Hansi Flicks zweiter Meistertitel mit dem FC Bayern München ist wahrscheinlich der beste Beweis für seine herausragenden Trainer-Fähigkeiten (die Highlights des Spiels im Video). In dieser Saison hatte er nämlich mit deutlich mehr Störfaktoren zu kämpfen als noch in der vergangenen. Ein Kommentar.
Nachdem seine Mannschaft im vergangenen August mit dem Champions-League-Sieg das historische Triple perfekt gemacht hatte, zitierte Hansi Flick eine seiner Lieblingsweisheiten. "Es gibt einen schönen Spruch", sagte er: "Erfolg ist nur gemietet und die Miete ist jeden Tag fällig."
Was Flick damit sagen wollte: Wer nicht mehr entsprechend investiert, dem wird der Erfolg einfach abgeschaltet. Nun, es gibt einfachere und schwierigere Phasen im Leben wie im Fußball und herausfordernd wird die Mietzahlung vor allem dann, wenn nicht alles nach Plan läuft. Wenn es Komplikationen gibt. Wenn man sich strecken muss, wie beispielsweise der FC Bayern in dieser Saison.
Trotz aller Störfaktoren schaffte es Flick aber, dass seine Mannschaft bis heute geschlossen hinter ihm steht und ihre sprichwörtliche Miete bis zur Titelverteidigung in der Bundesliga verlässlich gezahlt hat. Das ist eine beachtliche Leistung und wahrscheinlich der beste Beweis für Flicks herausragende Trainer-Fähigkeiten. Er kann es auch, wenn es kompliziert ist.
FC Bayern München: Der entspannte Weg zum Triple
In seiner ersten Saison als Cheftrainer hatte Flick nach seiner Amtsübernahme im November noch mit verhältnismäßig wenigen Störfaktoren zu kämpfen. Zunächst einmal war seine Mannschaft einfach froh, dass sie Niko Kovac los war und unter dem für seine umgängliche Art allseits beliebten Flick mutiger, ihrem eigentlichen Naturell entsprechend spielen durfte.
Mit ein paar Kniffen (besseres Positionsspiel, höhere Verteidigung, intensiveres Pressing) passte Flick die Taktik entscheidend an und die Mannschaft eilte daraufhin unbeschwert von Sieg zu Sieg. Dabei blieb sie von Verletzungsproblemen sowie sonstigen Unruhen - die Corona-Unterbrechung betraf bekanntlich alle Klubs gleichermaßen - weitgehend verschont.
Klar, Niklas Süle fehlte fast die ganze Saison wegen eines Kreuzbandrisses, aber die Tragweite dieses Ausfalls wurde durch seine untergeordnete Rolle in der aktuellen Saison etwas relativiert. Auch Kingsley Coman, Thiago und Benjamin Pavard mussten phasenweise passen, aber immer schön hintereinander und auffangbar. Über weite Teile der Saison konnte Flick auf eine eingespielte Startelf vertrauen, die kontinuierlich ablieferte. Das Resultat: das Triple.
Dichter Spielplan, Verletzungsprobleme und Systemdebatte
Und damit zur aktuellen Saison, in der Flick mit so gut wie allen erdenklichen Störfaktoren zu kämpfen hatte, die einem Trainer so widerfahren können. Zunächst einmal wäre da die unglückliche Kombination aus einem in der Breite schwächer besetzten Kader und dem dichtesten Spielplan, den ein deutscher Klub jemals absolvieren musste. Aufgrund der Corona-Auswirkungen war die Saison kürzer und umfasste wegen Teilnahmen an allen möglichen Wettbewerben gleichzeitig mehr Spiele und mehr Reisen, als es normalerweise der Fall ist.
Vielleicht auch deshalb wurde der FC Bayern von einer beachtlichen Verletzungs- und Krankheitsserie heimgesucht: Beim mit 1:0 gewonnenen Viertelfinal-Rückspiel gegen Paris Saint-Germain in der Champions League, das letztlich das Aus bedeutete, fehlten sieben Spieler, darunter absolute Leistungsträger wie Robert Lewandowski oder Leon Goretzka. Trotzdem ging die Mannschaft nicht unter, präsentierte sich gut und scheiterte nur unglücklich.
Diese Niederlage war nachvollziehbarer als das Zweitrunden-Aus im DFB-Pokal gegen den Zweitligisten Holstein Kiel, dem einzigen echten sportlichen Tiefschlag in Flicks Amtszeit. Genau wie bei einer 2:3-Niederlage bei Borussia Mönchengladbach kurz davor fielen die Gegentore auch gegen Kiel nach weiten Pässen hinter die Abwehrkette. Ein Fehler im System?
In der Folge sah sich Flick erstmals Kritik an seiner Taktik ausgesetzt, erstmals war er als akuter Krisenmanager gefragt und diese Aufgabe erledigte er im Rückblick betrachtet souverän: Er nahm sich der Sache relativ unaufgeregt an und ließ seine Mannschaft fortan tatsächlich etwas tiefer stehen, ohne dabei seinen generellen Ansatz zu ändern. Es folgten 14 Siege aus 16 Pflichtspielen.
Hansi Flicks Streit mit Sportvorstand Hasan Salihamidzic
Just in dieser Zeit trat Flick mit seiner Kritik an der Corona-Politik und dem SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach aber einen veritablen Shitstorm los, den es anschließend wieder einzufangen galt. Zeitgleich verschlechterte sich sein ohnehin schon angeknackstes Verhältnis zu Sportvorstand Hasan Salihamidzic immer dramatischer. Nun hatte Flick auch noch mit diesen - bis zu einem gewissen Grad selbstverschuldeten - Ärgernissen abseits des Platzes zu kämpfen.
Den Streit mit Salihamidzic befeuerte er mit einigen (gezielt platzierten oder unbedachten) Äußerungen sogar weiter, letztlich resultierte er in seinem Wunsch nach vorzeitiger Vertragsauflösung zum Saisonende. Zum Abschied schenkt er dem Klub den neunten Meistertitel in Folge, der wie kaum einer zuvor von unterschiedlichsten Störfaktoren begleitet war.