Er lederte gegen den Berater von David Alaba (die Szene im Video), attestierte zwei englischen Klubs im Zuge des Transferpokers um Thiago schlechten Stil und redete sogar die Wünsche des eigenen Trainers hinsichtlich der Kaderplanung klein: Der Auftritt von Uli Hoeneß im Sport1-Doppelpass hatte es in sich.
Was steckt hinter den einzelnen Aussagen des Ehrenpräsidenten des FC Bayern? Und welche Konsequenzen könnten sie nach sich ziehen? Eine Analyse.
Thema Alaba: "Er hat einen geldgierigen Piranha als Berater"
Schon als Alabas Vater George zu Beginn des Jahres auf die Idee kam, sich für die nahenden Vertragsgespräche mit den Bayern den Superagenten Pini Zahavi in sein Beraterteam zu holen, läuteten an der Säbener Straße die Alarmglocken.
Zahavi ist in München kein Unbekannter. Die Führungsetage des FCB hatte 2018 ihre Mühe mit dem gewieften Israeli, als dieser als Interessensvertreter von Robert Lewandowski fungierte. Der polnische Angreifer spielte damals mit dem Gedanken, zu Real Madrid zu wechseln. Die Posse mündete in einer Verlängerung, die ihn zum damaligen Zeitpunkt noch vor Kapitän Manuel Neuer zum bestbezahlten Profi aufsteigen ließ.
Einen ähnlichen Plan verfolgt der 77-Jährige nun offensichtlich auch mit Alaba. Er will ihn nicht nur zum bestbezahlten Abwehrspieler der Welt machen, sondern auch zur neuen Nummer eins im Gehaltsranking des FCB. Zwischen 20 und 25 Millionen Euro per annum ruft der seit den 80er-Jahren im Beratergeschäft tätige Zahavi für seinen Klienten auf, heißt es. Auf vier Jahre verteilt wären das bis zu 100 Millionen Euro. Zu viel für die Verantwortlichen. "Lewandowski und Neuer sind das Maß aller Dinge. Darüber geht nichts", gab Hoeneß am Sonntag zu verstehen.
Alabas Vater und Zahavi reagieren überrascht
Dass der Bayern-Patron Zahavi in diesem Zusammenhang als "geldgierigen Piranha" beschimpfte und Alabas Vater nachsagte, sich zu sehr von diesem beeinflussen zu lassen, dürfte weder dem Image des von einigen Fans zuletzt als "Raffzahn" dargestellten Spielers noch den ohnehin schon zähen Verhandlungen zuträglich sein.
Alabas Vater reagierte jedenfalls alles andere als begeistert. "Ich habe nicht damit gerechnet, dass der FC Bayern jetzt in der Öffentlichkeit schmutzige Lügen über Gehalts- und Provisionsforderungen streut", sagte er am Montag bri Sky.
Zahavi gilt als knallharter Verhandlungspartner, der auch öffentlichem Druck standhält und ungeachtet der Corona-Krise auf seinen Forderungen beharrt. "Seine Klienten lieben ihn, weil er für sie durchs Feuer geht", so Roy Jankelowitz, ein freier Journalist aus Israel, im Gespräch mit SPOX und Goal.
2017 etwa fädelte Zahavi den 222 Millionen Euro schweren Rekordtransfer von Neymar zu PSG ein und sicherte sich für ein paar Telefonate angeblich eine Gage von zwölf Millionen Euro. Eine ähnliche Belohnung erwartet er nun auch von den Münchnern, was diese noch mehr auf die Palme bringt. "Die Argumente gehen auf keine Kuhhaut", sagte Hoeneß und berichtete, dass Sportvorstand Hasan Salihamidzic in einem der vielen Gespräche "total ausgeflippt" sei.
Zahavi selbst dementierte diese Forderungen bei Sky: "Ich habe zu keinem Zeitpunkt detailliert über eine etwaige Provisionszahlung mit den Bayern-Verantwortlichen gesprochen. (...) Ich will nicht mehr bekommen als andere Berater, die von Bayern Provisionszahlungen erhalten haben."
Hoeneß befürchtet ablösefreien Alaba-Wechsel
Hoeneß' Aussagen zeigen, dass die Nerven bei den Verantwortlichen allmählich blank liegen. Verlängert Alaba nicht, droht den Münchnern ein ablösefreier Wechsel im kommenden Jahr. Ein Szenario, das der Verein laut Hoeneß "unbedingt" verhindern müsse. Das ginge ohne Einigung in den Vertragsverhandlungen nur mit einem Verkauf.
Stand jetzt gibt es aber keine interessanten Angebote für den Österreicher. Zahavi mag im internationalen Fußball zwar bestens vernetzt sein, die für Alaba in Frage kommenden Vereine Real Madrid und FC Barcelona fahren derzeit aber einen Corona-bedingten Sparkurs. Eine ablösefreie Verpflichtung im kommenden Jahr würde ihnen demnach in die Karten spielen - und Alaba obendrein ein lukratives Handgeld bescheren. Ausgang völlig offen.
Thema Thiago: "Das ist kein Stil"
Hoeneß wäre wohl entspannter, würden die Bayern nicht an mehreren "Vertragsfronten" schlechte Chancen haben. Thiago, wie Alaba ebenfalls nur noch bis 2021 an den Triple-Sieger gebunden, steht trotz seiner gescheiterten Verlängerung im Mai noch immer im Kader und bereitet sich mit seinen Kollegen ganz normal auf die neue Spielzeit vor.
