Douglas Costa verlässt den FC Bayern München nach zwei Jahren und schließt sich für eine Rekord-Ablösesumme Juventus Turin an. Nach einer starken Anfangsphase hat sich der Brasilianer in den letzten anderthalb Spielzeiten mit seiner Haltung auf und nebem dem Platz ersetzbar gemacht. Die Trennung ist alternativlos - vor allem weil Costas Mentalität nicht zu der des Vereins passt.
Der Anfang kam mit einem Knall.
"Ich wusste, dass er schnell ist, aber er ist einfach zu schnell", haderte Vieirinha. Zuvor hatte der Rechtsverteidiger vom VfL Wolfsburg im Spiel um den deutschen Supercup 2015 meist nur die Hacken seines flinken Gegenspielers gesehen.
Erst einige Wochen zuvor war Douglas Costa von Schachtjor Donezk zum FC Bayern München gewechselt. Die Ablösesumme von 30 Millionen Euro hatte einige überrascht, schließlich war der brasilianische Flügelspieler nur Insidern ein Begriff.
Sein erster Pflichtspielauftritt im roten Trikot hinterließ die Zweifler mit offenen Mündern. Und mit Respektsbekundungen gegenüber dem Bayern-Scouting. Der Arbeitsnachweis: eine Torvorlage, zahlreiche Tempodribblings und Flanken aus vollem Lauf, sprühende Spielfreude.
Douglas Costa überzeugte anfangs beim FC Bayern
In den folgenden Wochen bestätigte Costa den starken Auftritt im ersten Pflichtspiel. Es war der Beginn einer riesigen Euphorie um den schnellen Außenstürmer, die diesen durch den Herbst trug. Fans, Kritiker und Mitspieler feierten den Neuzugang. Von den 30 Millionen Euro Ablöse schien kein Cent zu viel.
Knapp zwei Jahre später kommt das Ende ohne Knall. Beinahe stumm.
Nach zwei Spielzeiten steht Costa vor dem Abgang. Am Montag meldete der kicker, dass sich der deutsche Rekordmeister mit Juventus Turin auf einen Transfer des 26-Jährigen verständigt habe. Und zwar nicht für einen Apfel und Ei, nein, Costa wechselt demnach für 40 Millionen Euro nach Turin und wird damit zum teuersten Spielerverkauf der Vereinshistorie (zuvor: Kroos mit 30 Millionen).
Scholl zweifelt an Costas Wert
Klub und Spieler ziehen einen Schlussstrich unter zwei Jahre, die nur anfangs von Begeisterung geprägt waren. Im Sommer 2017 bedauert in München kaum jemand Costas Abgang. Oder wie es Mehmet Scholl in der ARD formulierte: "Grundsätzlich ist er kein Spieler, den der FC Bayern vermissen würde."
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In den letzten anderthalb Saisons hatte sich immer mehr der Eindruck verfestigt, dass die Beziehung zwischen Bayern und dem brasilianischen Nationalspieler nicht mehr funktionierte. Sportlich wie menschlich.
Dabei lesen sich die nackten Zahlen aus zwei Bundesliga-Jahren in München gar nicht verkehrt. In 50 Spielen erzielte Costa acht Tore und bereitete zwölf weitere vor.
Ein Blick auf die Verteilung der Scorerpunkte relativiert diesen Eindruck jedoch - zwölf Assists und zwei Tore davon sprangen nämlich bereits in seinen ersten elf Partien für die Bayern heraus. In der Phase der großen Euphorie um den Neuzugang, der voll und ganz eingeschlagen hatte.
Muskuläre Probleme, die sich ab Mitte November 2015 einschlichen, beendeten die überragende Form des Brasilianers, zu der er seit jeher nicht mehr fand.
Die BL-Saisonstatistiken der beiden Bayern-Saisons von Douglas Costa im Vergleich.
Costa sorgt für Highlights - aber ohne Konstanz
Schon in der Rückrunde unter Pep Guardiola war Costa kein unumstrittener Stammspieler mehr. Wegen eigener Formschwankungen, aber auch wegen des nach langer Verletzung wieder genesenen Franck Ribery.
In der neuen Saison unter Carlo Ancelotti setzte sich der Abwärtstrend fort. Glanzlichter waren zwar noch vorhanden: Ein Traumtor zum 1:0-Sieg im Hinspiel gegen den SV Darmstadt 98, die bärenstarke Leistung im Hinrundengipfel gegen RB Leipzig, oder der überzeugende Kurzauftritt im Champions-League-Achtelfinal-Rückspiel gegen Arsenal (19 Minuten, ein Tor, ein Assist). Sie bildeten allerdings eine seltene Ausnahme.
