Oliver Kahn hat in einem Interview mit der Sport BildAuskünfte über seine Pläne als zukünftiger Vorstandsvorsitzender des FC Bayern gegeben. SPOX und Goal nehmen die Aussagen des 51-Jährigen genauer unter die Lupe.
FC Bayern - Kahn: "Hohe Fluktuation verhindert Entwicklung"
- Kahn: "In den kommenden Jahren wird viel um die Mannschaft herum passieren. Eine hohe Fluktuation auf der Trainerposition verhindert dabei eine stabile Entwicklung."
Auf der einen Seite die enorm hohe Ablösesumme von bis zu 25 Millionen Euro, auf der anderen Seite die lange Vertragslaufzeit bis 2026 - mit der Verpflichtung von Julian Nagelsmann hat der FC Bayern in zweierlei Hinsicht ein Ausrufezeichen gesetzt.
Einen Fünf-Jahres-Vertrag erhielt in der jüngeren Vergangenheit kein FCB-Trainer. Selbst "Visionär" Jürgen Klinsmann wurde 2008 nur für zwei Spielzeiten verpflichtet. Generell "überlebten" die meisten Bayern-Trainer zuletzt nur zwei bis drei Jahre - obwohl die Verantwortlichen beispielsweise auch schon bei Niko Kovac gehofft hatten, für Kontinuität auf dem Trainerstuhl zu sorgen.
Das Projekt scheiterte bekanntlich nach nur etwas über einem Jahr. Mit seinem ehemaligen Co-Trainer Hansi Flick sollte alles besser werden, was aus sportlicher Hinsicht klappte. Dennoch änderte es nicht an der Fluktuation auf dem Trainerposten.
Mit dem gebürtigen Bayer Nagelsmann soll, so der Wunsch der Bosse, eine neue Ära entstehen. Der 33-Jährige stammt aus dem oberbayrischen Landsberg am Lech, seine Familie lebt im Münchner Umland. Es sei "eine vielleicht einmalige Gelegenheit", so der zukünftige Trainer. Seine bayrische DNA versteckte er jedenfalls in Leipzig nicht, wo er die Spieler oft mit dem an der Isar gebräuchlichem "Griaß di" begrüßte.
"Für andere Klubs hätte ich diesen Vertrag nicht beendet", sagte Nagelsmann bei der Bekanntgabe seiner Verpflichtung. Leipzig-Boss Oliver Mintzlaff betonte zudem, dass der Klub nur bereit gewesen sei, seinen Trainer gehen zu lassen, da bereits bei seiner Verpflichtung erkannt wurde, dass Nagelsmann eines Tages zum FC Bayern gehen wollen würde.
Um die Verkörperung des Mia-san-Mia-Gefühls muss sich der Verein schon mal keine Sorge machen. Bei "seinem" FC Bayern stehen Nagelsmann allerdings in den kommenden Jahren große Aufgaben bevor. Spieler wie Manuel Neuer (35) oder Robert Lewandowski (32) werden nicht jünger und müssen in Zukunft ersetzt werden. Auch deshalb ist es für den Klub wichtig, an der Seitenlinie langfristig abgesichert zu sein.
FC Bayern: Die Cheftrainer seit Klinsmann im Überblick
Name | Dauer | Punkteschnitt |
Louis van Gaal | 01.07.2009 - 09.04.2011 | 1,94 |
Jupp Heynckes | 01.07.2011 - 30.06.2013 | 2,15 (mit allen Amtszeiten) |
Pep Guardiola | 01.07.2013 - 30.06.2016 | 2,52 |
Carlo Ancelotti | 01.07.2016 - 28.09.2017 | 2,38 |
Niko Kovac | 01.07.2017 - 03.11.2019 | 2,18 |
Hansi Flick | Seit 03.11.2019 | 2,57 |
FC Bayern - Kahn: "Klose keine Versprechungen machen"
- Kahn: "Ein neuer Trainer will oft sein Team mitnehmen. Deswegen konnten wir Miro (Klose, Anm. d. Red.) keine Versprechungen machen."
Mit Benjamin Glück (34) und Timmo Hardung (31) folgen Nagelsmann zwei Assistenten aus Leipzig nach München. "Die sind mit mir schon aus Hoffenheim gekommen und ziehen mit mir weiter. Das ist so mit dem Verein abgesprochen", erklärte er.
