Thomas Müller beim FC Bayern München: Raumdeuter unter der Wahrnehmungsgrenze

Thomas Müller absolviert seine zehnte Bundesligasaison als Spieler des FC Bayern München.
© getty

Vier Scorerpunkten hat Thomas Müller in den ersten beiden Bundesligaspielen der Saison verzeichnet, doch dann ließ er nach. Seine Rolle im System von Niko Kovac ist schwer greifbar, die Konkurrenz groß. Am Freitag ist er mit dem FC Bayern bei Hertha BSC zu Gast (20.30 Uhr im LIVETICKER).

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Als Müller nach diesem für ihn und seine Mannschaft so enttäuschenden 1:1 gegen den FC Augsburg durch die Mixed Zone stakste, wollte er sich dort eigentlich gar nicht lange aufhalten, sondern am liebsten direkt weiterstaksen. "Es geht gefühlt ja schon in einer halben Stunde weiter", sagte er eilig. Ein bisschen täuschen ließ er sich von seinem Gefühl da schon (waren noch knapp 138 halbe Stunden), aber seine Botschaft kam an: der Terminplan ist eng! Samstag, Dienstag, Freitag. Und von vorne.

Zehrend ist das vor allem für einen wie Müller, der in der laufenden Saison in sieben von acht Pflichtspielen in der Startelf stand. Zehrend, aber gerade für ihn natürlich auch befriedigend und höchst willkommen. Nach und trotz seiner desaströsen Weltmeisterschaft mit der deutschen Nationalmannschaft vertraute ihm der neue Trainer Kovac von Beginn an, während ihm einige sogenannte Experten sogar einen Rücktritt aus der Nationalmannschaft nahelegten.

"Nach der WM wurde jeder Stein umgedreht, umso wichtiger war es für mich, gut beim FC Bayern in die Saison zu starten", sagte Müller Anfang September der SportBild. "Es war gut zu zeigen: Ich habe immer noch was drauf." Natürlich hatte er noch was drauf, zwei Bundesligaspiele waren zu diesem Zeitpunkt absolviert und Müller hatte bereits vier Scorerpunkte verzeichnet.

Thomas Müller erklärt seine Stärken

Seitdem kam aber kein weiterer dazu, Müllers Leistungen wurden unauffälliger. Das 1:1 gegen Augsburg war wohl sein schwächstes Saisonspiel. In der Anfangsphase landete sein abgefälschter Schuss am linken Pfosten; kurz vor Schluss verwertete Franck Ribery sein Zuspiel zum vermeintlichen Siegtreffer - wegen einer Abseitsstellung zählte der Treffer jedoch nicht. Das war es. "Wir hatten viele Räume und gute Möglichkeiten, aber wenn man die nicht nutzt, steht es auf einmal 1:1", sagte er dann doch noch in der Mixed Zone. Das war durchaus als Kritik an sich selbst zu verstehen, das Räume-Nutzen gilt ja als Müllers absolute Spezialdisziplin.

"Ich bin ein Raumdeuter", sagte er in der Süddeutschen Zeitung einst nicht umsonst über sich selbst. "Gewisse Dinge sind sicher trainierte Automatismen. Aber oft ist das schon ein gewisser Instinkt, ein Gefühl für die Räume. Ich bin froh, diese Fähigkeit zu haben." 21 Jahre war Müller damals alt, mittlerweile ist er 29, geht in seine zehnte Bundesligasaison und besitzt diese Fähigkeit natürlich immer noch.

"Ich habe ein klar definiertes Stärken- und Schwächen-Profil. Wenn ich aus dem Deckungsschatten des Stürmers kommen und tiefe Bewegungen in den Strafraum machen kann, kommen meine Stärken besser zur Geltung", sagte Müller neulich. Aussagen, so abstrakt wie seine Laufwege. Und Aussagen, die eine taktische Position erfordern, die wohl noch nicht erfunden ist.

Thomas Müllers Leistungsdaten in der Saison 2018/19

WettbewerbGegnerErgebnisMinutenToreAssists
SupercupEintracht Frankfurt (A)5:064-1
DFB-PokalSV Drochtersen/Assel (A)1:086--
BundesligaTSG Hoffenheim (H)3:19011
BundesligaVfB Stuttgart (A)3:08011
Champions LeagueBenfica Lissabon (A)2:02--
BundesligaBayer Leverkusen (H)3:190--
BundesligaFC Schalke 04 (A)2:090--
BundesligaFC Augsburg (H)1:190--

Kovac über Müller: "Er wird nicht so wirklich wahrgenommen"

Wie bei seinen bisherigen Einsätzen unter Kovac lief Müller auch gegen Augsburg nominell als der offensivorientiertere von zwei Achtern im 4-3-3-System auf. Wobei, wo hat er denn wirklich gespielt? Müller trieb sich mal hier rum und mal neben dem Stoßstürmer Sandro Wagner. Mal da und mal auf dem rechten Flügel oder dem linken und manchmal, ganz selten, sogar auf der Sechs.

Bei einer Pressekonferenz am Donnerstag wurde Kovac nach Müllers Rolle gefragt. "Ich finde, dass der Thomas so ein bisschen", sagte er, brach den Satz ab, überlegte kurz und probierte es nochmal: "Er wird nicht so wirklich wahrgenommen. Der Thomas ist ein sehr vielseitiger Spieler, der wirklich viele Positionen spielen kann." Gelegentlich beschleicht einen jedoch das Gefühl, er spiele mehrere Positionen gleichzeitig, aber keine so wirklich. Dann taucht er unter. Unter die Wahrnehmungsgrenze.

"Er ist nicht greifbar. Er ist kein Spieler, den man irgendwo hinstellt und ihm sagt: 'Dort bleibst du jetzt!' Er will überall da sein und helfen, sowohl offensiv als auch defensiv", erklärte Kovac. "Er macht Wege, die man so in der Form sonst nicht sieht." Zweifelsohne macht Müller viele Wege, manche sogar in bisher unerkundete Regionen.

Müllers Rivalen: Thiago, James, Tolisso, Goretzka und Sanches

Er hat aber nicht die technische Klasse eines Thiago oder James, die zuletzt mit kleineren gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hatten. Und nicht die Dynamik eines (aktuell verletzten) Corentin Tolisso, Leon Goretzka oder Renato Sanches. Zudem ist Müller im Kombinationsspiel ungenauer als seine Konkurrenten, seine Passquote von 77 Prozent ist in der bisherigen Bundesligasaison die schwächste dieses Sextetts.

An guten Tagen prägt Müller ein Spiel mit seinen Läufen ohne Ball. Wenn diese aber zu Leerläufen werden, fehlt dem Spiel Präsenz - gerade als Achter im 4-3-3 ist aber eigentlich Dauerpräsenz gefragt. Ansonsten bleibt das Zentrum mit den verbliebenen beiden Spielern etwas unterbesetzt. Wenn alle fit sind, hat Kovac jedenfalls spannende Alternativen zum bisherigen Stammspieler Müller.

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