FC Bayern München - Vier EM-Fahrer und ein Wechsel-Kandidat: Wen Nagelsmann aufbauen muss

Nino Duit
06. Juli 202112:30
Julian Nagelsmann hat am Montag seine Arbeit als Trainer des FC Bayern München aufgenommen.getty
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Große Transfers plant der FC Bayern München keine mehr, der neue Trainer Julian Nagelsmann wird weitestgehend mit dem aktuellen Kader arbeiten müssen. Umso mehr kommt es für ihn darauf an, fünf außer Form geratene Spieler wieder aufzubauen.

Niklas Süle

Einst als unumstrittener Abwehrchef der Zukunft gehandelt, läuft seit fast zwei Jahren eigentlich alles gegen Niklas Süle: Kreuzbandriss, Corona-Erkrankung, Fitnessprobleme, muskuläre Verletzungen. Er verlor seine Stammplätze in Klub sowie Nationalmannschaft und erlebte einen beachtlichen nationalen Ansehensverlust.

Vor der Europameisterschaft sprach Bundestrainer Joachim Löw davon, dass Süle "mehr Widerstandsfähigkeit" und "harte Trainingseinheiten" brauche, und berichtete: "Wir haben mit dem Niki ein Programm ausgearbeitet, damit er einen Schub im körperlichen Bereich macht." Gebracht hat es offenbar nichts, Süle kam bei der EM exakt 17 Minuten zum Einsatz (per Einwechslung gegen Portugal).

Sobald Süle wie die anderen EM-Starter des FC Bayern Ende Juli ins Training eingestiegen ist, muss sich nun Nagelsmann an einem Aufbau-Programm für ihn versuchen. Die beiden kennen und schätzen sich immerhin aus gemeinsamen Zeiten bei der TSG Hoffenheim, als Süle unumstrittener Stammspieler war. Eingesetzt wurde er damals zumeist als linkes Glied einer Dreierkette, die Nagelsmann auch beim FC Bayern einführen könnte. Dadurch gäbe es auf einen Schlag mehr Innenverteidiger-Plätze und automatisch auch höhere Einsatzchancen für Süle.

Die Rangordnung in der Innenverteidigung ist aktuell ohnehin völlig unklar. Die Stammspieler der vergangenen Saison David Alaba und Jerome Boateng haben den Klub verlassen, Neuzugang Dayot Upamecano muss sich erst einfinden, Talent Tanguy Nianzou seine Qualitäten auf höchstem Niveau beweisen und Lucas Hernandez fehlt zunächst einige Wochen verletzt.

Benjamin Pavard

In Sachen Rechtsverteidiger-Kunde in den Fachgebieten FC Bayern und französische Nationalmannschaft gilt Willy Sagnol als ausgewiesener Experte. In dieser Funktion kritisierte er seinen Landsmann Benjamin Pavard nach dem 1:1 gegen Ungarn am zweiten Gruppenspieltag der EM scharf. "Pavard hat mich enttäuscht. Er ist ein Spieler, der normalerweise nie schlecht ist. Diesmal hatte er in allen Bereichen große Schwierigkeiten", sagte Sagnol der L'Equipe.

Jahrelang spielte Pavard konstant stabil und erlebte dadurch einen unverhofften Aufstieg bis hin zum alternativlosen Stammspieler beim FC Bayern. Nach einer überzeugenden Premierensaison 2019/20 schwächelte er aber schon in der vergangenen Spielzeit zeitweise so bedenklich, dass Ex-Trainer Hansi Flick auf die lustige Idee kam, stattdessen den Innenverteidiger-Koloss Niklas Süle oder sogar Bouna Sarr als Rechtsverteidiger aufzustellen.

Bei der EM flog Pavard nach seinem vielkritisierten Auftritt gegen Ungarn zunächst aus der Startelf, spielte dann aber beim Achtelfinal-Aus gegen die Schweiz durch. Nicht die beste Idee von Trainer Didier Deschamps, denn Pavard verschuldete dabei das eine oder andere Gegentor. Obwohl der neue Vorstandsvorsitzende Oliver Kahn nicht mit weiteren großen Transfers rechnet, ist es nicht ausgeschlossen, dass der FC Bayern doch noch den einen oder anderen Rechtsverteidiger beobachtet und unter Umständen sogar verpflichtet.

Serge Gnabry

Nachdem Deutschland im EM-Achtelfinale gegen England ausgeschieden war, sprach Löw namentlich von zwei Enttäuschungen: "Gnabry oder Sane haben bei diesem Turnier nicht das gezeigt, was sie können." Bei Gnabry ließe sich diese Aussage auf die ganze vergangene Saison ummünzen.

