Als Manuel Neuer am späten Sonntagnachmittag um 17.15 Uhr wortlos und auf Krücken gestützt den Katakomben der Düsseldorfer Merkur Spiel-Arena entschwand, ließ das nichts Gutes erahnen. Augenblicklich wurden Erinnerungen an jenen Manuel Neuer wach, der vor knapp zwei Jahren ebenfalls auf Krücken gestützt zur Meisterfeier des FC Bayern humpelte.
Damals zierte ein dicker Schützschuh den lädierten Fuß. Neuer hatte sich einen Monat zuvor im Champions-League-Halbfinale gegen Real Madrid zum dritten Mal in seiner Karriere den Mittelfuß gebrochen.
Es war der Startpunkt einer langen, fast einjährigen Leidenszeit, in der Neuer auch an ein mögliches Karriereende gedacht hat, sofern es nochmal einen den Fuß betreffenden Rückschlag gegeben hätte. Doch dem war nicht so. Zwar plagte sich Neuer auch in dieser Saison mit einigen Verletzungen herum, doch der Fuß blieb verschont.
Umso größer war das Unbehagen, als Neuer in Minute 53 nach seinem 14. und unglücklichsten Ballkontakt weit vor dem eigenen Sechzehner und ohne Fremdeinwirkung Niko Kovac zu verstehen gab, dass es nicht mehr weitergehen würde und gleichzeitig die Torwarthandschuhe abstreifte. Niemand wusste so recht, was bei diesem Flachpass auf Niklas Süle passiert war. Doch durch die Krankenakte Neuers mit insgesamt vier Mittelfußbrüchen erhielt die Szenerie etwas Dramatisches.
Sven Ulreich als Neuer-Ersatz: Es war einmal die Mauer
Einer der Ersten, der gegenüber den anwesenden Journalisten Entwarnung gegeben hatte, war Uli Hoeneß. "Es ist die Wade, nicht der Fuß", sagte er mit Nachdruck im Vorbeigehen und verschwand kurz darauf Richtung Mannschaftsbus. Neuers Ersatzmann Sven Ulreich bestätigte die Aussage seines Präsidenten wenig später und präzisierte.
"Ich glaube, es ist die Wade, mit der er Probleme hatte", sagte er über das Körperteil von Neuer, das ihm zwei seiner sechs bisherigen Saisoneinsätze "beschert" hatte und nach der Diagnose Muskelfaserriss noch ein paar mehr Spiele "bescheren" wird. In den bisherigen Waden-Spielen kassierte Ulreich allerdings fünf Gegentore. Vier Stück gegen Heidenheim im DFB-Pokal und eins gegen Freiburg.
Durch eine mysteriöse Daumenverletzung Neuers kamen noch drei weitere Einsatzchancen hinzu. Bei keiner dieser Chancen spielte Ulreich zu Null. Das lag einerseits natürlich auch daran, dass sich ausgerechnet in Ulreichs Spielen immer wieder die bösen Defensiv-Geister einschlichen, die man seit Jahresbeginn glaubte, endgültig vertrieben zu haben. So musste Ulreich beispielsweise 2,1 Paraden pro 90 Minuten zeigen - Neuer lediglich 1,3.
Andererseits wirkte er jedoch auch nicht immer wie der sicherste Rückhalt. Beim 1:3 gegen Leverkusen beispielsweise, als er einen durchaus haltbaren Bailey-Freistoß zum Ausgleich passieren ließ. Oder beim 5:4 gegen Heidenheim, als er ebenfalls haltbare Abschlüsse von Glatzel und Schnatterer eben nicht halten konnte. Mit ihm gewann der FC Bayern bis zum Sonntag nur ein Ligaspiel in dieser Saison und mühte sich zwei Mal im Pokal in der Verlängerung weiter.
Zwei Gegentore kassiert er aktuell pro Spiel. Der Mythos der vergangenen Saison, in der bis zum Halbfinal-Rückspiel in der Champions League und seinem kapitalen Aussetzer gegen Real Madrid von "Sven The Wall" oder "Zu Nullreich" die Rede war, war einmal.