Stattdessen war Costa meist ein Mitläufer, dem wenig gelang, der häufig falsche Entscheidungen traf und sich immer wieder in aussichtslosen Dribblings aufrieb. Wirkten technisch anspruchsvolle Zirkusnummern in seiner Anfangszeit noch als Zeichen von Spielfreude, standen sie in der öffentlichen Wahrnehmung plötzlich eher für eine unkonzentrierte, unsachliche Einstellung zum Spiel. Zumal er dann, wenn seine Kabinettstückchen nicht klappten, die Schultern hängen ließ.
Ribery, Robben und Müller als Gegenentwurf
Der Eindruck verfestigte sich von Woche zu Woche zunehmend, dass Costa das Gegenteil von Mentalitätsspielern wie Franck Ribery, Arjen Robben oder Thomas Müller ist. Spielern, denen auch nicht immer alles gelingt, die aber ein ums andere Mal wieder anrennen und für den puren Willen stehen, die das Mia san mia der Bayern auf dem Platz repräsentieren.
Auch neben dem Platz sorgte der Brasilianer vor allem in seinem zweiten Jahr nicht ausschließlich für positive Schlagzeilen. Schon nach seinem Selfie-Jubel im Spiel gegen Borussia Mönchengladbach im Oktober forderte Arjen Robben ihn auf, "den Gegner respektieren" zu müssen.
Erste richtige Risse zwischen dem Brasilianer und dem Klub gab es schließlich im Februar, als Costa (oder in diesem Fall der Berater in seinem Namen) in einem Interview offensiv mit einem Wechsel kokettierte, auf das Interesse diverser Topvereine und "millionenschwere Angebote" aus China verwies.
Rüffel von Uli Hoeneß
Uli Hoeneß machte seinem Ärger anschließend Luft: "Wenn da jemand glaubt, dass man den FC Bayern von außen unter Druck setzen kann, dass man ihm mehr Geld bezahlt, dann scheint er uns alle schlecht zu kennen. Das ist der verzweifelte Versuch, uns zu sagen, dass er zu wenig Geld verdient. Das kann er noch zehnmal machen, es wird ihm nichts nützen."
Zwar war die Spitze eindeutig gegen Costas Berater gerichtet, so richtig warm wurden Verantwortliche und Fans bei den Münchnern spätestens seit diesen Vorfällen nicht mehr mit dem Brasilianer und seinem Clan.
Real Madrid als Costas sportlicher Tiefpunkt
Den sportlichen Tiefpunkt erlebte Costa schließlich im April dieses Jahres. In beiden Spielen gegen Real Madrid wurde er im Champions-League-Viertelfinale in der Schlussphase eingewechselt. In beiden Fällen wirkte er lustlos, unengagiert, passiv. Weder die Einstellung zur Partie noch die Fähigkeit, einen Impuls zu setzen, zeigte der Außenstürmer.
Kommentator-Legende Marcel Reif zeigte im Sport1-Doppelpass kein Verständnis dafür: "Das Schlimmste war die Körpersprache von Costa. Das ist eine Unverschämtheit. Jetzt darf er mal ran und kommt mit hängenden Schultern aufs Spielfeld."
Spätestens jetzt schien Costas Ende in München besiegelt zu sein.
Zwar sprach es keiner der Verantwortlichen je offiziell aus - es wäre ja für die Verhandlungen mit anderen Klubs auch fatal gewesen -, doch es war klar: Sollte ein Klub mit einem Angebot für Costa an die Bayern herantreten, würden diese sich gesprächsbereit zeigen. Anders als bei anderen heiß umworbenen Leistungsträgern.
Costa-Transfer wirtschaftlich ein voller Erfolg
Dieser Verein kam mit Juventus Turin. Dass nach den Verhandlungen sogar eine 40-Millionen-Euro-Ablöse im Raum steht, ist angesichts der verfahrenen Situation der best case für den FC Bayern.
Mit einem Spieler, der nur ein halbes von zwei Jahren vollends überzeugte, machten die Münchner - vereinfacht gerechnet - unter dem Strich zehn Millionen Euro Gewinn. Wirtschaftlich ist der Transfer ein voller Erfolg, die Mentalität der Mannschaft verliert durch den Abgang nicht an Substanz, auch sportlich wird er nach den Eindrücken der vergangenen Saison zu ersetzen sein, zumal die Bayern mit Serge Gnabry einen jungen, hungrigen Nachfolger präsentiert haben.
Der Spieler hat seinen Willen, die Bayern ihren, Juventus eines seiner erklärten Transferziele. Alle gewinnen.
Zurück bleiben die Bayern lediglich mit einer Frage, die wohl nie zu 100 Prozent aufgelöst werden wird: Spielte Costa im Herbst 2015 über oder anschließend unter seinen Möglichkeiten?
Douglas Costa im Steckbrief