Waren ihm 2019/20 wettbewerbsübergreifend noch 37 Scorerpunkte gelungen, sank diese Zahl 2020/21 um mehr als die Hälfte auf 18. "Ich bin nicht zufrieden mit mir", gab er vor der EM im Interview mit SPOX und Goal zu. Das Turnier sollte ihm eigentlich als Rehabilitation dienen, tatsächlich bestätigte es aber den Trend der vergangenen Monate.

Sportvorstand Hasan Salihamidzic betonte jüngst im kicker, dass er von Gnabry eine Steigerung "wünsche und erwarte". Wie sein langjähriger Kollege Süle hat Gnabry den Vorteil, den neuen Trainer Nagelsmann schon aus Hoffenheim zu kennen. In der Saison 2017/18 überzeugte er dort per Leihe - und machte sich für eine Integration in den Kader des FC Bayern interessant.

Leroy Sane

Noch mehr öffentliche Kritik als Gnabry musste nach der EM Leroy Sane einstecken - anders als bei Gnabry hatten sich dessen schwachen Leistungen aber nicht unbedingt abgezeichnet. Nach seinem schwierigen Saisonstart infolge eines Kreuzbandrisses hatte Sane beim FC Bayern in der Rückrunde zeitweise besser in Form gefunden und vor allem sein Defensivverhalten sichtlich verbessert.

Umso enttäuschender ist seine EM-Bilanz: drei Kurzeinsätze und ein verkorkster Startelf-Auftritt beim 2:2 gegen Ungarn, teils massive Kritik von Fans und Experten.

Aus München meldete sich unterdessen Sportvorstand Hasan Salihamidzic zu Wort. Sanes "Jahr der Stabilisierung" sei vorüber, sagte er dem kicker: "Jetzt erwarten wir, dass er Leistungsträger wird und die Mannschaft auch trägt." Und: "Er steht vor einem Jahr der Wahrheit."

Gleichzeitig sicherte Salihamidzic Sane "jede Unterstützung" zu, die er vor allem von seinem neuen Trainer brauchen wird. Findet Nagelsmann einen Draht zu dem als nicht einfach und außerdem nicht besonders trainingseifrig geltenden Sane?

Joshua Zirkzee

Als Oliver Kahn am Montag seine Regierungserklärung als neuer Vorstandsvorsitzender des FC Bayern abhielt, ging es hauptsächlich um das große Ganze und eher weniger um einzelne Personen. Durchaus kurioserweise nannte er dann auf einmal ungefragt Joshua Zirkzee namentlich, es ging um den Kader der neuen Saison und die Erwartungen an Nagelsmann.

"Es sind einige Spieler zurückgekommen wie Zirkzee oder Richards", erklärte Kahn. "Solche Spieler nehmen manchmal Entwicklungen, mit denen man nicht gerechnet hat. Wir erwarten von Julian Nagelsmann, dass er solche Spieler auf das nächste Niveau bringt."

Zirkzee hatte vor eineinhalb Jahren für die Profis des FC Bayern debütiert. Weil er nach seinen ersten Einwechslungen zunächst ungefähr ein Tor pro Minute schoss, entstand bald ein Hype um seine Person. Als er dann irgendwann nicht mehr ungefähr ein Tor pro Minute schoss, geriet Zirkzee allmählich ins Hintertreffen und wurde vergangenen Winter schließlich an den italienischen Erstligisten Parma Calcio ausgeliehen.

Während der ebenfalls auf Zeit abgegebene Defensivallrounder Chris Richards bei der TSG Hoffenheim überzeugte und gestärkt zum FC Bayern zurückkehrt, enttäuschte Zirkzee in Italien auf voller Linie. Vier Kurzeinsätze, kein Tor, ein Hexenschuss, eine Innenbandverletzung und der Abstieg mit Parma. Laut Kahn soll ihn Nagelsmann nun also trotz der namhaften Konkurrenz um Robert Lewandowski und Eric Maxim Choupo-Moting aufbauen - laut Sky und tz steht er aber vor einem Abschied.

FC Bayern München: Testspiel in der Übersicht

DatumUhrzeitGegner
Samstag, 17. Juli16 Uhr1. FC Köln (in Villingen)
Samstag, 24. Juli16.30 UhrAjax Amsterdam (Allianz Arena)
Mittwoch, 28. Juli18 UhrBorussia Mönchengladbach (Allianz Arena)
Samstag, 31. Juli16.30 UhrSSC Neapel (Allianz Arena)