Das Problem: Er will gehen und wird aller Voraussicht nach gehen. Hoeneß bestätigte am Sonntag - wie es zuletzt auch schon Trainer Hansi Flick und Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge taten - die Wechselabsichten des spanischen Mittelfeldspielers. Dabei ließ er kein gutes Haar an Thiagos potenziellen Abnehmern, dem FC Liverpool und Manchester United, die nicht bereit zu sein scheinen, die von den Münchnern geforderte Ablöse von 30 Millionen Euro zu offerieren.
Hoeneß glaubt, Thiago sei sich längst mit mindestens einem der beiden Premier-League-Riesen einig, wenn nicht sogar beiden. "Und beide Vereine bluffen jetzt, es ist noch keiner offiziell an Bayern München herangetreten. Das ist kein Stil, aus meiner Sicht", so der 68-Jährige. Seine Schlussfolgerung: "Die versuchen, uns zu erpressen, indem sie bis zur letzten Woche warten und dann ein billiges Angebot hinhauen."
Macht der FC Bayern das Spiel der Engländer mit?
Heißt: Auch im Fall Thiago sitzt der FCB momentan nicht am längeren Hebel. Zwei Szenarien zeichnen sich ab: Entweder man macht das Spiel der Engländer mit und wird den 29-Jährigen vor dem 5. Oktober für einen weniger zufrieden stellenden Betrag los oder aber lässt ihn im nächsten Jahr ablösefrei ziehen.
Letzteres kommt für den Spieler, obgleich er sich in München wohl fühlt und viele Freunde in der Mannschaft hat, eher nicht in Frage. Thiago strebt im vermeintlich besten Fußballer-Alter nach einer neuen Herausforderung in einer anderen europäischen Top-Liga.
"Es ist nicht ganz einfach", sagte Flick zuletzt über die Baustellen Thiago und Alaba. Noch mehr als die Verantwortlichen ist der Triple-Coach genervt von der fehlenden Planungssicherheit. Am Freitag startet die neue Saison. Geht es nach dem 55-Jährigen, bleiben beide Spieler. Der Terminkalender ist eng. "Bis Weihnachten", weiß Flick, "geht es Schlag auf Schlag".
Thiagos Leistungsdaten in der Saison 2019/20
Gespielte Minuten | 2975 |
Tore | 3 |
Vorlagen | 2 |
Kreierte Großchancen | 5 |
Vergebene Großchancen | 4 |
Passquote | 90,6 % |
Zweikampfquote | 60,7 % |
Thema Kaderplanung: "Wir brauchen keine Neuzugänge"
Hoeneß gab im Doppelpass zu verstehen, dass die Mannschaft unabhängig von dem Ausgang der Fälle Alaba und Thiago keine Verstärkungen mehr benötige.
Damit widersprach er Flick, der angesichts der vielen Spiele in den kommenden Monaten zuletzt immer wieder einen breiteren Kader forderte. Allen voran die Abgänge der drei Leihspieler Alvaro Odriozola, Philippe Coutinho und Ivan Perisic müssten aufgefangen werden.
"Auf die Kaderplanung hat der Trainer alleinigen Einfluss, auf den Finanzstatus keinen", sagte Hoeneß. Sportvorstand Salihamidzic hatte zuletzt schon verlauten lassen, der Verein sei "wirtschaftlich am Anschlag".
Hoeneß begründete den Sparkurs nun in erster Linie mit fehlenden Einnahmen durch Ticketverkäufe. "Solange wir keine Zuschauer in den Stadien haben, fehlen auch dem FC Bayern 50 bis 60 Millionen Euro." Außerdem könne man nach einem Triple-Sieg sowieso mal ein wenig "experimentieren" und Spieler aus dem eigenen Nachwuchs befördern. "Da haben wir drei, vier gute Jungs", meinte Hoeneß. "Und wenn man Weihnachten meint, es reicht nicht, kann man immer noch Lücken schließen."
Trotz Hoeneß-Aussagen: Die Suche nach Neuzugängen ist nicht eingestellt
Eine Denkweise, die Flick nicht gefallen dürfte. Da Hoeneß in seiner Funktion als Ehrenpräsident aber keinen direkten Einfluss mehr auf Transfers hat, ist nicht davon auszugehen, dass mit seinen Aussagen nun sämtliche Türen in Sachen Neuzugänge geschlossen sind.
Die Suche nach einem neuen Rechtsverteidiger, der Benjamin Pavard entlastet, ist an der Säbener Straße weiterhin präsent, wenn auch schwierig, weil Kandidaten wie Sergino Dest (Ajax Amsterdam) oder Max Aarons (Norwich City) die Entscheider weder überzeugen zu scheinen noch preiswert zu haben sind. Im Mittelfeld schauen sich Salihamidzic und Co. weiter nach einem vielseitigen Spieler um, der sowohl im Zentrum als auch auf den Außen agieren kann, um die Abgänge von Coutinho und Perisic zumindest teilweise zu kaschieren.
Bei Wunschkandidat Pedri, einem 17-jährigen Talent aus Spanien, besteht noch die Hoffnung, den FC Barcelona zu einem Leihgeschäft nach dem Vorbild Coutinho zu bewegen. Kostspielige Transfers wie der bis zu 50 Millionen Euro schwere von Leroy Sane, das ist spätestens nach den Aussagen von Hoeneß klar, wird es in den nächsten zweieinhalb Wochen nicht mehr geben.
Die Termine des FC Bayern im September
Datum | Termin |
18. September | 1. Liga-Spieltag gegen Schalke |
24. September | UEFA Supercup gegen Sevilla |
27. September | 2. Liga-Spieltag gegen Hoffenheim |
30. September | DFL Supercup gegen Dortmund |