Bevor Hansi Flick Trainer des FC Bayern München wurde, besaß er insgesamt 22 Jahre lang ein Sportgeschäft in seiner Heimatgemeinde Bammental. Die Geschichte des erweiterten Zuhauses der Familie Flick.
Fast drei Jahre ist es mittlerweile her, dass der Laden "Hansi Flick Sport und Freizeit" in Bammental, einem 6.500-Einwohner-Städtchen zwischen Heidelberg und Sinsheim, zugesperrt hat. Wie die Zeit vergeht! Aber die Erinnerungen, die kann auch die Zeit nicht rauben. "Wenn ich an unseren alten Läden vorbeifahre, bin ich schon wehmütig und denke mir: 'Och, da war doch mal was'", erzählt Flicks ältere Tochter Kathrin im Gespräch mit SPOX und Goal. Und wie da mal was war!
Wo sich jetzt eine Postfiliale befindet und ein Ärztehaus entsteht, war einst das "erweiterte Zuhause" der Familie Flick. "Nach der Schule bin ich immer als erstes zum Laden gegangen. Dort haben wir uns alle getroffen und sind dann gemeinsam zum Essen nach Hause weitergezogen. Am Nachmittag haben es sich meine Eltern aufgeteilt, wer mich und meine kleine Schwester betreut", erzählt Kathrin Flick. Sie war sechs Jahre alt, als ihre Eltern Silke und Hans-Dieter, den alle nur Hansi nennen, 1995 in den Einzelhandel einstiegen.
imago imagesHansi Flicks Weg vom Profifußball in den Einzelhandel
Hansi Flick wuchs in Neckargemünd-Mückenloch auf, mit dem Auto eine Viertelstunde von Bammental entfernt. Beim BSC Mückenloch und der SpVgg Neckargemünd lernte er das Fußballspielen, ehe er zum großen SV Sandhausen wechselte. Und dann entdeckte ihn 1985 tatsächlich der noch viel größere FC Bayern München. Fünf Jahre verbrachte Flick dort und gewann fast genauso viele Meistertitel. Es folgte ein Wechsel zum 1. FC Köln und die Sportinvalidität mit nur 28 Jahren. Was nun?
Die Familie zog zurück in die Heimat und ließ sich in Bammental nieder. Flick spielte noch einige Jahre für den FC Victoria Bammental und trainierte ihn später auch. Gleichzeitig baute er mit seiner Ehefrau "Hansi Flick Sport und Freizeit" auf. "Meine Eltern haben damals ihre ganzen Ersparnisse reingesteckt", erzählt Tochter Kathrin. "Am Anfang haben sie auch alles selbst gemacht: Sie haben vorkalkuliert, die Waren bestellt und sind dann auch beide hinter der Kasse gestanden." Vor allem der Kundenkontakt hätte ihrem Vater "total Spaß" gemacht.
Ein Sportgeschäft als Treffpunkt
Für Kathrin Flick war der Laden stets mehr als ein Laden und das ging nicht nur ihr so, sondern vielen Bammentalern. "Er galt als Treffpunkt für Familie, Freunde, Leute vom Sportverein, Postboten. Es war ein bisschen wie beim Friseur, wo man auch immer jeden trifft", sagt sie. "Man konnte sich einfach mal hinsetzen und ein Wasser oder einen Kaffee trinken. Es ging nicht nur um das Kaufen, sondern auch um das Gesellschaftliche."
Eine ruhige Unterhaltung war hier möglich genau wie großer Trubel. Dann, wenn Fußballer der TSG Hoffenheim oder Handballer der Rhein-Neckar Löwen für Autogrammstunden vorbeischauten und die Kinder der umliegenden Ortschaften den Laden stürmten. Viele davon trugen bei ihren eigenen Spielen am Wochenende den Schriftzug "Hansi Flick Sport und Freizeit" auf der Brust. Der Laden stattete etliche lokale Amateurklubs aus und bekam als Gegenzug Werbeflächen auf den Trikots.
Ob die ganzen Trikots jetzt im richtigen Zuhause an der Wand hängen? Ein paar hätte sie natürlich schon aufgehoben, versichert Kathrin Flick. Aber wo die sind, das weiß sie nicht so genau. An der Wand hängen sie jedenfalls nicht. Nein, die liegen sicherlich in irgendwelchen Kisten. Als Erinnerung an eine Zeit, die sie und ihre Schwester Hannah auch bald selbst aktiv mitgestalteten.
Als sich Hansi Flick aus dem operativen Geschäft zurückzog
Ab der Jahrtausendwende widmete sich Hansi Flick intensiver seiner Trainerlaufbahn. Er führte Hoffenheim in die Regionalliga Süd und erwarb 2003 seinen Trainerschein - gemeinsam mit Thomas Doll sogar als Jahrgangsbester. Später arbeitete er kurzzeitig als Co-Trainer von Giovanni Trapattoni bei Red Bull Salzburg, ehe er 2006 in Joachim Löws Trainerstab der deutschen Nationalmannschaft rückte, 2014 Weltmeister wurde und dann auf den Posten des DFB-Sportdirektors wechselte.
Zunächst kümmerten sich Ehefrau Silke sowie der gemeinsame Freund Uwe Ulzenheimer um den Fortbestand des Ladens und irgendwann waren auch die Töchter dabei. 2012 stieg Kathrin ein, zwei Jahre später übernahm sie den Posten der Geschäftsführerin. Entscheidungen wurden aber stets gemeinsam getroffen. "Mein Papa hat sich aus dem operativen Geschäft zwar zunehmend zurückgezogen, aber strategisch ist er immer dabeigeblieben", erinnert sie sich. "Die Arbeit hat nie geruht. Selbst wenn wir gemeinsam zu Abend gegessen oder einen Drink genommen haben, war das Geschäft Thema."
