrichter Mallenco weiß offenbar sofort, wie er die Situation zu bewerten hat: Gelb. Die Bayern sind entrüstet, zumal sich Costa eine ähnliche Tätlichkeit schon in der ersten Hälfte gegen Alaba erlaubt hatte. Bei all seinen nachfolgenden Aktionen in diesem Spiel wartet jeder nur darauf, dass es noch einmal knallt.
Keine fünf Monate später ist Douglas Costa offiziell Spieler des FC Bayern München.
Franck Riberys rasante Ablösung
Seit Costa im Juli 2015 an der Säbener Straße aufschlug, ging der Hahnenkampf mit Ribery weiter. Auf einer anderen Ebene, versteht sich. Die Attacken fielen natürlich weniger körperlich aus. Es waren vielmehr Angriffe auf den Stammplatz des Franzosen.
Der musste dem Brasilianer diesen in den ersten Monaten erst einmal kampflos überlassen. Ribery plagten Sprunggelenksprobleme, er fiel bis zur Rückrunde aus. Wirklich vermisst wurde er in der Öffentlichkeit auch nicht. Eigentlich extrem illoyal, hatte sich König Franck im deutschen Fußball über Jahre doch eine beispiellose Ausnahmestellung erarbeitet.
Aber Bayern brauchte ihn nicht. Nicht dringend, jedenfalls. Denn Douglas Costa war ja da. Und der wusste zu überzeugen. Mitspieler, Verein, Konkurrenz, Medien: Alle feierten den Neuzugang ob seiner Spritzigkeit und Torgefahr auf dem linken Flügel. Zwei Treffer und zwölf Vorlagen gelangen Costa in seinen ersten 13 Bundesliga-Spielen. Eine Diskussion erübrigt sich da von selbst.
Costas Effektivität auf Abwegen
Doch seitdem tut sich Costa schwer, den überwältigenden ersten Eindruck zu bestätigen. Schon in der Rückrunde der vergangenen Saison baute er zunehmend ab, immer häufiger wurde ihm von Pep Guardiola wieder Ribery vorgezogen.
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Unter Carlo Ancelotti ist der Konkurrenzkampf auf dem linken Flügel wieder komplett offen. Ziemlich genau gleich oft und lang spielten die Kontrahenten in der Hinrunde auf dem linken Flügel. Und ziemlich gleich lesen sich die Statistiken der beiden im Vergleich. Nur in einem Punkt hat Ribery deutliche Vorteile: Es sind die Torvorlagen.
Siebenmal assistierte der Franzose in dieser Saison bereits in der Bundesliga, Costa nur einmal. Genau diese Effektivität fehlt dem 26-Jährigen seit seiner ersten Halbsaison in München. Er hat seine Geradlinigkeit verloren, sein Spiel hat zu viele Schnörkel, er trickst zu viel und spielt nicht zielführend.
Daten-Vergleich: Costa vs. Ribery 2016/17
Douglas Costa: Immer ein Aber
Costas Beurteilung ist in Gänze aber gar nicht so einfach: Sein Einfluss über die gesamte Dauer eines Spiels hat zwar nachgelassen. Der Brasilianer taucht immer wieder über längere Zeit ab oder verdribbelt sich phasenweise verträumt auf dem Flügel. Hinzu kommt, dass er den ungeliebten Verteidigungs-Spirit, den sich Ribery über Jahre mühevoll aneignete, noch längst nicht in dem Maße hat. In der Rückwärtsbewegung ist Costa selten eine Hilfe.
Und doch zeichnet er regelmäßig verantwortlich für entscheidende Momente: Der Sieg in Darmstadt war so ein Beispiel. Völlig aus dem Nichts packte Costa seine linke Klebe aus, schweißte den Ball für einfallslose Bayern unter die Latte und bescherte dem Meister drei wichtige Punkte vor dem Spitzenspiel gegen Leipzig. Nicht mehr, aber eben auch nicht weniger. Seit geraumer Zeit wandelt er in einem Zustand des Widerspruchs: Das war gut, ABER ... Das war schlecht, JEDOCH ...
Wieder mehr Vorsatz gegen Ribery
Jetzt, wo es langsam in die entscheidenden Wochen geht, ist Ribery erneut verletzt. Und Costa steht in der Verantwortung. "Ich versuche, alles zu machen, was Franck für den FC Bayern erreicht hat. Weil er ein Typ ist, den ich sehr mag, er ist mein Freund, der mir viele Ratschläge gibt und wir reden auch viel. Ich glaube, dieser Austausch zwischen uns ist sehr gut", sagte Costa im Omnisport-Interview. Zwei Wochen soll Ribery FCB-Angaben zufolge nur fehlen. Doch Costas Mission gilt nicht nur kurzfristig.
Der FC Bayern, allen voran derzeit Ancelotti, vertraut auf ihn, weil er in ihm nach wie vor die Zukunft sieht. Costa muss dazu aber den Zweikampf mit Ribery wieder pflichtbewusster annehmen als das im letzten Jahr der Fall war. Ohne Ellbogen, aber genauso vorsätzlich wie damals.
Douglas Costa im Steckbrief