Die Wiedersehensfreude war groß, als Diego Contento plötzlich in der Mixed-Zone auftauchte. Der gebürtige Münchner und langjährige Bayern-Profi, der mittlerweile bei Fortuna Düsseldorf unter Vertrag steht und nach langer Verletzungspause auf sein Comeback wartet, schloss seine ehemaligen Kollegen in die Arme, scherzte, lachte mit Thomas Müller und David Alaba. Ausgelassene Stimmung im tristen Innenraum der Merkur Spiel-Arena.
Die Protagonisten des FCB hatten dabei allen Grund zur Glückseligkeit. Zuvor hatten sie - vor allem dank einer imposanten ersten Halbzeit - den zuletzt formstarken Rheinländern die Grenzen aufgezeigt, Düsseldorf nicht ansatzweise zur Entfaltung kommen lassen. 4:0 hieß es am Ende zugunsten des deutschen Rekordmeisters, die Treffer steuerten Benjamin Pavard, Corentin Tolisso, Serge Gnabry und Philippe Coutinho bei. Damit siegte das Team auch im dritten Spiel unter Trainer Hansi Flick überzeugend und wahrte abermals die viel zitierte "weiße Weste". Nach der Partie war man sich einig, wieso es plötzlich wieder so gut läuft beim Dauerdominator der vergangenen Jahre.
Manuel Neuer: "Wir haben viel mehr Kontrolle als vorher"
"Wir haben viel mehr Kontrolle als vorher", sagte Kapitän Manuel Neuer und schob nach: "Wir stehen etwas höher, das kommt uns zugute. Wir kommen in Situationen, in denen wir den Ball früh in der gegnerischen Hälfte erobern und somit einen kürzeren Weg zum Tor haben." Eine taktische Marschroute, die "ganz klar Ansage des Trainers" ist, wie Joshua Kimmich den anwesenden Reportern verriet.
Der Nationalspieler begründete den jüngsten Aufschwung ganz ähnlich wie sein Mannschaftskamerad: "Meiner Meinung nach liegt das daran, dass wir mutiger anlaufen. Wir schieben unsere Außenverteidiger vor und kommen so zu hohen Ballgewinnen." Kimmich ergänzte: "Wir setzen unsere Gegner unter Druck, zwingen sie zu Fehlern." Genau das täte dem Spiel der Bayern so gut. Es sei sehr viel schwieriger, "immer zehn Gegenspieler auszuspielen, anstatt zu versuchen, den Ball 30 Meter vor des Gegners Tor zu erobern.
Seitenhieb gegen Ex-Trainer Niko Kovac
Ein subtiler Seitenhieb in Richtung Ex-Trainer Niko Kovac, der einen defensivorientierteren Stil verkörperte, kaum einmal auf frühes Pressing setzte. Konkret auf die spielphilosophischen Unterschiede zwischen Flick und Kovac angesprochen, erklärte Neuer: "Es ist einfacher für uns, weil wir schnell zum gegnerischen Tor kommen. Wir haben viel Vertrauen in den Vor- und Nebenmann, weil die Abstände zwischen den Spielern kürzer sind. Es ist ein großer Unterschied, ob man zehn beziehungsweise 15 Meter auseinandersteht oder eben 20 bis 30 Meter."
Auch Thomas Müller, der bei Flick großes Vertrauen genießt, machte deutlich, was der ehemalige Co. von Bundestrainer Löw von seinen Schützlingen erwartet. "Wir wollen gute, kontrollierte Offensivaktionen haben. Das ist uns in den vergangenen drei Spielen sehr gut gelungen." Es mache mittlerweile wieder Spaß, nach dem holprigen Herbst auf dem Platz zu stehen. "Wir waren vor der Länderspielpause absolut dazu verdammt, Leistung zu bringen. Vor dem Spiel in Düsseldorf war die Frage, ob wir diesen Fußball auch hier zeigen können. Es stimmt uns positiv, dass dies der Fall war."
Hansi Flick: "Wir haben genau das umgesetzt, was wir gefordert haben"
Lob von allen Seiten also für Flick, die Chemie zwischen dem gebürtigen Heidelberger und dem Team stimmt. Doch wie schätzte der Übungsleiter selbst die Leistung in Düsseldorf ein? "Mit der ersten Halbzeit sind wir sehr, sehr zufrieden", sagte Flick am Sky-Mikrofon. "Wir haben genau das umgesetzt, was wir gefordert haben, nämlich den Gegner direkt unter Druck zu setzen von Anfang an. Zu zeigen, dass wir hier nichts zulassen und das hat die Mannschaft in der ersten Halbzeit eindrucksvoll gemacht."
Er hoffe natürlich, dass die ansteigende Formkurve bis Weihnachten anhält, wisse aber natürlich, "dass der Fußball ein Tagesgeschäft ist." Selbstverständlich wurde Flick abermals zu seiner Zukunft gefragt. "Ich kann mir vieles vorstellen, aber das ist noch ein ganz weiter Weg bis dahin", stellte er klar. "Mir macht es Spaß, mit der Mannschaft arbeiten zu können. Sie setzt das hervorragend um. Von daher sind die Voraussetzungen einfach da, dass man auf der einen Seite Vertrauen und Loyalität hat, aber man hat auch die Qualität im Team und Spaß macht es auch."
Klingt nach der generellen Bereitschaft, auch im neuen Jahr die Geschicke an der Seitenlinie zu leiten. "Ich genieße das Hier und Jetzt. Am Dienstag spielen wir gegen Roter Stern, da müssen wir uns wieder beweisen. So ist es bis Weihnachten. Der Verein hat in Ruhe Zeit zu überlegen. Ich versuche, meine Arbeit gut zu machen." Ein Versuch, der in den ersten Begegnungen hervorragend gelang. Besser als Flick (drei Siege, 10:0 Tore, Anm. d. Red.) startete beim FC Bayern nur Carlo Ancelotti, der ebenfalls drei Siege einfuhr, unter dessen Ägide aber sogar 13 Treffer zu Buche standen.
Mittlerweile scheinen sich sogar einzelne Spieler ein längerfristiges Flick-Engagement vorstellen zu können. Serge Gnabry, der bei seiner Auswechslung eine herzliche Umarmung von seinem Trainer erhielt, antwortete auf die Frage, ob er auch auf Dauer mit Flick weitermachen wollen würde, recht deutlich: "Korrekt." Es dürfte also noch interessant werden, sollte der Lauf der Bayern weitergehen. Eines steht für die Spieler jedenfalls fest: Hauptsache kein Kovac-Fußball.