Wie ESPN erfahren haben will, hofft er zudem darauf, Alfred Schreuder ebenfalls von einem Wechsel zu überzeugen. Mit dem ehemaligen Hoffenheim-Coach arbeitete Nagelsmann bereits von 2016 bis 2018 zusammen, Schreuder fungiert seit 2020 als Co-Trainer beim FC Barcelona.
Genau wie Flick soll Klose Differenzen mit Sportvorstand Hasan Salihamidzic haben. "Für mich persönlich ist das überhaupt kein Problem, dass der Verein noch nicht mit mir gesprochen hat. Was mich wirklich nachdenklich macht, ist aber wie hier gerade miteinander kommuniziert wird", klagte er neulich in der Bild: "Respekt voreinander zu haben, auch wenn man nicht immer der gleichen Meinung ist, das muss unbedingt sein! Uli und Kalle haben diesen Verein zu einem Weltverein gemacht, weil es ihnen immer um den FC Bayern ging und nicht um persönliche Eitelkeiten!"
Da Hansi Flick voraussichtlich Joachim Löw als Bundestrainer beerben wird, ist es denkbar, dass Klose ihn zum DFB begleiten wird. Der Vertrag des 42-Jährigen läuft im Sommer aus.
Bei Flicks zweitem Co-Trainer Danny Röhl ist die Situation nach Informationen von SPOX und Goal ähnlich wie beim WM-Rekordtorschützen. Röhl, der das Training auf dem Rasen aktiv mitgestaltet, wartet auf weitere Signale des Klubs. In den kommenden Wochen stehen Gespräche mit dem 32-Jährigen an, dessen Vertrag noch bis Sommer 2023 läuft. Gut möglich, dass er sich Flick und Klose anschließt und den Verein ebenfalls in Richtung DFB verlässt.
"Tiger" Hermann Gerland hingegen wird seinem Herzensklub erhalten bleiben. Ob als Assistent bei den Profis oder als Campus-Mitarbeiter, ist aber noch ungeklärt.
gettyFC Bayern - Kahn: "Das alles trägt Hasans Handschrift"
- Kahn: "Vieles von dem, was Hasan (Salihamidzic, Anm. d. Red.) beim FC Bayern eingeführt hat, hat dazu geführt, dass unsere Mannschaft heute so erfolgreich dasteht. Die Entwicklung der Spielphilosophie mit den entsprechenden Spielertypen - das alles trägt Hasans Handschrift."
Als der Streit zwischen Flick und Salihamidzic eskalierte, stellten sich viele Bayern-Anhänger hinter ihren Trainer und gegen ihren Sportvorstand. Sogar eine Petition wurde gestartet, um Salihamidzic von seinen Aufgaben zu entbinden. Die Vorstandsetage um Kahn reagierte irritiert und sagte dem Bosnier ihre volle Unterstützung zu.
Bezüglich der Arbeit von Salihamidzic, der "einen großen Anteil an den Titeln" habe, sei laut Kahn ein "falscher Eindruck entstanden". Die vornehmlich im Internet zu lesenden Kommentare gingen "viel zu weit und tief unter die Gürtellinie. Das können wir nicht akzeptieren: Diffamierungen, Anfeindungen, heftige und persönliche Attacken. Das geht so nicht, weder bei Hasan noch bei allen anderen, die so etwas erfahren haben. Wir dürfen als Gesellschaft nicht zulassen, dass so mit Menschen umgegangen wird."
Mit seinen Aussagen hat Kahn verdeutlicht, wie groß das Vertrauen in den Sportvorstand nach wie vor ist. Sicherlich hat durch den Streit mit Flick Salihamidzic etwas an Kredit eingebüßt, doch auch aufgrund der Triple-Saison gibt es aktuell keine Notwendigkeit, etwas auf dem Posten zu ändern.
Die Ansicht einiger Fans, einzig und allein Flick sei für den Erfolg verantwortlich gewesen, teilen die Bosse ohnehin nicht. Denn schon bevor der Erfolgstrainer im Amt war, hatte Salihamidzic den Kader maßgeblich zusammengestellt. Das haben Kahn und Co. nicht vergessen - wohlwissend, dass der 44-Jährige bei so manchem Transfer (Bouna Sarr, Alvaro Odriozola, Douglas Costa) auch daneben lag und sich in den kommenden Monaten weiter beweisen muss.
FC Bayern - Kahn: "Unser Spielraum ist kleiner geworden"
- Kahn: "Unser Spielraum ist kleiner geworden. (...) Ein Paket, das wie man hört mehr als 100 Millionen Euro kostet, ist aktuell für den FC Bayern nicht denkbar."
