Unruhe kann der FC Bayern in dieser Phase der Saison nicht brauchen.
Eine schwelende Diskussion darüber, wer denn in der nächsten Saison auf dem heißesten Trainerstuhl der Bundesliga sitzen wird, ist ein eben solcher Unruheherd. Beinahe täglich trieben die Medien zuletzt eine neue Sau durchs Dorf.
Vor den Wochen der Wahrheit mit den Halbfinals im DFB-Pokal bei Bayer Leverkusen und in der Champions League gegen Real Madrid waren den Münchnern die ständigen Spekulationen und die Ablenkung vom Wesentlichen ein Dorn im Auge.
Kürzlich hatte der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge angekündigt, die Trainerfrage noch bis Ende April zu beantworten.
Und das tat Hasan Salihamidzic nun am Freitag: "Wir haben uns einstimmig auf Niko geeinigt", sagte der Sportdirektor über die Verpflichtung von Kovac in üblichem Managersprech.
Niko Kovac ist beim FC Bayern dritte Wahl
Fakt ist trotz dieser Bekundungen: Kovac war bei den Bayern dritte Wahl.
Lange Zeit umgarnten Rummenigge und Präsident Uli Hoeneß Jupp Heynckes öffentlich und versuchten, ihn von einer Verlängerung seines Engagements zu überzeugen. Sie beknieten ihn förmlich.
Als sich diese Option schließlich zerschlug, entschieden sich die Vereinsbosse nach langem Hin und Her, den derzeit vereinslosen Thomas Tuchel zu verpflichten - zu spät, dieser stand zu dieser Zeit bereits bei Paris Saint-Germain im Wort. Rummenigge bestätigte vor dem Heimspiel gegen Dortmund Medienberichte über die Absage Tuchels.
Und so landeten die Bayern bei Kovac. Einstimmig vielleicht, aber nicht im ersten Wahlgang.
Louis van Gaal, Pep Guardiola, Carlo Ancelotti, Jupp Heynckes, Niko Kovac
Die Verpflichtung von Kovac ist für die Bayern eine Zäsur. Seit Jürgen Klinsmann haben sie keinen Trainer mehr verpflichtet, der ähnlich wenige Referenzen in seiner Vita stehen hat.
Es ist eine Abkehr davon, nur große Namen mit Prestigecharakter auf die Bank zu setzen. Die letzten Trainer hatten davor Real Madrid (Carlo Ancelotti), den FC Barcelona (Pep Guardiola und Louis van Gaal) oder eben die Triple-Mannschaft der Bayern (Heynckes) trainiert und zahlreiche Titel auf der Rückseite ihrer Autogrammkarte stehen.
Kovacs Vorerfahrung liest sich im Vergleich dazu deutlich weniger imposant.
Amtsantritt | Amtsaustritt | Verein | Funktion | Punkteschnitt |
08.03.2016 | - | Eintracht Frankfurt | Trainer | 1,56 (84 Spiele) |
16.10.2013 | 09.09.2015 | Kroatien | Trainer | 1,84 (19 Spiele) |
21.01.2013 | 16.10.2013 | Kroatien (U21) | Trainer | 3,0 (5 Spiele) |
08.04.2011 | 24.06.2012 | RB Salzburg | Co-Trainer | - |
17.06.2009 | 08.04.2011 | RB Juniors | Trainer | 1,56 (54 Spiele) |
Er ist nicht der Weltmann wie Guardiola, nicht der Elder Statesman wie Ancelotti oder Heynckes. Die Verpflichtung von Kovac ist kein Signal an die internationale Konkurrenz.
Niko Kovac ist ein Wagnis für den FC Bayern
Aufgrund der fehlenden Erfahrung auf internationalem Klubniveau gehen die Bayern mit der Verpflichtung des 47-Jährigen ein Wagnis ein.
In Frankfurt war es die große Stärke des Kroaten, aus vielen schwierigen Charakteren mit vielen unterschiedlichen Nationalitäten eine eingeschworene Einheit zu formen, die sich für den Verein zerreißt. Er holte aus der Summe der Einzelteile einen Mehrwert heraus.
Bislang hat er allerdings keinen Drei-Tages-Rhythmus und keinen Kader voller Weltstars moderiert. Wenn Kovac bei der Eintracht einen Rebic aus disziplinarischen Gründen aus der Mannschaft nimmt, hat das eine andere Wucht, als wenn er einen Robben oder einen Lewandowski maßregelt.