Ulreich über Neuer-Ausfall: "Bin bereit und fit"
Und das obwohl er sich im Gegensatz zu Neuer in der laufenden Saison nicht wirklich etwas zuschulden hat kommen lassen. Bei klaren Fehlern, die zu Gegentoren führten, steht Neuer in dieser Bundesligasaison aktuell bei zwei und Ulreich ganz im Zeichen seines Spitznamens - zu Null.
Das liegt freilich auch an der Mehrzahl von Spielen, spricht Ulreich in weiten Teilen aber von dicken Schnitzern frei. Vielleicht gab sich Ulreich, den sie an der Säbener Straße nach seiner guten Saison als Neuer-Vertreter sogar schon in die Nationalmannschaft und auf den WM-Zug redeten, auch deshalb sehr selbstbewusst nach der erneuten Neuer-Verletzung.
"Ich mache die Trainingseinheiten genau so wie Manu. Ich bereite mich genau so auf jedes Spiel vor. Wenn es so sein sollte, dass ich noch öfter spielen werde, bin ich bereit und fit", erklärte Ulreich, der sich zwar freue, wenn er spielen dürfe, "aber man wünscht es seinem Konkurrenten und Kollegen nicht, dass er sich so oft verletzt".
Von all dem bekam Neuer nicht mehr viel mit. Nach dem Flug ging es gleich in die Praxis zu Dr. Müller-Wolfahrt. Diesen Plan hatte Sportdirektor Hasan Salihamidzic bereits den anwesenden Presseleuten bestätigt. Um Punkt 23.00 Uhr kam dann die genaue Diagnose und mit ihr zumindest ein wenig Erleichterung. Bei den Bayern-Fans, aber auch ganz bestimmt bei Niko Kovac.
FC Bayern und die Torhüter: Da waren's nur noch zwei
Der Bayern-Trainer hatte das Szenario einer Neuer-Verletzung auf der Pressekonferenz nach dem sehr souveränen 4:1 in Düsseldorf durchgespielt und festgestellt, dass ihn und alle anderen beim Rekordmeister auch "schon treffen würde". Vielleicht hatte er dabei im Hinterkopf, dass die Münchner aktuell nur noch zwei einsatzfähige Torhüter im Profibereich haben - nämlich Ulreich und Ron-Thorben Hoffmann. Vermutlich hatte Kovac jedoch noch die Befürchtung, dass Neuer eventuell sogar noch länger als die nun bestätigten zwei Wochen fehlen wird.
So aber wird Neuer frühestens gegen Nürnberg, ganz sicher aber an den letzten beiden Spieltagen gegen RB Leipzig und Eintracht Frankfurt wieder dabei sein. Je nach Heilungsprozess und Fitnesszustand eben. Bis dahin muss es Ulreich richten.
Roman Bürki lieferte am Wochenende den ultimativen Beweis, zu welch einem wichtigen Faktor ein bestens aufgelegter Schlussmann im Meisterschaftskampf werden kann, als er die Dortmunder Träume von der Schale durch sensationelle Paraden gegen Mainz am Leben hielt.
Zwar spielte der Rekordmeister gegen den BVB und auch gegen Düsseldorf wieder mit der gewohnten Selbstverständlichkeit und einer gut organisierten Defensive. Doch die bösen Geister der Hinrunde belieben es scheinbar ausgerechnet dann zurückzukehren, wenn Ulreich im Kasten des FCB steht, zumal es gegen Werder Bremen geht. Die sind bekanntlich 2019 noch ungeschlagen. Daher wird Ulreich gut daran tun, seinem Spitznamen endlich wieder alle Ehre zu machen. Nämlich zur Mauer werden.
FC Bayern München: Das Restprogramm 2018/19
Datum | Wettbewerb | Gegner | Ort |
20.04.2019 | Bundesliga | Werder Bremen | H |
24.04.2019 | DFB-Pokal (Halbfinale) | Werder Bremen | A |
28.04.2019 | Bundesliga | 1. FC Nürnberg | A |
04.05.2019 | Bundesliga | Hannover 96 | H |
11.05.2019 | Bundesliga | RB Leipzig | A |
18.05.2019 | Bundesliga | Eintracht Frankfurt | H |
25.05.2019* | DFB-Pokal (Finale)* | noch offen | N |
*Nur bei Sieg im Halbfinale gegen Werder Bremen am 24.04.2019.