Nach der Entlassung von Carlo Ancelotti sucht der FC Bayern einen neuen Trainer - und hat dabei drei Möglichkeiten: Soll das Werk von Pep Guardiola weitergeführt werden? Soll der Klub die Initiativbewerbung von Julian Nagelsmann annehmen? Oder soll das mia-san-mia-Gefühl weiter gestärkt werden?
Die Pep-und-Sofort-Lösung: Thomas Tuchel
"Sie haben sich in München regelmäßig zum Abendessen getroffen und dann Salz- und Pfefferstreuer auf dem Tisch wie Spieler hin- und hergeschoben", sagte der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge mal und meinte natürlich Pep Guardiola und Thomas Tuchel. Ein Jahr lang arbeiteten sie gleichzeitig in Deutschland. Guardiola trainierte den FC Bayern, Tuchel Borussia Dortmund. Getrennt waren sie in den Farben, aber vereint in der Sache. Sie beide sahen und sehen sich als Botschafter des schönen Spiels. Des dominanten Ballbesitz-Fußballs, wie ihn einst Johan Cruyff lehrte.
Mit genau diesem Fußball dominierte der FC Bayern unter Guardiola die Bundesliga drei Jahre lang beinahe nach Belieben. So sehr, dass ihm gegen Ende seiner Amtszeit sogar teilweise aus dem eigenen Fan-Lager Langeweile vorgeworfen wurde. Langweile, nach der sich der FC Bayern derzeit sehnt. Denn die Selbstverständlichkeit, mit der Guardiolas Mannschaft spielte, ging unter Carlo Ancelotti gänzlich verloren.
Schon in der vergangenen, aber noch mehr in dieser Saison fehlte der Mannschaft ein schlüssiges taktisches Konzept. Ancelotti setzte in der alltäglichen Arbeit andere Prioritäten. Auch wenn es daran zum Ende seiner Amtszeit beim FC Bayern ebenfalls mangelte, gilt Ancelotti doch als Experte für zwischenmenschliche Beziehungen. Dort, wo Guardiola und der charakterlich ähnlich gestrickte Tuchel vermeintliche Schwächen haben. Guardiola verziehen seine meisten Spieler diese Schwächen aber, zu gut und zielführend waren seine taktischen Schulungen. Die Spieler waren es auch, die Guardiola zu einem Verbleib überreden wollten - vergeblich.
Mit Tuchel stünde ein Trainer bereit, der das Erbe von Guardiola fortführen könnte. Nachdem sich Tuchel und Guardiola in Deutschland beim Pokalfinale 2016 letztmals gegenüber gestanden sind, nannte der Katalane seinen Widersacher "einen der besten Trainer der Welt" und lobte: "Er hat die Spielweise von Dortmund in zwei, drei Monaten verändert, das ist nicht einfach."
Inspiration holte sich Tuchel dabei auch von Guardiola. Bei dessen Abschied vom FC Bayern schwärmte Tuchel: "Ich habe noch mal neu gelernt, was dieses Spiel alles für uns bereithält. Das strukturierte Positionsspiel, der Passrhythmus, die Ballannahme und -mitnahme und das absolut mutigste und fleißigste Verteidigen von Topstars, das ich bis dahin gesehen hatte."
All das sind Feinheiten, die dem FC Bayern unter Ancelotti weitestgehend fehlten. Feinheiten, die von den Bossen geschätzt werden. "Tuchel hat mir immer gut gefallen, schon, als er noch in Mainz war", sagte Rummenigge mal und auch, dass er dessen Fußballphilosophie "sehr gut" findet.
Tuchel würde versuchen, den FC Bayern zu dem zu machen, was er unter Guardiola war: Eine Mannschaft, die ihre Gegner mit dominantem Ballbesitzspiel erdrückt. Und damit könnte er sofort beginnen, Tuchel ist vereinslos.
Die Initiativbewerbungs-Lösung: Julian Nagelsmann
Keinen Monat ist es her, dass Julian Nagelsmann über das Sprachrohr Eurosport eine Initiativbewerbung an den FC Bayern schickte. "Der FC Bayern spielt in meinen Träumen schon eine etwas größere Rolle", sagte er. Und weil das offenbar noch nicht genug war, fügte er an: "Der FC Bayern würde mich noch ein Stück glücklicher machen." Glücklicher machen und bald auch näher an seine Familie bringen. "Meine Frau und mein Kind ziehen demnächst nach München. Wir bauen dort ein Haus", sagte Nagelsmann. Er selbst stammt aus Landsberg am Lech, einige Kilometer südlich von München, wo er irgendwann seinen Lebensmittelpunkt sieht.
2015 wäre es fast schon soweit gewesen, der FC Bayern wollte ihn für die Jugendabteilung verpflichten. Sogar mit Uli Hoeneß persönlich hat Nagelsmann damals telefoniert: "Es hat nur sieben Minuten und 30 Sekunden gedauert. Er hat ein paar Dinge gefragt und anscheinend habe ich ihn recht schnell überzeugt. Dann ist der Gedanke bei Bayern gereift, mich zu holen." Da Nagelsmann in Hoffenheim aber noch vertraglich gebunden war, blieb er.