Carlo Ancelotti hatte die Strömungen im Kader gegen sich
Wie wichtig es in München ist, die verschiedenen Strömungen innerhalb des Kaders zu erkennen und sensibel damit umzugehen, musste am Ende seiner Amtszeit sogar ein erfahrener Welttrainer wie Ancelotti schmerzlich erfahren. Und es fiel ihm vor die Füße.
Kovac hat das empathische Potenzial und die Vereinsführung auf seiner Seite. Noch steht der Beweis seiner Fähigkeiten im Umgang mit Weltstars jedoch aus.
Auch der mediale Gegenwind ist in München ein anderer als in Frankfurt. Zwar kennt Kovac das noch als Spieler. Die Verantwortung als Trainer ist jedoch eine ganz andere. Bei der Eintracht schaffte er es in dieser Saison, nie zwei Spiele in Folge zu verlieren. Bei den Bayern sollte er möglichst nicht viel mehr als zwei Spiele in einer ganzen Saison verlieren.
Verpflichtung von Niko Kovac eine Chance für den FC Bayern
Die Verpflichtung des Kroaten ist für die Münchner allerdings auch eine Chance.
Kovac erfüllt viele der Bedingungen, die die Vereinsführung der Bayern für ihre Trainersuche ausgegeben hat. Er ist ein deutschsprachiger Trainer und er hat Stallgeruch. "Er kennt die handelnden Personen sowie die Strukturen und die DNA des Klubs sehr gut. Wir sind überzeugt, dass er der richtige Trainer für die Zukunft des FC Bayern ist", sagte Salihamidzic.
Als Spieler trug Kovac von 2001 bis 2003 das Trikot der Bayern. Sein Bruder und Co-Trainer Robert spielte sogar von 2001 bis 2005 bei den Münchnern.
Zudem zeigte Kovac im Laufe seiner Zeit bei der Eintracht, dass er eine Mannschaft entwickeln und auf die spezifischen Anforderungen einer Partie anpassen kann. Die Eintracht überzeugte in der Hinrunde vor allem über physische Präsenz und eine dreckige Leidenschaft.
Kovac hat das Spiel der Eintracht weiterentwickelt
In der Rückrunde entwickelte Kovac jedoch auch das Spiel mit dem Ball weiter. In den letzten Wochen waren die Frankfurter eines der flexibelsten und spielstärksten Teams der Liga. Kovac hat bewiesen, dass er nicht nur zerstören, sondern auch gestalten kann. Diese Entwicklung hat die Unterschrift unter das Empfehlungsschreiben für größere Aufgaben gesetzt.
Kovac bringt die taktischen Voraussetzungen mit, um die Mannschaft ähnlich zu prägen, wie es ein Tuchel hätte machen können. Im Gegensatz zu diesem ist er jedoch greifbarer, deutlicher in der Ansprache, weniger akademisch. Er passt von seiner offenen Art und aufgrund seiner Historie mehr zum Mia san Mia der Hoeneß-Bayern.
Die Verpflichtung von Kovac zeigt, dass die Bayern aus dem Missverständnis Ancelotti gelernt haben. Sie haben verkrustete Denkstrukturen aufgebrochen und sich nicht vom Fehlen des großen Namens blenden lassen.
Die Entscheidung könnte ein erster Schritt für den großen Umbruch und eine progressivere Vereinspolitik sein, in der wieder mehr gewagt wird. Ob Kovac aber der große Veränderer für den Umbruch ist, muss er erst unter Beweis stellen.
FC Bayern wollte keinen zweiten Fall Jürgen Klopp
Eine Aussage von Salihamidzic rund um die Verkündung ließ darüber hinaus tief blicken: "Ich habe gehört, dass auch der BVB an Kovac interessiert war." Das Interesse des größten nationalen Konkurrenten ließ die Bayern aufhorchen und erhöhte den Stellenwert des Kroaten noch einmal enorm.
Die Angst vor einem zweiten Fall Jürgen Klopp war ein zusätzliches Argument, sich für Kovac zu entscheiden. Im Jahr 2008 verhandelten die Bayern ebenfalls mit Klopp, entschieden sich dann letztlich aber für Jürgen Klinsmann. Das Ende vom Lied: Klinsmann scheiterte in München, Klopp startete beim BVB durch.