Der FC Bayern holt Serge Gnabry! Knapp zehn Monate ist es her, da lief diese Meldung schon einmal über die Nachrichtenticker in Deutschland. Von acht Millionen Euro Ablöse und einem sofortigen Leihgeschäft mit Werder Bremen war die Rede.
Es entwickelte sich ein kurioses Verwirrspiel um die Personalie Gnabry, der in den Wochen zuvor bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro auf sich aufmerksam gemacht hatte. Am Ende wechselte Gnabry tatsächlich nach Bremen, aber die Gerüchte um den FC Bayern blieben.
Selten hielten sich Spekulationen um einen Transfer und seine vertraglichen Ausprägungen so lange wie im Fall Gnabry. Am Ende war es so, dass die Bayern den Wechsel zu Werder durchwinkten, sich Gnabry aber in Bremen eine Ausstiegsklausel in den Vertrag schreiben ließ. Mit den Münchnern war verabredet, diese wenn nötig für einen Transfer zum FC Bayern zu ziehen.
Hat Gnabry das Zeug für den FC Bayern?
Und so kam es dann auch. Am Donnerstag bestätigte Werder, dass Gnabry seine Ausstiegsklausel gezogen habe, seinen neuen Verein verrieten beide Seiten aber nicht. Das übernahm am Sonntagmittag dann der FC Bayern, der in einer Presseerklärung den Drei-Jahresvertrag für Gnabry in München bestätigte.
Überlegung: Leiht Bayern Gnabry direkt wieder aus?
"Wir freuen uns, dass in Serge Gnabry ein weiterer junger, deutscher Nationalspieler zum FC Bayern kommt. Serge hat in Bremen eine sehr gute Entwicklung genommen", ließ sich Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge in diesem Kommuniqué zitieren.
Nach Sebastian Rudy und Niklas Süle (beide 1899 Hoffenheim) ist Gnabry der dritte echte Neuzugang für die kommende Saison. Rummenigges Einschätzung stimmt insofern, dass sich Gnabry bei Werder durchgesetzt und sich schnell zum A-Nationalspieler gemausert hat.
Richtig überzeugend waren Gnabrys Leistungen vor allem in der Hinrunde. Als Werder in der Rückrunde seinen starken Lauf hatte und fast noch nach Europa marschiert wäre, fehlte Gnabry allerdings lange Zeit verletzt. Am Ende der Saison war er nur noch Ersatz, Trainer Alexander Nouri hatte keinen Stammplatz mehr in der gut funktionierenden Werder-Mannschaft. Das schürt natürlich Zweifel an der Bayern-Tauglichkeit des Angreifers.
Kommt Hoeneß' Granate noch?
Aber die Bayern scheinen überzeugt von Gnabry, sonst hätten sie sich nicht vergangene Saison schon mit ihm beschäftigt und diesen Deal ausgehandelt. Die Münchner verlassen sich dabei auch auf das Urteil von Michael Reschke, der für die Münchner bei Olympia vor Ort war.
Der Transfer trägt auch deutlich klarer die Handschrift Reschkes als die von Uli Hoeneß. Der Präsident hatte sich am Rande der Meisterfeier in Sachen Transfers enorm offensiv geäußert und als Kaderverstärkung "ziemliche Granaten" in Aussicht gestellt.
Gnabry ist sicherlich nicht die größte Lösung auf dem Transfermarkt, aber seine Verpflichtung hat doch gewaltigen Einfluss auf die weiteren Bemühungen der Münchner.
Costa darf gehen - Sanchez kommt wohl nicht
Zum einen rückt damit ein Abschied von Douglas Costa in diesem Sommer immer näher. Der Brasilianer hat sich mit mehreren öffentlichen Äußerungen ins Abseits gestellt, die Bayern werden ihm keine Steine in den Weg legen.
Außerdem steigen die Zweifel, ob die Bayern Alexis Sanchez vom FC Arsenal verpflichten. Der Chilene wäre aufgrund seiner Flexibilität eine Alternative für die Außenbahn und damit auch ein Costa-Ersatz gewesen, aber auch ein Backup im Sturmzentrum für Robert Lewandowski.
Allerdings dürfte das von der Sanchez-Seite aufgerufene Paket mit einem Jahresgehalt von über 20 Millionen Euro den Bayern einen Strich durch die Rechnung gemacht haben. Es ist mehr als unwahrscheinlich, dass die Münchner ihr Gehaltsgefüge für den Chilenen komplett sprengen und Sanchez zum alleinigen Top-Verdiener machen. Die Gerüchte um einen Wechsel Sanchez' zu Manchester City erhalten damit noch mehr Nahrung.
Die BL-Saisonstatistiken 2016/17 von Serge Gnabry und Douglas Costa im Vergleich.
Gnabry-Transfer für Bayern fast ohne Risiko
Gnabry ist nicht ganz so flexibel einsetzbar wie Sanchez und vor allem kein möglicher Ersatz für Lewandowski, insofern scheinen sich die Bayern von einer Ein-Mann-Lösung für die Offensive verabschiedet zu haben. Ein Mittelstürmer dürfte noch kommen. Dass dieser wirklich Zlatan Ibrahimovic heißt, dessen Vertrag bei Manchester United nicht verlängert wird, ist eher unwahrscheinlich, hätte aber Charme.
Die Aufgabe Gnabrys wird es sein, die noch immer spielbestimmenden Arjen Robben und Franck Ribery zu entlasten und die Verantwortlichen davon zu überzeugen, dass er langfristig einen der beiden mit seiner Spielweise ersetzen kann.
Das Risiko, das die Bayern mit diesem Transfer eingehen, ist verhältnismäßig gering. Die acht Millionen Euro Ablöse sind für den FCB kaum der Rede wert, sein Entwicklungspotenzial ist unbestritten und er ist als Außenspieler deutlich torgefährlicher (elf BL-Saisontore) als Costa (vier) oder Kingsley Coman (zwei).
Und die Bayern wollten sich die nächste Chance auf einen potenziellen Nachfolger auf der Außenbahn nicht noch einmal entgehen lassen wie vor einem Jahr bei Leroy Sane. Damals nahmen die Münchner aufgrund ihrer Vierfach-Besetzung und der finanziellen Größenordnung Abstand von einem Transfer.
Gnabry: Shitstorm wegen BVB-Tweet
Für Gnabry eröffnen sich anderthalb Jahre nach dem Ende seines enttäuschenden Leihgeschäfts an West Bromwich Albion damals noch ungeahnte Möglichkeiten. Die Wirrungen des Fußballgeschäfts haben ihn plötzlich zu einem der Top-Vereine Europas gespült.
Dass er sich vor fünf Jahren noch mehr für den ärgsten Rivalen aus Dortmund begeistern konnte, wird er sicherlich noch erklären müssen und hat ihm auch schon den ersten kleineren Shitstorm eingebracht.
Behindern wird das seinen Start in München nicht, aber einen Vorgeschmack auf die Aufgeregtheiten auf der großen Bühne hat er damit schon mal bekommen.
Serge Gnabry im Steckbrief