Die jetzige Situation ist ähnlich, Hoffenheim würde seinem Trainer kaum während der Spielzeit die Freigabe erteilen. Im kommenden Sommer gäbe es aber wohl die Möglichkeit zu einem Transfer. Vereins-Boss Dietmar Hopp sagte schon vor Monaten: "So einen außergewöhnlichen Trainer in einem relativ kleinen Klub zu halten ist ausgeschlossen. Da mache ich mir keine Illusionen."
Da Nagelsmann in Hoffenheim aber noch bis 2021 unter Vertrag steht und laut seinem Berater über keine Ausstiegsklausel verfügt, müsste der FC Bayern eine Ablösesumme aushandeln. Vor etwas mehr als einem Jahr schloss es Rummenigge aber noch kategorisch aus, überhaupt jemals eine Ablösesumme für einen Trainer zu bezahlen und nannte dies ein "No-Go für uns".
Sollten die Bosse des FC Bayern in dieser Thematik umdenken und die Mannschaft an den erst 30-jährigen Nagelsmann übergeben, gingen sie ein enormes Risiko ein. Noch nie in der Geschichte des Fußballs trainierte ein derart junger Trainer einen Welt-Klub wie den FC Bayern. Der Umgang mit den Spielern, den Medien und dem ganzen Umfeld ist in München deutlich herausfordernder und aufreibender als in Hoffenheim.
Sprachlich (akzeptables Oberbayerisch) und fachlich (Fußballlehrer-Abschluss mit der Note 1,3) ist Nagelsmann dagegen über alle Zweifel erhaben. Als er Hoffenheim im Frühling 2016 übernahm, befand sich der Klub im Abstiegskampf der Bundesliga. Diesen meisterte er und führte die Mannschaft in der folgenden Saison bis auf Rang vier und somit nach Europa. In dieser Saison setzte sich der Erfolgslauf fort. Auch zum Leidwesen des FC Bayern, den Nagelsmann mit Hoffenheim jüngst 2:0 besiegte.
Die mia-san-mia-Lösung: Niko Kovac, Ralph Hasenhüttl oder Mehmet Scholl
Seitdem der Ex-Präsident des FC Bayern im vergangenen November zum Wieder-Präsidenten gewählt wurde, mischt Uli Hoeneß tatkräftig in der personellen Ausrichtung des Vereins mit. Der vergangene Sommer war ein Sommer der Hoeneß-Personalien. Erst wurde Willy Sagnol als Co-Trainer verpflichtet, dann Hasan Salihamidzic als Sportdirektor. "Wir wollen wieder back to the roots, wir wollen das mia-san-mia-Gefühl im Verein stärken", erklärte Hoeneß.
Ihm liegt viel daran, verdiente Spieler im Verein zu halten oder in den Verein zurückzuholen. Mit einer Verpflichtung von Niko Kovac, Ralph Hasenhüttl oder Mehmet Scholl könnte dieser Weg auch auf der Position des Cheftrainers weitergeführt werden.
Kovac spielte beim FC Bayern einst gemeinsam mit Sagnol und Salihamidzic und auch Hasenhüttl war Anfang des Jahrtausends im Verein. Er spielte jedoch nur für die hauseigenen Amateure, für die er in der Regionalliga Süd immerhin 14 Treffer erzielte. Kovac und Hasenhüttl haben ein Gefühl dafür, worauf es im Verein ankommt. Eine Fähigkeit, die beim FC Bayern mehr zählt als anderswo.
In dieser Hinsicht ganz weit vorne liegt Scholl, der gut 20 Jahre als Profi, Jugendtrainer und Coach der 2. Mannschaft beim Rekordmeister verbrachte, und Medienberichten zufolge ein Wunschkandidat Hoeneß' ist.
Bereits einige Tage vor der Entlassung von Ancelotti erklärte Ex-Spieler Lothar Matthäus, dass "der Name Hasenhüttl in München diskutiert wird". Darauf angesprochen verwies Hasenhüttl auf "den fantastischen Trainer" Ancelotti und sah demzufolge "keinen Bedarf", was sich mittlerweile geändert hat.
Hasenhüttls Vertrag in Leipzig jedenfalls läuft noch bis 2019. Dass er bei einem entsprechenden Angebot eines für ihn interessanten Vereins aber nicht zögert, dieses auch durchzusetzen, bewies er bei seinem Wechsel nach Leipzig. Nachdem er Ingolstadt zuvor vom letzten Platz der 2. Bundesliga in die erste geführt und dort auch gehalten hatte, drängte er trotz bestehenden Vertrags auf einen Wechsel. Erfolgreich.
Kovac erlebte so eine Situation noch nicht: Seine erste Anstellung als Cheftrainer (Nationaltrainer Kroatiens) endete mit einer Entlassung. Bei Eintracht Frankfurt machte er zuletzt aber einen soliden Job und führte den Klub in der vergangenen Saison gar ins Finale des DFB-Pokals. Zweimal war er mit der Eintracht auch schon beim FC Bayern zu Gast, zweimal verlor er. Dies habe was von einem Zahnarztbesuch, sagte Kovac mal: "Einmal im Jahr muss man hin, manchmal tut es nicht weh, oftmals schon."
Sollte sich der Zahnarzt dazu entscheiden, Kovac künftig nicht mehr zu behandeln, sondern stattdessen einzustellen, müsste wohl eine Ablösesumme verhandelt werden. Kovac steht wie Hasenhüttl noch bis 2019 unter Vertrag. Anders verhält es sich bei Scholl, der nach dem Ende seiner Tätigkeit als TV-Experte sofort verfügbar wäre.