Leon Goretzka beim FC Bayern München: Höchste Zeit für eine Würdigung

Leon Goretzka beim Training des FC Bayern München während der Coronapause.
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Gemeinsam mit seinem Kollegen Joshua Kimmich gründete Leon Goretzka zu Beginn der Coronakrise die Spendenaktion #WeKickCorona, für die das Duo mittlerweile sogar ausgezeichnet wurde. Vor allem bei Goretzka überraschte dieses Engagement nicht: Der 25-Jährige ist einer der wenigen Fußballprofis, die für gesellschaftliche Belange sensibilisieren. Ehe die Bundesliga fortgesetzt wird, ist es höchste Zeit für eine Würdigung.

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Es war Mitte Februar, als SPOX und DAZN für ein Interview mit Leon Goretzka am Trainingsgelände des FC Bayern München an der Säbener Straße zu Besuch waren. Kurz davor hatte sich die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz zum 75. Mal gejährt und Goretzka zu diesem Anlass bei Twitter dazu aufgerufen, dem offiziellen Account der Gedenkstätte zu folgen.

Goretzka ist ein Fußballer, mit dem man am liebsten nicht über Fußball sprechen will. Sondern über Größeres, über Wichtigeres. Nicht, weil er nichts zum Fußball zu sagen hat. Nein. Sondern, weil er eben einer der wenigen Fußballer ist, die auch etwas zu Themen außerhalb des Fußballs zu sagen haben. Einer, der zwar in der Blase Profifußball lebt, aber auch die für viele seiner Kollegen offenbar unbekannten Gässchen zum Ausgang dieser Blase kennt. Zum Ausgang in die normale Welt.

Goretzkas zwei Besuche im Konzentrationslager Dachau

Zurück. Mit der Befreiung von Auschwitz wurde diese Welt vor 75 Jahren ein Stück weit normaler. Konzentrationslagers sind heute keine Orte des Schreckens mehr, sie sind Orte der Erinnerung. Und diese Erinnerung muss gepflegt werden. "Mit zwölf oder 13 Jahren war ich mit meinem Vater und der Familie eines Freundes im Konzentrationslager Dachau", erzählte Goretzka damals im Interview. "Auf einmal war alles real. Ich habe Bilder an den Wänden gesehen und bin dann in den Hof gelaufen, wo ich gewisse Orte von den Bildern wiedererkannt habe. In dem Moment habe ich angefangen zu weinen, weil mich alles überkommen hat. Der Besuch eines Konzentrationslagers sollte für jeden eine Pflichtveranstaltung sein."

Die Erinnerungen an diesen Moment der Erinnerung schienen bei Goretzka etwas ausgelöst zu haben. Er sah es offenbar an der Zeit, die Pflichtveranstaltung zu wiederholen. Am Tag nach dem Interview, das erst eine Woche später erscheinen sollte, postete er bei Twitter Fotos von ihm im Konzentrationslager Dachau. Der zweite Besuch.

Die Spendenaktion #WeKickCorona

Ziemlich genau einen Monat später überrollte die Coronakrise die ganze Welt, brachte auf einen Schlag Millionen Menschen in Lebensgefahr oder existenzielle Nöte. Und Goretzka war einer der ersten, der reagierte. Gemeinsam mit seinem Klub- und Nationalmannschaftskollegen Joshua Kimmich gründete er mit einer Eigenbeteiligung von einer Million Euro die Spendenaktion #WeKickCorona.

"Wir sind nicht nur Profi-Fußballer, sondern auch Teil unserer Gesellschaft, die mehr denn je aufgefordert ist, zusammenzuhalten und Verantwortung zu übernehmen", schrieben Goretzka und Kimmich damals. "Deshalb wollen wir denen helfen, die unsere Hilfe in diesen Wochen noch dringender benötigen als sonst." Die Spenden kommen karitativen, sozialen oder medizinischen Einrichtungen zu Gute. Über vier Millionen Euro sammelten Goretzka und Kimmich bereits, über 3600 Privat- und 60 Großspender aus den Bereichen Sport und Kultur beteiligten sich. Neulich wurden die beiden für ihr Engagement mit dem diesjährigen Ehrenpreis des Deutsche Fußball Botschafter e.V. ausgezeichnet.

Normalerweise dienen Profifußballer zur Unterhaltung der Gesellschaft. Sie werden bejubelt, sie werden idolisiert. Vor allem in Krisenzeiten wie den aktuellen zeigt sich, welches bejubelte Idol dieser Gesellschaft aber auch etwas zurückgeben will, wer Teile seines Reichtums und seiner Reichweite zur Verfügung stellt, wer ein Macher ist, wer Verantwortung übernimmt. Dass Goretzka anders als Kollegen, die entweder tatenlos zuschauten oder sich gar gegen Gehaltskürzungen sträubten, zu dieser Kategorie gehört, überraschte nicht.

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