Nicht einmal mehr sechs Monate, dann hat es James geschafft. Dann gibt es Klarheit über seine Zukunft, die letztlich alleine vom FC Bayern abhängt. Dann muss er keine Fragen mehr beantworten, die er ohnehin nicht beantworten kann.
Es muss James ja schon sehr nerven, seit seiner Ankunft in München vor rund 18 Monaten immer und zu jeder Gelegenheit gefragt zu werden, wie es eigentlich so um seine Zukunft steht. Zum Beispiel neulich bei einem Fanklub-Besuch in Straubing, als er antwortete: "Wenn ich gehen muss, weil ich nicht spiele, gehe ich. Aber ich würde gerne bleiben, weil ich die Liebe der Fans und der Bayern-Familie spüre." Oder bei einer Marketing-Veranstaltung in Kolumbien: "Meine Gegenwart ist Bayern München, ich habe dort einen Vertrag bis Juni, es geht mir gut dort, ich bin entspannt. Im Juni schauen wir weiter."
James und die Sprache der Trainer
Wenn James das sagt, dann freut man sich immer total über sein sympathisches Latino-Lächeln, aber neue Erkenntnisse gibt es ärgerlicherweise halt eben nie. Wie auch? Ein paar Mal wird das noch so gehen, bis der FC Bayern entweder vermeldet: Kaufoption in Höhe von 42 Millionen Euro gezogen, Vertrag bis 2022 in Kraft getreten. Oder eben: Kaufoption nicht gezogen, Rückkehr zu Real Madrid.
So nichtssagend-deckungsgleich James' Aussagen seit Monaten sind, so variabel sind wohl die Gedankengänge der Verantwortungsträger des FC Bayern. Mal sind sie sich ganz sicher, dass er bleiben soll (wenn der gerade amtierende Trainer spanisch spricht und James folgerichtig auf dem Platz glänzt); mal tendieren sie zu einer Trennung (wenn der gerade amtierende Trainer kein spanisch spricht). Seit dem Abschied von Jupp Heynckes herrscht bekanntlich zweiterer Zustand und da sich das - geht es nach den Verantwortungsträgern - bis zum Saisonende auch nicht ändern soll, spricht aktuell einiges für eine Trennung.
Thomas Müllers Sperre ist James' Chance
James ist ein sogenannter Wohlfühlspieler. Er braucht Vertrauen, er braucht Spaß. Unter Jupp Heynckes hatte er viel davon, unter Niko Kovac offenbar ein bisschen weniger. Die Beziehung zwischen Spieler und Trainer soll schwierig sein. In der Anfangsphase der Saison spielte James mal und saß dann wieder draußen. Er befand sich in der sogenannten Rotation. Dann riss er sich Mitte November das Außenband im linken Knie und war nicht einmal mehr in der Rotation, sondern in der Reha. Bis zur Winterpause machte er kein Spiel mehr.
Seit Beginn des Trainingslagers in Katar aber übt James wieder mit der Mannschaft. "Er ist schmerzfrei", sagt Kovac. "Klar erwarte ich von ihm Top-Leistung. Dass er das in sich hat, hat er nicht nur hier gezeigt, sondern auch bei seinen anderen Klubs. Es liegt letzten Endes an jedem selbst." Bei James liegen mögliche Einsätze aber auch ein bisschen an den personellen Umständen im Verein - denn da wartet eine ganz große Chance für ihn: die Champions-League-Sperre von Thomas Müller.
Wegen dessen unnötigem Platzverweis beim abschließenden Champions-League-Gruppenspiel in Amsterdam wird er wohl die beiden Achtelfinalspiele gegen den FC Liverpool verpassen (die Entscheidung über die exakte Dauer der Sperre fällt am 10. Januar). James ist in Kovacs neuem 4-2-3-1-System auf der Zehn der prädestinierte Ersatz für den bisherigen Stammspieler Müller. Und da man in so ein Champions-League-Achtelfinale gegen den FC Liverpool nicht mit einem Ersatzmann ohne Spielpraxis geht, wird James schon davor Chancen bekommen, sich einzuspielen.
James' Ablösesumme ist geradezu ein Witz
Sollte er die nutzen und sich seiner Klasse entsprechend ins Spiel der Mannschaft integrieren, dann kann sich das sprichwörtliche Blatt wenden. Und mit ihm erneut die Meinung der Verantwortungsträger. Dass James das Potenzial dazu hat, steht außer Frage. Für seinen Mitspieler Sandro Wagner ist er der "beste Fußballer" im Kader. Sogar sein vermeintlicher Rivale Müller lobt: "Er spielt Pässe, die sonst vielleicht keiner spielt."
Die wahre Tragik von James' Zeit beim FC Bayern ist ja eigentlich, dass er nicht längst völlig unverzichtbar für die Mannschaft ist. Seiner fußballerischen Klasse zufolge dürfte es überhaupt keine Diskussion darüber geben, ob der Klub die festgeschriebenen 42 Millionen Euro in James investiert. Bei den heutigen Transfermarktpreisen ist es geradezu ein Witz, dass ein Spieler seiner Klasse für diese Summe zu haben ist.
Aber bei James ist eben alles komplizierter. Es wirkt irgendwie nicht so, als wäre er je wirklich in München angekommen. Ein kolumbianischer Fremdkörper. Angeblich besitzt er immer noch ein Haus in Madrid, das er an dem einen oder anderen freien Tag auch gerne bewohnt. Freunde hat er dort offenbar auch noch viele, manche davon spielen sogar bei Real.
Real Madrid beobachtet die Situation von James
Der aktuell kriselnde Klub, in dessen Kader er sich von 2014 bis 2017 befand, wird genau beobachten, wie es um James steht. Und überlegen, ob er nicht vielleicht ein ganz gutes Element des anstehenden Umbruchs wäre. Die künftige Besetzung des Real-Mittelfelds ist nämlich reichlich unklar: Isco und Dani Ceballos sollen Abwanderungsgedanken hegen, der an den FC Chelsea ausgeliehene Mateo Kovacic wird wohl eher nicht zurückkehren, Luka Modric hat zwar den Ballon d'Or gewonnen, ist aber bereits 33 Jahre alt.
Obwohl der FC Bayern die Entscheidungsgewalt über James' Zukunft innehat, würde sich wohl eine Lösung finden lassen, wenn ihn Real unbedingt zurück will und James selbst diesen Wunsch teilt. Real-Präsident Florentino Perez und der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern Karl-Heinz Rummenigge pflegen bekanntlich beste Beziehungen. Denkbar und vor allem wirtschaftlich nachvollziehbar wäre auch, dass der FC Bayern die Kaufoption zieht, nur um James dann deutlich teurer weiterzuverkaufen. Einen Markt für ihn gibt es, unter anderem soll Juventus Turin interessiert sein.