Der FC Bayern trennt sich nach der demütigenden Niederlage bei Paris St. Germain von Trainer Carlo Ancelotti. Willy Sagnol übernimmt zunächst.
Nach der Schmach von Paris zogen Karl-Heinz Rummenigge und Hasan Salihamidzic die Notbremse. Keine 24 Stunden dauerte es nach dem demütigenden 0:3 (0:2) von Bayern München bei Paris St. Germain in der Champions League, dann war Trainer Carlo Ancelotti nach 454 Tagen schon Geschichte beim deutschen Rekordmeister.
Alarmiert vom langsamen, anhaltenden Zerfall der Mannschaft sahen sich Vorstandschef und Sportdirektor genötigt, den renommierten Italiener vor die Tür zu setzen. "Als Folge einer internen Analyse ... hat der FC Bayern München Cheftrainer Carlo Ancelotti (58) freigestellt", teilte der Klub am Donnerstagnachmittag kurz vor 16 Uhr mit.
Die offizielle Begründung fiel knapp aus: "Die Leistungen unserer Mannschaft seit Saisonbeginn entsprachen nicht den Erwartungen, die wir an sie stellen. Das Spiel in Paris hat deutlich gezeigt, dass wir Konsequenzen ziehen mussten", ließ Rummenigge ausrichten. Er und Salihamidzic hätten dies dem Italiener in einem "offenen und seriösen Gespräch erklärt". Präsident Uli Hoeneß war demnach nicht an dem Treffen beteiligt.
Sagnol übernimmt die Bayern interimsweise
Übergangslösung ist Willy Sagnol. Der ehemalige Profi der Münchner und Trainer von Girondins Bordeaux, im Sommer an Ancelotti vorbei von den Münchner Verantwortlichen schon als Assistent verpflichtet, wird den FC Bayern am Sonntag bei Hertha BSC betreuen. Danach ist Länderspielpause.
Angedacht ist angeblich auch, dass Sagnol mit Unterstützung von Triple-Sieger Jupp Heynckes bis zum Saisonende die Mannschaft trainiert. Als Kandidat für die Zukunft galt bislang Julian Nagelsmann, für eine längerfristige Nachfolge wird nun auch Thomas Tuchel gehandelt - er wohnt in München, Nagelsmann baut dort gerade.
Rummenigge betonte ausdrücklich, dass er die Entwicklung bedauere. "Carlo ist mein Freund und wird es bleiben, aber wir mussten hier eine professionelle Entscheidung im Sinne des FC Bayern treffen." Neben Ancelotti muss auch dessen komplettes italienisches Trainer- und Betreuerteam um seinen Sohn Davide gehen. Rummenigge hob hervor, er erwarte "von der Mannschaft eine positive Entwicklung und absoluten Leistungswillen, damit wir unsere Ziele für diese Saison erreichen".
Mit seiner Taktik und Aufstellung in Paris hatte Ancelotti die seit Monaten wachsenden Zweifel an seiner Arbeit dramatisch verstärkt und die Trennung letztlich provoziert. Rummenigge konnte seine Wut kaum verbergen, als er beim Mitternachtsbankett im L'Hotel du Collectionneur mit schneidender Stimme zu den Ehrengästen, aber selbstverständlich auch zur Mannschaft und zu Ancelotti sprach.
Rummenigge: "Bittere Niederlage"
"Es war", sagte Rummenigge in seiner kurzen Rede, "eine ganz bittere Niederlage, eine Niederlage, die es zu analysieren gilt, nach der wir auch Klartext reden und Konsequenzen ziehen müssen. Denn das, was wir gesehen haben, war nicht Bayern München." Ancelotti saß direkt daneben, er kaute mit betretener Miene auf einem Stück Brot herum.
Der Italiener (58) hatte sich mit seiner "Harakiri"-Aufstellung gegen PSG um die überragenden Millionen-Stars Neymar und Kylian Mbappe verzockt - und wichtige Spieler wie Mats Hummels, Arjen Robben oder Franck Ribery verärgert. Spätestens am Mittwoch wurden die Zweifel so groß, dass Rummenigge alle Zurückhaltung fahren ließ.
Zu eklatant waren die Unterschiede gegen das mit Scheich-Milliarden finanzierte PSG. Noch tiefer saß der Stachel, weil es ausgerechnet der neureiche französische Vizemeister war, der erklärte neue Lieblingsfeind der Münchner, der ihnen vor Augen führte, wie weit sie vom europäischen Fußball-Thron entfernt sind.
Müller beklagt fehlenden Mut
Es sei wichtig, sagte Rummenigge, "dass wir schnell wieder die Kurve kriegen und uns als Bayern München präsentieren und dann eben auch zeigen, dass wir eine Mannschaft sind, die in Europa, aber auch national für Furore gesorgt hat". Was er nicht ganz so deutlich sagte: Unter Ancelotti hat sich dieses Bayern München stetig zurückentwickelt, es war kein Konzept zu erkennen, keine Struktur wie unter Pep Guardiola.
Über die Aufstellung am Mittwoch wollte niemand reden. Vor allem das frühe 0:1 durch Dani Alves (2.) habe PSG in die Karten gespielt, meinte daher Robben. Thomas Müller beklagte fehlenden "Mut". Joshua Kimmich fehlende Körperspannung, die Edinson Cavani (31.) und Neymar (63.) zu weiteren Treffern nutzten. Dass seine Aufstellung zu riskant gewesen sei, schloss Ancelotti aus. Er "bedauere nichts".