Besonders viel zu besprechen gab es im Jahr 2013, dem Jahr des Umzugs. "Hansi Flick Sport und Freizeit" übersiedelte aus den ursprünglichen Räumlichkeiten ein paar Meter weiter und gewann dadurch auch ein paar Meter dazu: 300 statt 110 Quadratmeter. Der Boden aus Holz und die Schränke auch, der Raum hell erleuchtet und hinter der Kasse ein Bildschirm, auf dem gerne mal Sportsendungen liefen. Ein einladendes Ambiente. Nun gab es mehr Platz für Freizeitmode und außerdem für eine integrierte Kaffeetheke, an der Hansi Flick gerne vorbeischaute. "Bis zuletzt hat er es genossen, einfach mal reinzukommen und einen Kaffee zu trinken", sagt seine Tochter.
Familie FlickDie Gründe für die Schließung
Die letzten Cappuccini und Espressi wurde im August 2017 ausgeschenkt und auch die letzten Trikots verkauft. Nach 22 Jahren machte der Laden dicht und das hatte gleich mehrere Gründe, erklärt Kathrin Flick. Der Mietvertrag lief aus und hätte für fünf Jahre verlängert werden müssen, Schwester Hannah war gerade zum zweiten Mal Mutter geworden, Mutter Silke sehnte sich nach mehr Zeit für ihre Berufungen als Ehefrau und Oma. "Und ich wollte mich beruflich weiterentwickeln und einen anderen Weg einschlagen", sagt Kathrin Flick. "Und dazu kommt - das kann man nicht leugnen -, dass es im Einzelhandel generell immer schwieriger wird."
Erstaunlich ist ja ohnehin weniger die Schließung 2017, erstaunlich ist viel eher der lange Fortbestand des Ladens. "Wir war einer der letzten Einzelhändler dieser Größenordnung in der Gegend", sagt Kathrin Flick und sie sagt das schon ein kleines bisschen wehmütig: "Wenn man durch die ganzen Ortschaften fährt, kann man ein Sterben des Einzelhandels beobachten."
Das Sterben von "Hansi Flick Sport und Freizeit" rief bei der Stammkundschaft daher beides hervor: Dankbarkeit für das lange Durchhalten und Traurigkeit. "Nachdem wir die Schließung angekündigt haben, sind einige Stammkunden gar nicht mehr in den Laden gekommen. Sie meinten, dass es sie zu sehr schmerzen würde", erzählt Kathrin Flick. Und die Wehmut weicht der Rührung.
Kathrin Flick über ihren Vater: "Klar hat er Heimweh"
Den Laden gibt es mittlerweile zwar nicht mehr, aber die Familie Flick, die gibt es in Bammental natürlich weiterhin. Kathrin ist nach einer Zeit in Heidelberg und im Ausland wieder zurück, ihre Schwester wohnt ebenfalls hier und auch ihr Vater strebte eigentlich eine langfristige Rückkehr an. "Den Job beim DFB hat er aufgegeben, um näher an der Familie zu sein", sagt Kathrin Flick. Im Januar 2017 war das, kurz vor der Ladenschließung.
Anschließend arbeitete Hansi Flick kurzzeitig im nur 15 Autominuten entfernten Hoffenheim als Geschäftsführer der TSG, dann war er über ein Jahr ohne Job. "Damals konnte er viel Zeit in die Familie investieren", erinnert sich Kathrin Flick. Und in die Gemeinde. Als ihr Vater zum jüngsten Ehrenbürger ernannt wurde, sagte er: "Es ist schön, ein Teil von Bammental zu sein."
Doch dann rief der FC Bayern und so einem FC Bayern sagt man natürlich nicht ab, 1985 nicht und 2019 auch nicht. Flick wurde zunächst Co-Trainer von Niko Kovac, im November Interimstrainer und neulich unterschrieb er mit seinen aktuell 55 Jahren einen Cheftrainervertrag bis 2023. "Jetzt ist er fast ausschließlich in München. Das war natürlich ein harter Schritt: Von sich täglich sehen zu sich alle zwei Monate sehen", sagt Kathrin Flick, die genau wie ihre Mutter und Schwester so oft wie möglich in München zu Besuch ist. Ganz glücklich sei ihr Vater mit seiner neuen Aufgabe, versichert sie: "Aber klar hat er Heimweh."
Heimweh nach Bammental. Den Ort, an dem Hansi Flick einst 22 Jahre lang nicht nur ein Zuhause, sondern auch ein erweitertes Zuhause hatte.
Hansi Flicks Trainerkarriere
Zeitraum | Verein | Funktion |
1996 bis 2000 | FC Bammental | Trainer |
2000 bis 2005 | TSG Hoffenheim | Trainer |
07/2006 bis 08/2006 | RB Salzburg | Co-Trainer |
09/2006 bis 2014 | DFB | Co-Trainer |
2014 bis 01/2017 | DFB | Sportdirektor |
07/2017 bis 02/2018 | TSG Hoffenheim | Geschäftsführer |
07/2019 bis 11/2019 | FC Bayern München | Co-Trainer |
seit 11/2019 | FC Bayern München | Trainer |