Mit dieser Aussage nahm Kahn den Gerüchten um eine mögliche Verpflichtung von Erling Haaland Wind aus den Segeln. In Corona-Zeiten ist es selbst für den Rekordmeister unmöglich, nach den Verpflichtungen von Dayot Upamecano (42,5 Millionen Euro) und Nagelsmann (bis zu 25 Millionen Euro) noch große Transfer zu stemmen.
Das betrifft nicht nur Haaland, sondern auch die Personalie Achraf Hakimi. Der Außenspieler von Inter Mailand passt zweifellos aufgrund seiner Schnelligkeit, seiner taktischen Variabilität und seines Offensivdrangs zum Nagelsmann-Fußball. Die rund 50 Millionen Euro, die er nach Informationen von SPOX und Goal kosten würde, können und wollen die Bayern jedoch nicht locker machen. Zumal sich Hakimi bei Inter wohl fühlt und die Nerazzurri einen ihrer besten Spieler nach nur einem Jahr nicht schon wieder verlieren möchten.
Große Transfers beim FCB sind also nicht mehr zu erwarten, denn potenzielle Verkaufskandidaten wie Sarr, Michael Cuisance oder Joshua Zirkzee könnten einen Hakimi-Transfer nicht refinanzieren. In diese Kategorie fällt auch Corentin Tolisso, dessen Vertrag 2022 ausläuft. Nach seinem Sehnenriss wird sich jedoch wohl kein Verein finden, der eine hohe Summe für den französischen Mittelfeldspieler zahlen wird.
Einzig ein Verkauf des unverkäuflichen Robert Lewandowski oder ein Abgang von Niklas Süle, dessen Vertrag ebenfalls 2022 ausläuft, könnten eine neue Dynamik in die Transferpläne der Bayern bringen. Dieses Szenario gilt jedoch als nahezu ausgeschlossen.
Süle, der vor einigen Wochen noch als Verkaufskandidat galt, trifft im Sommer auf seinen ehemaligen Förderer Nagelsmann. Lewandowski steht in München noch bis 2023 unter Vertrag. ESPN berichtete zuletzt, dass Klubs mindestens 60 Millionen Euro für einen Transfer hinlegen müssten. In einem Interview mit Tuttosport beteuerte der Pole aber: "Die Wahrheit ist, dass ich einen Vertrag bei Bayern habe und sehr glücklich bei diesem Verein bin."
gettyFC Bayern - Kahn: "Bin kein Freund von Leihgeschäften"
- Kahn: "Eine Leihe kann sinnvoll sein, grundsätzlich bin ich aber kein Freund von Leihgeschäften. Für mich zählt vor allem die Identifikation mit dem Klub, und ich weiß nicht, ob sich ein Leihspieler mit den Werten und Zielen eines Klubs ausreichend identifizieren kann."
In den vergangenen Monaten hat der FC Bayern größtenteils schlechte Erfahrungen mit Leihgeschäften gemacht. Das Paradebeispiel ist Joshua Zirkzee, der zum FC Parma verliehen wurde, beim Serie-A-Absteiger zunächst jedoch nur sporadisch zum Zug kam und sich dann obendrein auch noch verletzte.
Ähnlich ergeht es Michael Cuisance, der bei Olympique Marseille groß aufspielen wollte, unter Ex-Trainer Andre Villas-Boas aber meist die Bank drückte. Der Franzose blühte zwischenzeitlich unter Jorge Sampaoli wieder auf, diese Phase hatte jedoch schnell ein Ende. Derzeit findet sich Cuisance erneut meist auf der Bank wieder.
Auch die Leihen von Leon Dajaku (Union Berlin) und Adrian Fein (PSV Eindhoven) zeigen bislang nicht die gewünschten Ergebnisse. Einzig der Wechsel von Chris Richards zur TSG Hoffenheim entpuppte sich als richtige Entscheidung. Der Innenverteidiger blühte unter Sebastian Hoeneß auf und war in den letzten Wochen sogar Stammspieler.
Neben den verliehenen Spielern gab es auch mit geliehenen Spielern schlechte Erfahrungen. Ob Alvaro Odriozola oder Douglas Costa: Beide Leihspieler waren bzw. sind keine Hilfe für die Mannschaft. Odriozolas Leistung gegen den späteren Absteiger SC Paderborn fasste seine Situation bestens zusammen, als er nach 45 Minuten überfordert vom Feld genommen wurde. Bei Costa war es neben Verletzungsproblemen auch die (erwartbare) fehlende Einstellung, mit der er sich schon während seines ersten Aufenthalts in München ins Abseits manövriert hatte.
