Die eigentlich bis Sommer vereinbarte Leihe von Offensivallrounder Sarpreet Singh (21) vom FC Bayern München zum Zweitligisten 1. FC Nürnberg wurde überraschend frühzeitig beendet. Die Hintergründe.
Jetzt müsse er aber wirklich sofort los, sagte Sarpreet Singh am 12. Januar im Telefongespräch mit SPOX und Goal noch schnell, dann war er weg. 14.30 Uhr, Krafttraining. Zuvor hatte er erzählt von emotionalen Besuchen in der Heimat seiner Eltern Indien und seinem Weg von Neuseeland über den FC Bayern zum 1. FC Nürnberg.
Nach einem Jahr als Stammspieler bei der Reserve des FC Bayern und zwei Einsätzen für die Profimannschaft war Singh im Sommer per einjähriger Leihe nach Nürnberg gewechselt. "Am Anfang musste ich mich an ein paar neue Dinge gewöhnen, aber so langsam beginne ich mich zu entfalten", sagte Singh Mitte Januar. "Der Wechsel nach Nürnberg war der richtige Schritt für mich."
Seine Worte waren aber offenbar nur die halbe Wahrheit: Singh zweifelte schon damals, ob Nürnberg tatsächlich der richtige Schritt für ihn war. Vergangene Woche wurden die Zweifel schließlich so groß, dass die Leihe auch auf sein Bestreben hin vorzeitig abgebrochen wurde. "Zusammen mit den Bayern und Sarpreet sind wir übereingekommen, dass dieser Schritt für alle Seiten der richtige ist", wird Nürnbergs Vorstand Sport Dieter Hecking in einer kurzen Mitteilung zitiert.
Singh und Nürnberg: Wie es zum Missverständnis kam
Wie konnte es soweit kommen? Im Sommer machte sich Singh auf die Suche nach einer höherklassigen Mannschaft als die Reserve des FC Bayern, die dominanten Fußball spielt und ihm gleichzeitig Aussicht auf regelmäßige Spielpraxis bietet. Eine Mannschaft, in die er mit seinen eher filigranen Fähigkeiten passt. Der ambitionierte Zweitligist Nürnberg mit dem neuen Trainer Robert Klauß, damals 35 Jahre alt und gerade von RB Leipzig verpflichtet, schien die richtige Adresse zu sein. Ein großes Missverständnis.
Bei seiner Vorstellung erklärte Klauß, seine Mannschaft werde "in allen Phasen des Spiels aktiv" sein. Das sei seine "klare Idee vom Fußball" und diese Idee war zunächst auch tatsächlich zu erkennen. "Die Testspiele waren gut. Da haben wir uns gedacht: Der lässt mutig nach vorne spielen", sagt Manuel Strauß, Vorstand des etwa 100-köpfigen Nürnberg-Fanklubs Rot-Schwarz Frankonia Wörnitz, zu SPOX und Goal. So wie es sich Singh erhofft hatte also. "Das hat sich inzwischen aber komplett eingestellt. Aktuell hat das nichts mit frischem Offensivfußball zu tun, sondern ist ein ziemliches Gegurke."
Wegen ausbleibender Erfolgserlebnisse passte Klauß die Spielweise zunehmend an: Betrug der durchschnittliche Ballbesitzanteil in den ersten neun Spielen der Saison noch 50,14 Prozent, lag er bei den letzten neun nur noch bei 45,47 Prozent. Deutlich zurück ging auch die Anzahl der Abschlüsse. Für ergebnistechnische Verbesserungen sorgten die Umstellungen nicht. Zuletzt verlor Nürnberg vier von fünf Spielen und rangiert aktuell vier Punkte über dem Relegationsplatz auf Rang 14.
Sarpreet Singh blieb in Nürnberg ohne Scorerpunkt
Singh kam zum Saisonstart zu einem Startelfeinsatz und ein paar Einwechslungen, ehe er sich im November aufgrund von Heimweh zu einem mit dem Klub abgesprochenen dreiwöchigen Heimatbesuch nach Neuseeland verabschiedete. Um den Jahreswechsel stand er dann viermal in Folge in der Startelf, entweder auf der Zehn oder auf dem rechten Flügel. Ein Scorerpunkt gelang ihm keiner, entscheidende Akzente setzte er im körperbetonte Spiel seiner Mannschaft kaum.
"Sein Zweikampfverhalten war nicht gut und sobald er am Ball war, war der Ball meistens bald wieder weg", erzählt Fan Strauß. Es wurde immer offensichtlicher: Die aktuelle Nürnberger Spielweise passt nicht zu Singh, Singh passt nicht zur aktuellen Nürnberger Spielweise. Die Trennung war folgerichtig. "Wir trauern ihm nicht hinterher", sagt Strauß.
Bereits kurz vor Singhs Abschied hat Nürnberg mit Mats Möller-Daehli (25, per Leihe vom KRC Genk) einen neuen Offensivspieler als Ersatz verpflichtet. Singh wird in der Rückrunde dagegen wieder für die Reserve des FC Bayern auflaufen, mit der er in der vergangenen Saison überraschend den Drittligatitel gewonnen hat. Auch dank seiner sieben Tore und sieben Assists.
Ob deren engem Spielplan spekuliert Singh aber auch auf weitere Einsätze für die Profimannschaft von Trainer Hansi Flick, zu dem er ein gutes Verhältnis pflegt. "Im Sommer habe ich mich mit Hansi fast jeden zweiten Tag über meine Situation und Zukunft ausgetauscht. Er kümmert sich um die ganze Mannschaft, aber speziell um die jungen Spieler wie mich. Dafür bin ich ihm sehr dankbar", sagte Singh, der sein großes Ziel nun ein halbes Jahr früher als geplant angeht: "Ich glaube daran, mich beim FC Bayern durchzusetzen. Das ist mein Plan."