"Es wird keine großen Transfers geben. Können Sie vergessen", betonte Hoeneß (69). "Das wurde so zwischen dem Vorstand und dem Aufsichtsrat auf der letzten Sitzung besprochen." Konkret angesprochen auf die Personalie Georginio Wijnaldum, der den FC Liverpool verlässt und ablösefrei zu haben ist, wies der Bayern-Patriarch Medienberichte zurück, wonach die Bayern ein Auge auf den 30 Jahre alten Mittelfeldspieler geworfen hätten: "Ich habe gehört, dass an diesem Spieler bei uns gar kein Interesse besteht."
Der Grund: Die Corona-Pandemie habe den Klub zu einem Sparkurs verdammt. "Uns fehlen mal locker 80 bis 100 Millionen Euro Zuschauereinnahmen. Und die kriegen wir auch nicht zurück", rechnete Hoeneß vor. "Das heißt: Alle Vereine, die seriös arbeiten, können keine großen Investitionen machen." Allerdings verliere man zur kommenden Saison "ja kaum Qualität. Was wir verlieren, haben wir durch Dayot Upamecano ersetzt."
Im Gegenzug werden Javi Martinez, Jerome Boateng und auch David Alaba den Verein ablösefrei verlassen, beim Österreicher deutet alles auf den Wechsel zu Real Madrid hin. "Wir waren einfach nicht bereit, den geforderten Preis für ihn zu bezahlen", erklärte Hoeneß.
"Das wird auch in Zukunft so sein: Wenn Preise aufgerufen werden, die nicht darstellbar sind, dann wird's keine Vertragsverlängerung beim FC Bayern geben." Andere Klubs wie der FC Barcelona, Real oder Juventus hätten "immer diese Gehälter weiterbezahlt", fügte Oliver Kahn an. "Jetzt stehen sie vor erheblichen Problemen. Das möchte ich mit Bayern München nicht erleben."
FC Bayern: Haaland ist nicht zu finanzieren, Coman hat Vertrag
Auch ein Erling Haaland von Borussia Dortmund dürfte bei den Bayern deshalb kein Thema werden. "Wie sollen wir das finanzieren", fragte Hoeneß angesprochen auf den norwegischen Ausnahme-Stürmer. "Lieber in den Abgrund und Meister werden um jeden Preis? Das wird es bei uns nie geben."
Was die Verhandlungen mit Kingsley Coman über eine Vertragsverlängerung angeht, macht man sich bei den Bayern keine Sorgen, auch wenn der französische Flügelspieler zuletzt die Dienste von Berater Pini Zahavi in Anspruch genommen hatte. "Ich kann nur darauf hinweisen, dass der Spieler noch zwei Jahre Vertrag hat", sagte Hoeneß. "Alles andere werden wir sehen. Das werden Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic schon richten."
Schließlich müssten sich erst einmal Klubs finden, die finanziell besser aufgestellt seien als die Bayern. "Wenn ich immer höre: Der Spieler hat ein Angebot zum Beispiel von Barcelona, dann frage ich mich: Wie wollen die das finanzieren? Die nächsten zwei Jahre im Fußballgeschäft werden katastrophal", prophezeite Hoeneß. "Im gesamten Fußball! Weil die wirtschaftlichen Defizite, die aufgelaufen sind und mindestens noch ein Jahr andauern, enorm sind."
Lediglich die englischen Klubs könnten sich aufgrund ihrer enormen TV-Einnahmen an große Transfers wagen, ergänzte Kahn. "Die hatten 2,7 Milliarden Fernseheinnahmen. Wir in der Bundesliga 1,3 Milliarden." Dennoch sei man "absolut konkurrenzfähig, weil wir eine gute Kultur haben." Die Mannschaft habe auch nach der neunten Meisterschaft in Folge "keine Abnutzungserscheinungen erkennen" lassen. "Sie kann etwas erreichen, was noch kein Klub in einer der europäischen Top-Ligen geschafft hat: die zehnte Meisterschaft in Folge", betonte der frühere Weltklasse-Torhüter.
FC Bayern: Hoeneß und Kahn über Nagelsmann, Flick und Salihamidzic
Auch der neue Trainer Julian Nagelsmann sei "hochehrgeizig", so Kahn: "Wir holen ihn, weil wir von seiner Qualität überzeugt sind und er sich sehr stark mit dem Verein identifiziert, das war ein wichtiger Aspekt." Nagelsmanns Aufgabe sei es, junge Spieler noch besser zu machen. "Wir gehen bei ihm davon aus, dass er viele junge Spieler entwickelt. Das wird eine Variante sein, mit der der FC Bayern in Zukunft verstärkt arbeiten muss." Dabei seien auch der neue FC Bayern Campus und neue Nachwuchskonzepte beim DFB gefragt.
Dort wird Hansi Flick nach der EM im Sommer das Ruder übernehmen. "Durch die Entscheidung von Hansi, die Aufgabe beim DFB zu übernehmen, musste der Verein zügig handeln", schilderte Hoeneß. "Wenn man Wochen oder Monate herumgeeiert hätte, hätte man Hansi Flick nicht aus dem Vertrag lassen können. Deshalb war es absolut richtig, dass man schnell Nägel mit Köpfen gemacht hat."
Flick habe man trotz des Sextuples in der Saison 2019/20 nicht zum Bleiben bewegen können. "Ich hatte viele Gespräche mit Hansi. Zwischendurch hatte ich das Gefühl, wir kriegen das hin", verriet Kahn. "Aber dass das Thema Nationalmannschaft in ihm gearbeitet hat, als Jogi Löw seinen Rücktritt nach der EM angekündigt hat, ist nicht wegzudiskutieren."
Im Konflikt zwischen Flick und Sportvorstand Hasan Salihamidzic gestand Kahn auch Fehler ein: "Es ist nicht so, dass wir uns im Rückblick alle auf die Schulter klopfen. Wir haben sicherlich nicht alles richtig gemacht." Man werde die Situation aufarbeiten müssen. "Es liegt in der Natur der Sache, dass es da auch mal unterschiedliche Auffassungen geben kann", so Kahn weiter. "Trotz der Reibereien haben wir meiner Meinung nach alles versucht, um Hansi in München zu halten."
Hoeneß verteidigte Salihamidzic gegen die teils harsche öffentliche Kritik, die im Zuge des Flick-Abschieds und Transferflops wie Bouna Sarr auf den Sportvorstand eingeprasselt war: "Ich kann die Kritik an Salihamidzic nicht nachvollziehen", betonte er.
"Tatsache ist: Hasan kann gar nicht alleine Spieler kaufen. Das lässt die Satzung der FC Bayern München AG gar nicht zu. Bei jedem Transfer muss auch die Unterschrift von Karl-Heinz Rummenigge oder einem anderen Vorstandsmitglied drauf sein." Es sei schwierig gewesen, "Transfers in Zeiten von Corona abzuwickeln", fügte Kahn hinzu. "Aber ein Klub wie Bayern München muss das verkraften können."