Natürlich waren die Leihen oft eine Notlösung, vor allem in Corona-Zeiten. Odriozola und Costa kamen erst kurz vor Transferschluss, eine große Auswahl gab es zu dem Zeitpunkt nicht mehr. Andere Beispiele, wie Ivan Perisic oder Philippe Coutinho, zeigten, das Leihen sehr wohl erfolgreich sein können.
Trotz Kahns klarer Aussagen sind Leihen womöglich vorerst die einzige Option, sich in Corona-Zeiten zu verstärken, ohne viel Geld in die Hand nehmen zu müssen. Sollte sich die finanzielle Situation im Fußball in Zukunft wieder entspannen, dürfte Kahns Wunsch in Erfüllung gehen. In nächster Zeit wird der FC Bayern womöglich aber nicht um die eine oder andere Leihe herumkommen.
FC Bayern - Kahn: "Im Moment keine Nübel-Leihe"
- Kahn: "Bei Alexander (Nübel, Anm. d. Redaktion) denken wir im Moment nicht daran, ihn abzugeben."
Nübel-Berater Stefan Backs pocht weiter auf eine Leihe seines Klienten. Der Torwart brauche "regelmäßige Spielpraxis, ein paar Einsätze reichen da nicht", betonte er. Ein Zustand, der sich normalerweise in der kommenden Saison in München nicht ändern wird. Denn auch unter Nagelsmann ist Manuel Neuer die unangefochtene Nummer eins.
Bei der Vertragsunterzeichnung im vergangenen Sommer sollen dem 24-jährigen Nübel zwar Einsätze vertraglich garantiert worden sein, Flick setzte jedoch auch in weniger wichtigen Spielen auf seinen Stammtorhüter Neuer.
Interessenten für Nübel gibt es genug, neben der AS Monaco wird auch dem BVB Interesse nachgesagt. Daher ist die Aussage von Kahn genauer zu betrachten. "Im Moment", eine gern genommene Fußball-Floskel, bedeutet übersetzt: Daran könnte sich noch etwas ändern - sofern die Bayern einen geeigneten Backup für Neuer finden.
FC Bayern - Kahn: "Ein gutes Beispiel ist Jamal Musiala"
- Kahn: "Die Entwicklung unserer Talente wird in Zukunft eine immer noch größere Rolle spielen. Ein gutes Beispiel ist Jamal Musiala. So ein Weg erfordert eine optimale Verzahnung unseres Campus mit dem Profibereich."
Damit der Campus eine größere Rolle spielen kann, drehen die Bayern dort aktuell viele Steine um. Viele Jugendtrainer wurden ausgetauscht oder bekamen eine neue Mannschaft zugewiesen.
So verpflichtete der Rekordmeister Danny Galm als neuen Coach für die U19. Der 35-Jährige, der als Profi unter anderem für Energie Cottbus und die Stuttgarter Kickers spielte, wechselt von der U17 der TSG Hoffenheim an den Campus. Ebenfalls eine neue Position hat Alexander Moj, der zusammen mit seinem Assistenten Halil Altintop von der U16 in die U17 aufsteigt. Dafür kommt mit Peter Gaydarov (29) ein weiterer begabter Coach vom NLZ des 1. FC Nürnberg, um Mojs alte Mannschaft zu übernehmen.
"Der nächste Entwicklungsschritt für uns als Campus ist, dass wir den einen oder anderen Spieler auch so langsam Schritt für Schritt zum Stammspieler entwickeln können. Das ist die primäre Zielsetzung. Wir wollen FC-Bayern-Profis ausbilden", sagte Campusleiter Jochen Sauer gegenüber Sky. Mit Musiala ist dies zuletzt gelungen. Teil der Wahrheit ist aber auch, dass der Offensivspieler größtenteils vom FC Chelsea ausgebildet wurde und nur noch den "Feinschliff" am Campus erhielt. Eigengewächse wie Angelo Stiller erhielten bei den Profis keine Chance.
Damit die von Kahn angesprochene "optimale Verzahnung" passieren kann, wurde mit Pirmin Schwegler auch ein neuer Scout verpflichtet. Der Ex-Profi (u.a. Eintracht Frankfurt und TSG Hoffenheim) soll insbesondere für den Campus Talente scouten, die langfristig den Sprung in die Profimannschaft schaffen. Chefscout Marco Neppe, die rechte Hand von Salihamidzic, winkt indes eine Beförderung zum Technischen Direktor.