Das Interview wird anlässlich des 120-jährigen Vereinsjubiläums des FC Bayern noch einmal präsentiert. Ursprünglich wurde es im September 2019 veröffentlicht.
Ohlhauser erzählt von Mannschaftssitzungen am Nockherberg, von spartanischen Kabinen an der Säbener Straße und vom zusammengekauften Rivalen TSV 1860. Außerdem erinnert er sich an seinen Zimmerpartner Sepp Maier, an seinem Sturmpartner Gerd Müller und an Franz Beckenbauer, der sogar die Tochter des marokkanischen Königs kannte.
Herr Ohlhauser, Sie wechselten 1961 vom SV Sandhausen nach München - jedoch nicht nur als Stürmer, sondern auch als Stahlbauschlosser.
Rainer Ohlhauser: Wir waren damals noch keine Vollprofis, deswegen musste ich auch arbeiten. Von 7 bis 16 Uhr war ich in der Firma. Zwei-, dreimal die Woche war dann um halb sechs Training und am Wochenende hatten wir ein Spiel.
Welche Tätigkeit war lukrativer?
Ohlhauser: Das hielt sich in der Waage: 400 DM von der Firma, 400 DM vom FC Bayern. 200 DM gab es als Grundgehalt und dann kamen meistens noch 200 DM an Prämien dazu.
Blieb es die ganzen neun Jahre, die Sie im Klub verbrachten, bei dieser Doppeltätigkeit?
Ohlhauser: Nein, nur bis 1964. Bei der Bundesliga-Einführung 1963 spielten wir noch in der zweitklassigen Regionalliga Süd. In der ersten Saison ist uns der Aufstieg nicht gelungen, dann wurde Robert Schwan unser Manager und hat einiges umgestellt. Er hat dafür gesorgt, dass wir weniger arbeiten und mehr trainieren.
Ohlhauser über Gerd Müller: "Er konnte nicht sehr gut laufen"
Schwan gilt als erster Manager der Bundesligageschichte. Wie hat er gearbeitet?
Ohlhauser: Er war nah an der Mannschaft und immer dabei: beim Training, bei den Heim- und Auswärtsspielen. Er war sehr zielstrebig und wollte unbedingt aufsteigen. Für uns war es eigentlich aber ein großes Glück, dass wir nicht direkt Bundesliga gespielt haben. Während der Regionalliga-Zeit kamen der Sepp, der Franz und der Gerd als ganz junge Spieler dazu. So konnten wir uns gut einspielen.
Gerd Müller soll von Trainer Tschik Cajkovski als "kleines, dickes Müller" begrüßt worden sein. Wie stand es wirklich um seine Fitness?
Ohlhauser: Er konnte nicht sehr gut und auch nicht schnell laufen, aber man hat direkt gesehen, dass er eine außergewöhnliche Ballbeherrschung hatte. Außerdem kam Gerd zugute, dass die Abwehrspieler damals nicht so schnell waren. Zu der Zeit wurden die Älteren einfach nach hinten gestellt.
In der Aufstiegssaison 1964/65 funktionierte das Zusammenspiel zwischen Ihnen und Müller besonders gut: Er schoss 49 Tore, Sie 37. Mehr Treffer gelangen in der Geschichte des FC Bayern keinem Sturmduo in einer Saison.
Ohlhauser: Gerd war mein idealer Partner. Ich war sehr laufstark und habe ihn immer gesucht, er konnte den Ball gut abschirmen und abschließen. Aber er hat mir auch was gegönnt, manchmal kam ein Rückpass von ihm oder er spielte Doppelpass.
Beim entscheidenden Spiel zum Aufstieg auswärts bei TeBe Berlin schossen Sie vier Tore und Müller eines, am Ende stand es 8:0. Was passierte danach?
Ohlhauser: So genau kann ich mich daran leider nicht mehr erinnern. Ich glaube, wir sind am Flugplatz in Riem angekommen und dann mit einem Autokorso durch die Stadt bis zum Marienplatz gefahren. Am Abend wurde bei der Paulaner-Wirtschaft am Nockherberg gefeiert. Das war unser Lokal.
Inwiefern?
Ohlhauser: Am Vereinsgelände an der Säbener Straße hatten wir damals kein Klubheim, deshalb waren die Mannschaftssitzungen immer donnerstags am Nockherberg. An der Säbener gab es eine Umkleidebude und einen Raum, in dem der Schuster mit seinen Schuhen war - das war's. Ich bin ja 1961 vom Dorfverein Sandhausen gekommen, da war die Infrastruktur nicht schlechter als beim FC Bayern.
Ohlhauser über TSV 1860 München: "Alle gekauft!"
Wie stand es um die medizinische Versorgung?
Ohlhauser: Es gab einen Masseur und einen Arzt, der in seiner Praxis eine Sauna hatte. Da bin ich immer montags hingegangen.
Wie waren die Bedingungen in der damaligen Heimstätte, dem Grünwalder Stadion?
Ohlhauser: Frankfurt, Stuttgart oder Nürnberg hatten große, schöne Stadien mit vielen Räumen. Das gab es bei uns alles nicht. Das Grünwalder Stadion war nicht so modern.
Geteilt wurde es mit dem TSV 1860 München, der schon vor dem FC Bayern in der Bundesliga spielte.
Ohlhauser: Ich habe mir oft Bundesligaspiele von 1860 angeschaut, das hat mir schon imponiert. 1860 hatte damals eine super Truppe, fast nur Nationalspieler, aber sie war halt zusammengekauft: Petar Radenkovic, Peter Grosser, Wolfgang Fahrian, Timo Konietzka, Otto Luttrop, Friedel Lutz. Alle gekauft! Bei uns kamen die meisten Spieler aus der eigenen Jugend.
Trainer Tschik Cajkovski, von 1963 bis 1968 im Amt, hat sie zu einem Team geformt. Was war er für ein Typ?
Ohlhauser: Ein lustiger Kerl, der gerne gefeiert und gegessen hat. Der Tschik hat sich immer um das Essen gekümmert und bei den Auswärtsfahrten in alle Kochtöpfe geguckt. Beim Training wollte er immer mitspielen, er war auch ein guter Fußballer.